Als sich die Reihe „Debüt im Dritten“ im Programm des SWR in den frühen achtziger Jahren etablierte, sah man den Filmen ihren Erstlingscharakter noch an. Das hat sich geändert. Die Reihe glänzt nun jeweils mittwochs mit fünf starken Filmen.

Stuttgart - In den frühen achtziger Jahren, als sich die Reihe „Debüt im Dritten“ im Programm des SWR etablierte, sah man den Filmen ihren Erstlingscharakter noch an. Viele waren unbehauen, ungeschliffen, unfertig. Rohdiamanten, wenn man sie mit Wohlwollen betrachtete; amateurhaft, wenn man sie mit professionellen Arbeiten verglich. Um so leichter war es damals, künstlerisch und handwerklich herauszuragen. Heute geht das kaum noch. Keinem der diesjährigen Debüts ist anzusehen, dass ihre Macher keine oder zumindest doch nur wenig filmische Erfahrung haben. Das spricht einerseits für die Professionalität ihrer Ausbildung, ist andererseits aber auch etwas bedauerlich.

 

Gerade der traditionell typische Mut der Debütanten, die bequemen ausgetretenen Fernsehpfade zu verlassen, macht ja oftmals einen Reiz der Erstlingswerke aus. Oder, wie es der Autor und Regisseur Carsten Unger formuliert: „Wir haben geahnt, dass das der letzte Film sein wird, in dem wir uns naiv und frei ausprobieren können, denn danach werden wir erwachsen sein.“ Ungers Debüt „Bastard“ (11. Dezember) ist allerdings alles andere als naiv. Der Psychothriller erzählt von zwei ungeliebten Jugendlichen, die ein Kind entführen und dessen Eltern zwingen, sich auf ein unerhörtes Spiel einzulassen. Mit Martina Gedeck, Thomas Thieme, Hanns Zischler und Matthias Koeberlin ist der Film mit Abstand am besten besetzt.

Die Leiche frisst das Krokodil

Den Auftakt der Reihe macht heute „Der Fluss war einst ein Mensch“, eine mutige Entscheidung der Redaktion, denn Jan Zabeils Werk ist der unkonventionellste Beitrag. Es ist ohne Drehbuch entstanden und basiert auf einer Idee, die der Regisseur gemeinsam mit seinem Hauptdarsteller Alexander Fehling ausgearbeitet hat: Ein junger Deutscher verirrt sich in einem afrikanischen Flussdelta, lernt einen Einheimischen kennen, der überraschend stirbt, und sieht sich schließlich mit der Wut eines Stammes konfrontiert, weil er es zugelassen hat, dass die Leiche von Krokodilen gefressen wurde. Ein fast dokumentarisch gestalteter Film mit langen Einstellungen, wenig Handlung, noch weniger Worten. Faszinierend, aber speziell.

Der Unterschied zum zweiten Beitrag der Reihe, „Fliegende Fische müssen ins Meer“ (23. Oktober), könnte kaum größer sein. Die Tragikomödie der Schweiztürkin Güzin Kar (Buch und Regie) strotzt nur so von ungewöhnlichen Nebengeschichten und Inszenierungsideen. Außerdem ist der Film knallbunt, und das passt perfekt zur weiblichen Hauptfigur: Roberta (Meret Becker) ist Ende dreißig und weigert sich standhaft, erwachsen zu werden. Mit der Erziehung ihrer drei Kinder, alle von unterschiedlichen Vätern, mag sie überfordert sein, aber das Leben genießt sie in vollen Zügen. Als das Jugendamt dem Spuk ein Ende machen will, entschließt sich Robertas 16-jährige Tochter, ihrer Mutter einen Mann zu suchen. Der in der Schweiz spielende Film ist von einer ansteckend fröhlichen, gleichzeitig aber dennoch nachdenklichen Art, die großes Vergnügen bereitet; und Meret Becker ist schlicht umwerfend.

Sämtliche Beiträge haben Preise bekommen

In den beiden weiteren Filmen geht es um Schuld, Sühne und Vergebung. Ausgesprochen bedrückend und von Hauptdarsteller Edin Hasanovic beängstigend gut gespielt ist „Schuld sind immer die anderen“ (30. Oktober) unter der Regie von Lars-Gunnar Lotz. Ein Jugendlicher bekommt die Chance, sich im Rahmen eines familiär gestalteten offenen Vollzugs zu resozialisieren. Der zunächst renitente Junge ist auf einem guten Weg, als ihm klar wird, dass die „Hausmutter“ (Julia Brendler) eines seiner Opfer ist. Schockiert erfährt er, dass sie schwanger war, als er vermummt auf sie einprügelte, und durch den Vorfall das Baby verloren hat. Und sie ist keineswegs bereit, dem Täter zu vergeben.

Den Abschluss der Reihe bildet am 18. Dezember das Drama „Der Preis“ von Elke Hauck (Buch und Regie) und Peggy Lehmann (Buch). Beide sind in der DDR aufgewachsen. Ihr Protagonist ist ein Architekt, der in seine thüringische Heimat zurückkehrt, um dort einen Plattenbau zu modernisieren. Durch die Begegnung mit früheren Freunden wird er mit einer Schuld konfrontiert, die er als Junge auf sich geladen hat. Der Mann repräsentiert laut Hauck die Generation der beiden Frauen, die „nach der Wende erst einmal nicht zurückgeschaut hat, weil das neue Leben viel spannender war, und die gut zwanzig Jahre später spürt, dass es an der Zeit ist, sich zu seinen Wurzeln zu bekennen.“ Wie in allen diesjährigen Debüts sind die Schauspieler hervorragend geführt. Bei den Profis mag das nicht weiter überraschen, aber gerade die jugendlichen Darsteller sind ausgezeichnet, wie ohnehin sämtliche Beiträge zum Teil gleich mehrere Festival- und Nachwuchspreise bekommen haben.

SWR Fernsehen, jeweils mittwochs, 22 Uhr