Der DJ und Popstar Sven Väth legt am Samstagabend in Stuttgart auf. Ob er wohl gute Laune rüberbringen kann? Schließlich ist sein Frankfurter Cocoon Club gerade pleite gegangen.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart/Frankfurt - Sven Väth ist die vielleicht tragischste Figur der deutschen Clubszene. Für die einen ist er immer noch einer der besten DJs der Welt, ein Popstar mit einem Vielfliegerkonto, das auch jedem McKinsey-Berater gut zu Gesicht stehen würde. Auch im Alter von fast 50 legt Väth noch auf der ganzen Welt auf – von Ibiza über Mexiko bis Japan mit einer Gage von angeblich bis zu mehreren Zehntausend Euro pro Auftritt. Für andere ist Sven Väth dagegen mittlerweile eine tragikomische Gestalt, ein Giovanni Trapattoni der deutschen Feierkultur.

 

Seit er 2006 bei einem Auftritt auf dem Festival Time Warp die Kunst des Dada im Stile der legendären „Flasche-leer-Ansprache“ des ehemaligen VfB-Trainers in ungeahnte Höhen gehoben hat, gibt es nicht wenig Techno-Anhänger, die ihn eher der Kategorie schrulliger Promi zurechnen. Damals begleitete er sein DJ-Set mit den bemerkenswerten Worten „It’s all about gude Laune und Feierei, Alter“, die Signalwörter „Laune“ und „Feierei“ dabei in epischer Breite variierend, angereichert durch etliche Laute der Lebensbejahung.

Das Cocoon war das ambitionierteste Clubprojekt des Landes

Am Samstagabend legt Väth beim Stuttgart Electronic Music Festival (SEMF) auf der Landesmesse auf. Die „gude Laune“ dürfte ihm inzwischen vergangen sein. Derzeit gibt er eher den „DJ von der traurigen Gestalt“. Grund: vor zwei Wochen hat sein Cocoon Club in Frankfurt endgültig die Pforten schließen müssen. Damit hat der Väth eine für ihn ungewohnte Bruchlandung hingelegt: Der Cocoon Club war das ambitionierteste Clubprojekt in ganz Deutschland. 2004 eröffnet, hatte das an ein Ufo erinnernde, von der Wiesbadener Architektur- und Designagentur 3deluxe gebaute Gebäude etwa zehn Millionen Euro gekostet. Die Anlage des Clubs galt als die beste in im Land und wurde von audiophilen Technojüngern geradezu kultisch verehrt – das Soundsystem hatte gerade mal schlappe 700 000 Euro gekostet.

Das Cocoon war viel mehr als nur ein Club, die Einrichtung war so etwas wie das Lebenswerk von Sven Väth. Hier sollte ein älteres, gehobeneres Publikum  feiern. Neben der Tanzfläche beherbergte das futuristische Gebäude im pittoresken Frankfurter Stadtteil Fechenheim auch zwei Restaurants, die beide der Sternekoch Mario Lohninger betrieb. Als die Lokale bereits Mitte des Jahres geschlossen wurden, machten die ersten Gerüchte über eine mögliche Pleite des ganzen Projekts die Runde. Im September stellten die Verantwortlichen des Cocoons schließlich einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Frankfurt.

Was war schief gelaufen? Stammgäste des Clubs hatten sich schon lange über eine Änderung der Publikumsstruktur beschwert: Anfangs hatte man an der Tür streng selektiert, in der jüngeren Vergangenheit war die Türpolitik aber angeblich eher lax bis nicht vorhanden. Andere beklagen die mangelnde musikalische Innovation, den Mut, auch mal junge Talente im Cocoon spielen zu lassen. Sven Väth selbst ist seit Ende seines Clubs sehr wortkarg. Eine Interview-Anfrage der StZ will sein Pressesprecher nur unter der Bedingung genehmigen, keine Fragen zur Pleite des Cocoon Clubs zu stellen. Stattdessen schlägt der Sprecher vor, Väth zu fragen, wie ihm Stuttgart gefällt. Auf der Website des Cocoon Clubs ist Väth auch nicht viel redseliger. „Acht Jahre lang habe ich mich als Aushängeschild präsentiert und meinen Part bis zuletzt erfüllt. Ich habe für den Club geworben, habe Künstler nach Frankfurt eingeladen und übrigens in den letzten Jahren nahezu alle Gigs ohne einen Cent Gage gespielt“, lässt er hier ausrichten. „Im Zusammenhang damit gibt es weitere interne Aspekte, die ich nicht öffentlich diskutieren werde“, lässt er die interessierte Öffentlichkeit weiter wissen.

Wird der Cocoon Club bald wieder auferstehen?

Konkreter wird der Investor Ari Goldman in einem Beitrag für das Stadtmagazin „Journal Frankfurt“. Er sieht die Schuld für die Cocoon-Pleite bei Väth: „Bestimmte Musikrichtungen waren mit ihm nicht möglich.“ Außerdem stellt Goldman überraschenderweise in Aussicht, dass das Cocoon bald ohne Väth weitergehen wird. „Anfang Februar wird der Club voraussichtlich wiedereröffnet. Ich bin mir sicher, dass der Nachfolger äußerst erfolgreich sein kann“, sagt Goldman, ohne den Namen des künftigen Gesellschafters zu verraten.

Sven Väth konzentriert sich derweil auf seine DJ-Karriere, die mittlerweile dreißig Jahre andauert, und macht seinen Fans via Internet Hoffnung: „So enttäuschend es für euch sein mag – auch mir fällt es nicht leicht, Abschied zu nehmen. Ich bitte euch in Anbetracht der Ereignisse, meine Entscheidung zu respektieren, denn es wird weitergehen in Frankfurt, für mich, mit euch!“

Wo und wie genau lässt der derzeit verhinderte Clubbetreiber erst einmal offen. Wer sich zur Vorbereitung auf Väths Auftritt beim Stuttgarter SEMF-Festival ein Stückchen gute Laune aus besseren Tagen holen möchte, dem sei die Website www.theshrine.de ans Herz gelegt. Hier kann man im Stile einer digitalen Jukebox sämtliche verbalen Dada-Kunstwerke von Sven Väth noch einmal nachhören. Gude Laune und Feierei, Alder, sind hier im Preis inbegriffen.