Rolf L., den alle Lubi nennen, zieht in der Doku noch einmal die Polizeiuniform an. Foto: SWR/Frisbeefilms
Jan Peter hat als Regisseur und Drehbuchautor die SWR-Doku „Lubi – ein Polizist stürzt ab“ realisiert. Im Interview erzählt er, was ihn fasziniert hat an der wahren Geschichte des Polizisten Lubi, der zum Verbrecher wurde.
Rolf L., genannt Lubi, bekämpft das Verbrechen im Görlitzer Park in Berlin, doch dann wird er selbst zum Straftäter. Denn der Drogenfahnder ist kokainabhängig. Nach einem Dienstunfall gerät er immer tiefer in den Sumpf des Verbrechens. Bis ihm das LKA auf die Schliche kommt. In der SWR-Doku „Lubi – ein Polizist stürzt ab“ tritt er zum ersten Mal vor die Kamera und erzählt die Geschichte seines kuriosen Doppellebens.
Herr Peter, Rolf L., genannt Lubi, hat seine Geschichte bereits in einem Podcast erzählt. Warum fanden Sie den Stoff auch geeignet für eine Doku?
Nino Seidel hat zunächst 2019 noch vor dem Urteil ein Interview mit Rolf gemacht. Daraus entstand die Idee, den Podcast und parallel dazu vielleicht einen Spielfilm aus seiner Geschichte zu machen, und ich wurde für das Drehbuch angefragt. Doch als ich mir das Interview anhörte, dachte ich: „Der Typ erzählt so interessant, den müssen wir treffen. Vielleicht ist das doch kein Spielfilm, sondern eher eine Doku.“ Nachdem wir ihn getroffen hatten, haben wir entschieden, dass Nino Seidel den Podcast mit ihm macht und wir parallel, aber unabhängig davon, eine Doku.
Regisseur Jan Peter Foto: www.imago-images.de/IMAGO/Olaf Ziegler
Wie unterscheiden sich Podcast und Doku?
Bei uns kommen noch viele andere Protagonisten zu Wort, wie zum Beispiel zwei Mittäter von Rolf oder zuständige Ermittler. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt.
Was hat Sie an der Story fasziniert?
Ich fand Rolf L. einfach so spannend in seiner Gebrochenheit, mit seinem Charisma, in seiner Mischung aus entwaffnender Ehrlichkeit und Versteckspiel. Wer sollte ihn besser spielen als er sich selbst? So bekommt die Geschichte diese Kraft des Wahrhaftigen, des Authentischen. Wobei wir in der Doku auch damit spielen, was wahr ist und was nicht.
Auf welche Weise haben Sie damit gespielt?
Wir zeigen die verschiedenen Welten, in denen Rolf gelebt hat, seine Vorstellungswelten. Das wird manchmal etwas wild. Wir geben damit auch den Hinweis: Achtung, dieser Protagonist lebt ein Stück weit in seiner eigenen Welt.
Sie haben Rolf L. über einen langen Zeitraum begleitet. Welchen Eindruck haben Sie von ihm gewonnen?
Rolf ist ein Mensch, der sich in alles hineinstürzt – in das Gute ebenso wie in das Schlechte. Er ist vielleicht nicht der Liebling der Götter, aber er ist jemand, der glaubt, was er sagt. Der immer versucht, für andere da zu sein. Der es allen recht machen will. Aber der sich auch die Wirklichkeit und die Moral zurechtbiegt. Wir kennen es alle, dass man mal eine Abkürzung wählt und dass man etwas Falsches vor sich selbst rechtfertigt. Aber in dem Ausmaß, in dem Rolf das tut, kennen es die wenigsten. Und kaum jemand kann das dann auch so formulieren.
Selbstbetrug ist ein großes Thema, denn Rolf L. dachte bis zum Schluss, dass er wieder Polizist sein könnte.
Ja, das ist wirklich kurios. Und zugleich stimmt eben auch das, was Thomas Susebach sagt, der Leiter der Abteilung zur Bekämpfung von internationaler Kfz-Verschiebung beim Berliner Landeskriminalamt: „Er hat immer noch geglaubt, ein guter Polizist zu sein, aber er war es schon lange nicht mehr.“ Den Eid, den Rolf geschworen hat, hat er gebrochen. Und zwar immer wieder.
Wie schwierig war es, Mittäter und Ermittler vor die Kamera zu bekommen?
