In Syrien liefern sich Truppen schwere Gefechte mit abtrünnigen Soldaten. Inzwischen sind tausende Syrer in die Türkei geflohen.

Beirut - Unter schwerem Feuer und lauten Explosionen sind syrische Truppen am Sonntag mit Panzern in die Unruhestadt Dschisr al Schugur eingerückt. Die Truppen griffen die Stadt in rund 200 Fahrzeugen aus südlicher und östlicher Seite an, wie das Örtliche Koordinationskomitee, das regierungsfeindliche Proteste in Syrien dokumentiert, mitteilte. Syrische Truppen sagten einem Reporter der Nachrichtenagentur AP, sie würden „Bewaffnete“ in Dschisr al Schugur festnehmen. Die Militäraktion in der weitgehend evakuierten Stadt dauerte am Mittag (Ortszeit) an. Nach Angaben eines AP-Reporters, der die syrischen Truppen begleitet, brachten Soldaten Journalisten in das National-Krankenhaus von Dschisr al Schugur, wo sie mindestens zwei Leichen sahen.

 

Die staatliche Nachrichtenagentur SANA berichtete, Heereseinheiten seien in die Gegend eingerückt, nachdem sie Sprengsätze entschärft hätten, die von Bewaffneten an Straßen und unter Brücken platziert worden seien. „Heftige“ Gefechte seien zwischen den Einheiten und Bewaffneten in Dschisr al Schugur und umliegenden Gebieten ausgebrochen, hieß es weiter. Dschisr al Schugur ist eine größtenteils sunnitisch geprägte Stadt. Die Mehrheit der Syrer sind sunnitische Muslime, während der syrische Präsident Baschar Assad und Mitglieder seiner Regierung der alawitischen Minderheit angehören. Die Region von Dschisr al Schugur nahe der syrischen Grenze zur Türkei gilt als feindlich gegenüber dem Regime von Assad, der seit Wochen versucht, den Aufstand gegen seine Regierung zu unterdrücken. Tausende Syrer haben die Region bereits verlassen und die Grenze in die Türkei überquert.

Offenbar Militäraktionen in drei Gebieten der Provinz Idlib

Der syrischen Regierung zufolge war Dschisr al Schugur unter Kontrolle „bewaffneter Männer“ geraten, die in der vergangenen Woche 120 Polizisten getötet haben sollen. Aktivisten zufolge war es zu einer Meuterei von Soldaten und Polizisten gekommen, die sich geweigert hätten, weiter gewaltsam gegen Demonstranten vorzugehen und ihre Waffen gegen die Streitkräfte gerichtet hätten. Der Menschenrechtsaktivist Mustafa Osso sagte, das syrische Heer führe Militäreinsätze in drei Gebieten der nördlichen Provinz Idlib aus, in der auch Dschisr al Schugur liegt. Vorrückende Truppen, die Panzer, Artillerie und Kampfhubschrauber einsetzten, kämpften gegen hunderte abtrünnige Soldaten aus der Gegend. „Dies ist die größte und gefährlichste Welle von (militärischen) Lossagungen“ seit Beginn des Aufstands gegen das Regime von Assad Mitte März, sagte Osso. Seit Beginn der Proteste gegen die Regierung von Assad vor rund zwölf Wochen sind nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mehr als 1400 Menschen ums Leben gekommen.