Nach der Logik der Blockbuster müsste der neueste „Avengers“-Film noch schneller, lauter, tobsüchtiger als der vorige sein. Aber der Regisseur Joss Whedon setzt trotz viel Krawumm und Tohuwabohu auf Ironie und bremst das Tempo des Vorgängers eher ein wenig herunter.

Stuttgart - Jeden Morgen geht die Sonne auf, jeden Abend unter. Und egal, welche Katastrophen dazwischen über Individuen hereinbrechen, eines war lange gewiss: die Menschheit insgesamt würde auch den nächsten Sonnenaufgang erleben. Dass wir uns darauf noch verlassen können, haben wir allerdings nur der ständig wachsenden und doch fortwährend an der Grenze ihrer Wunderkräfte operierenden Schar der Superhelden zu verdanken. Denn täglich planen irdische Superschurken, außerirdische Invasoren, tobende Megamonster und Amok laufende Gigamaschinen die Auslöschung der Menschheit, das Ende allen Lebens auf der Erde oder gleich die endlose Nacht im gesamten Universum.

 

Es gibt also seit Jahrzehnten immer etwas zu erzählen für die Autoren etwa der Comicfabrik Marvel, und seit einiger Zeit auch für Hollywood, dem Computertricks die Möglichkeit geben, das Superhelden-Rambazamba angemessen in Szene zu setzen. Auch in dem von Joss Whedon inszenierten „Avengers: Age of Ultron“ ist mächtig was los: allerdings scheint die apokalyptische Krise dieses Mal zur Hälfte von den Helden hausgemacht zu sein.

Ärger mit dem Maschinengeist

Die Avengers sind eine bizarre Arbeitsgemeinschaft extremer Weltretter, die ihre feinsten technischen Spielzeuge von Tony Stark (Robert Downey jr.) geliefert bekommt, einem begnadeten Erfinder und hyperreichen Industriellen, der eingedost in mächtige Körperrüstungen als Iron Man in den Kampf zieht. Stark arbeitet an einer künstlichen Intelligenz, die ein bisschen mehr werden soll als eine Alarmanlagenzentrale für das Avengers-Hauptquartier: ein autonom agierender Beschützer des Guten in der Welt.

Misslicherweise wird dieser Maschinengeist Jarvis nun mit Fremdcode infiziert. Am Ende schickt er nicht, wie in der Realität bei solchen Pannen üblich, Spammails in alle Welt, sondern aktiviert Roboterarmeen und plant den finalen Weltfrieden. Ultron, wie er seine kommende Vollendungsstufe nennt, hegt einen ziemlich nüchternen Plan für eine friedliche Menschheit: wenn alle tot sind, hat er kalkuliert, hört auch das ständige Gezänke auf.

Mehr als „Irgendwer haut irgendwen“?

Diesem radikalen Überbeschützer müssen die Avengers also irgendwie die Schaltkreise stutzen, und nach der Logik des Blockbusterkinos sollten in diesem Sequel die Hiebe noch viel dichter prasseln, die Fetzen noch viel deftiger fliegen, die Schnitte noch hibbeliger unsere Adrenalindrüsen betätigen als im Vorgänger „Avengers“, in dem unter anderem Manhattan zu Bruch ging. Der Hightech-Ritter Iron Man, der Donnergott Thor (Chris Hemsworth), der Wutklumpen Hulk (Mark Ruffalo), der Killerfrisbee-Artist Captain America (Chris Evans), der Pfeil-und-Bogen-Virtuose Hawkeye (Jeremy Renner) und der Martial-Arts-Vamp Black Widow (Scarlett Johansson) müssten noch wilder umherrasen, noch schneller zerlegen, was sich ihnen in den Weg stellt.

Genau hier aber wird „Avengers: Age of Ultron“ interessant. Die Regie scheint gar keine andere Chance zu haben, als die Trickmaschine dahinrasen zu lassen, also bei Kämpfen zu landen, wie wir sie aus den „Transformers“-Filmen kennen, bei Keilereien virtueller Körper, denen unser Auge und Gehirn kaum noch folgen können. Rumms, zack, klabumm, irgendwas haut irgendwen, irgendwer fegt quer durchs Bild, irgendwessen Teile spritzen in einer millisekundenkurz hochrülpsenden Explosionwolke umher.

Ironie und Roboterhorden

Joss Whedon, der auch den vorigen „Avengers“-Film inszeniert hat, erkennt die Gefahr und stemmt sich gegen eine weitere Beschleunigung und Effekte-Inflation – auch wenn er mit dem Aufmarsch von Roboterhorden jede Menge Gelegenheit für Tohuwabohu erhält. Whedon, der auch das Drehbuch geschrieben hat, betont die menschlichen Seiten seiner Figuren und schafft es, subversive Ironie aufblitzen zu lassen, wo mittlerweile eher simpler Pausenklamauk des Gedröhne der Effektfilme kurz unterbricht.

Nicht allzu ernst nehmen

Sogar einen Subtext meint man hie und da zu erkennen. In einem Zeitalter, in dem die ikonenhaften Gestalten der Comics Hollywoods wichtigste Helden geworden sind, fragt dieser Film nach Maske und Gesicht. Die Robotersphäre von Ultron ist eine, in der Maske und Gesicht zusammenfallen: mörderische Logik braucht keine Mimik. Der Patriot Captain America läuft bei den Guten ebenfalls Gefahr, zur Maske einer Ideologie zu erstarren. Hulk ist dagegen der Vertreter einer Gefühligkeit, die sich nicht im Griff hat, ein permanenter Ausraster, dessen Mimik als Grimasse schreckt.

Am interessantesten ist Iron Man, hinter dessen bedrohlich reglosem Gesichtspanzer das flexible Gesicht eines Hallodri steckt. Am rätselhaftesten bleibt Black Widow, die auf Undurchschaubarkeit getrimmte Agentin, die Liebeszeichen gibt, von denen man sich fragt, wie authentisch sie sind. Allzu ernst sollte man auch diese Lesart aber nicht nehmen, denn Hawkeye bringt die lockere Selbsteinschätzung des Films mal auf den Punkt: „Nichts hier ergibt irgendeinen Sinn.“

Avengers: Age of Ultron. USA 2015. Regie: Joss Whedon. Mit Robert Downey jr., Scarlett Johansson, Chris Hemsworth. 141 Minuten. Ab 12 Jahren.