Dabei hat meine Co-Autorin Sandra Naumann eine sehr wichtige Rolle gespielt. Sie hat sehr viel Zeit darauf verwendet, diese Kontakte herzustellen. Wir sind dann gemeinsam immer wieder zu ihnen hingefahren. Da geht es, wie immer, um Vertrauen. Aber dazu braucht man Zeit. Zum Glück hat uns der SWR diese Zeit gegeben. Wir konnten beispielsweise zehnmal zum LKA fahren, obwohl sie neunmal abgelehnt hatten. Über ein Jahr konnten wir immer wieder Stück für Stück Vertrauen aufbauen. Das war wichtig, weil der Film kein Urteil fällen soll. Wir zeigen die unterschiedlichen Perspektiven unkommentiert. Das heißt nicht, dass wir keine Haltung haben, aber der Film urteilt erst mal nicht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können sich selbst ein Urteil bilden.
Warum wollte Lubi seine Geschichte öffentlich machen?
Das ist eine gute Frage. Sicherlich ist er ein Mensch, der gehört und gesehen werden will. Ganz Instagram ist voll von Menschen, die gesehen und gehört werden wollen. Das meine ich gar nicht abwertend. Er ist eben auch so. Und vielleicht ist da das Gefühl, dass am Ende doch noch etwas Gutes bei seinen kriminellen Handlungen herauskommen soll. Außerdem war das Vertrauen zwischen uns wichtig. Wir haben uns gut verstanden. Ich konnte ihn verstehen, ohne dass ich es entschuldigen will. Das ist nicht meine Aufgabe.
True-Crime-Formate liegen im Trend. Dennoch gibt es auch die Kritik, dass man Tätern eine Bühne gibt. Hatten Sie Bedenken?
Ich bezweifle, dass ich einem Mörder den gleichen Raum gegeben hätte. Lubis Verbrechen haben einen großen Schaden angerichtet, aber zumindest keinen körperlichen Schaden an einem Menschen. Das war für mich persönlich wichtig. Außerdem haben wir alle Perspektiven in der Doku gezeigt – die der Strafverfolgungsbehörden kommen genauso stark rüber. Man kann sich fragen, ob es besser ist, immer nur fiktive Krimis zu zeigen. Ich sehe unsere Doku eher als einen Kontrapunkt dazu. Die kriminelle Gruppe, die man bei uns sieht, entlarvt sich selbst. Es ist eine interessante Geschichte aus dem Innenleben einer kriminellen Organisation heraus. Während Verbrecher sonst oft als coole Jungs dargestellt werden, sagt einer unserer Protagonisten: „Ehre, welche Ehre? Wir sind Verbrecher, da gibt es keine Ehre.“ Am Ende sind das alles mittelalte, kranke Männer, die sich gegenseitig anschwärzen. Das hat wirklich nichts Glamouröses.
Sie zeigen Originalüberwachungsbilder des LKA in ihrem Video. Kann man einfach ins Landeskriminalamt spazieren und erklären, dass man die für eine Doku braucht?
Wir haben großartigerweise einen Teil des Überwachungsmaterials aus den Ermittlungen des LKA in unserer Serie verwenden können. Das gibt es sehr selten und war nur möglich durch die Genehmigung der Staatsanwaltschaft und das Einverständnis von Rolf L., weil dabei ja auch Persönlichkeitsrechte zu beachten sind. Außer ihm sind daher auch alle Personen unkenntlich gemacht. Sicherlich hat dabei auch geholfen, dass es uns gelungen ist, durch etliche Telefonate und persönliche Treffen ein Vertrauensverhältnis zu den Ermittelnden aufzubauen. Sie haben gemerkt, dass wir uns wirklich mit ihrer Arbeit beschäftigen. Dass wir niemanden glorifizieren wollen. Und so haben wir dann auch das Material bekommen.
„Lubi – ein Polizist stürzt ab“
Regisseur Jan Peter wurde 1968 in Merseburg geboren und wuchs dort auch auf. Inzwischen lebt er in Berlin und arbeitet als Filmregisseur, Drehbuchautor, Fernsehproduzent und Showrunner, gelegentlich sogar als Opernregisseur. Zu seinen bekanntesten Werken zählt die erste deutsche Dokuserie auf Netflix „Rohwedder – Einigkeit und Mord und Freiheit“.
Doku Die SWR-Dokuserie „Lubi – ein Polizist stürzt ab“ ist von Montag, 9. Oktober, an in der ARD-Mediathek zu sehen. Eine 90-minütige Filmfassung wird am Montag, 9. Oktober, um 23:05 Uhr im Ersten ausgestrahlt.