Erst holte sich die Bundesregierung Rückendeckung bei der EU, dann unterzeichnete sie eine internationale Syrien-Erklärung mit Verspätung. So oder so gab es Kritik an der Entscheidung.

Berlin - Die Bundesregierung hat eine internationale Syrien-Erklärung erst mit eintägiger Verzögerung unterschrieben. Mit dieser Erklärung hatten sich am Freitag zehn Staaten auf dem Petersburger G20-Gipfel hinter den Kurs von US-Präsident Barack Obama in der Syrien-Krise gestellt – Deutschland unterzeichnete das Dokument erst am Samstag, nachdem sich die EU auf eine gemeinsame Position geeinigt hatte. Kanzlerin Angela Merkel verteidigte am Samstag ihr Zögern.

 

Die CDU-Politikerin begrüßte die gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister zum Syrien-Konflikt. „Das Signal eines in seiner Haltung zu diesem schrecklichen Konflikt geeinten Europas ist von unschätzbarer Bedeutung“, sagte sie nach Angaben des Bundespresseamtes. Der Erfolg des Ministertreffens in Vilnius zeige, wie richtig die deutsche Entscheidung beim G20-Gipfel in St. Petersburg gewesen sei, zunächst auf eine gemeinsame europäische Position hinzuwirken.

Die USA planen, Syrien für einen mutmaßlichen Giftgasangriff gegen die Opposition mit einem Militärschlag abzustrafen. Aus Sicht Washingtons muss dafür der Bericht der UN-Giftgasexperten nicht abgewartet werden. Merkel betonte dagegen, ein Bericht der UN-Inspektoren solle so bald wie möglich vorgelegt werden, bevor weitere Maßnahmen ergriffen würden.

Merkel sei gemeinsame Position Europas wichtig gewesen

Auch Außenminister Guido Westerwelle begrüßte die Entscheidung der EU-Staaten. „Wir sind der Überzeugung, dass der Einsatz von Chemiewaffen in keiner Weise von der internationalen Staatengemeinschaft toleriert werden kann“, sagte der FDP-Politiker nach Angaben des Auswärtigen Amtes. „Deswegen sind wir auch der Überzeugung, dass es wichtig ist, die Ergebnisse der Inspekteure der Vereinten Nationen abzuwarten.“

Merkel betonte bei einer Wahlkampfveranstaltung im brandenburgischen Oranienburg, ihr sei die gemeinsame Position Europas wichtig gewesen. Sie habe sich daher mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP) abgestimmt, die Erklärung in St. Petersburg zunächst nicht zu unterschreiben aus Sorge, dass es keine einheitliche Position geben könnte. „Einige Länder wurden noch nicht einmal gefragt“, so Merkel.

Rückendeckung erhielt die Kanzlerin vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). „Das Vorgehen der Bundeskanzlerin war richtig, denn das G20-Papier zu Syrien vor einer Abstimmung der EU-Partner zu unterschreiben, wäre nicht klug gewesen. Das ist keine inhaltliche Frage gewesen, aber eine prozedurale“, sagte er dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Europa könne nur dann eine aktive Rolle in der Syrien-Frage spielen, wenn es mit einer Stimme spreche.

Kritik von Linke und Grünen

Die Linke sprach von einem Beitritt Deutschlands „in Obamas Koalition der Kriegswilligen“. „Die Bundeskanzlerin ist drauf und dran, Deutschland zur Kriegspartei im Nahen Osten zu machen, und reicht Obama die Hand zu einem völkerrechtswidrigen Militärschlag“, kritisierte Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion und stellvertretender Parteivorsitzender. Indirekt werde in der Erklärung ein Militärschlag unterstützt. Van Aken forderte eine Sondersitzung des Bundestags über die deutsche Haltung zum Syrien-Konflikt.

Scharfe Kritik kam auch von den Grünen. „Was ist das denn für ein abenteuerlicher Zickzackkurs?“, fragte Parteichefin Claudia Roth am Samstag auf einem kleinen Grünen-Parteitag in Bamberg. „Es braucht endlich und ganz klar eine Antwort der internationalen Staatengemeinschaft, aber es braucht eine gemeinsame Antwort.“ Dabei sollte es etwa um Verhandlungen, Sanktionen und Flüchtlingshilfe gehen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück bezeichnete den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien als „tiefgreifende Völkerrechtsverletzung“. Zum Zögern der schwarz-gelben Regierung vor der Unterzeichnung der Syrien-Erklärung äußerte sich Steinbrück bei seiner Wahlkampfveranstaltung in Erfurt am Samstag nicht.