Aus der syrischen Außenperspektive hat der Comedian Firas Alshater im Sindelfinger Pavillon sein Bild von den Deutschen dargelegt.

Mit seiner Video-Reihe „Zukar“ ist Firas Alshater vor rund zehn Jahren über Nacht bekannt geworden – offenbar auch in Sindelfingen. Denn zahlreiche Zuschauer strömen am Sonntagabend zum Pavillon, um den sympathischen Schauspieler, Youtuber und Autor Auf der Bühne zu sehen, unter ihnen viele Geflüchtete. „Ich bin überrascht, wie voll es ist“, sagt Andrea Frommherz vom AK Asyl, der den Abend veranstaltet. Nach der Ausstellung „Angekommen“ im Sindelfinger Rathaus 2021 mit Porträts von Geflüchteten interessiert den Arbeitskreis nun der Blick von außen auf Deutschland. „Integration ist für Firas Alshater nicht Anpassung, sondern offene Begegnung“, kündigt sie den Syrer an.

 

Mehrfach verhaftet und gefoltert

1991 in Damaskus geboren, studierte Firas Alshater dort Schauspiel. Während der Revolution gegen Baschar al-Assad war er als Journalist und Kameramann für ausländische Nachrichtenagenturen tätig. Mehrfach wurde er verhaftet und gefoltert, ehe er nach Deutschland kam. Dorthin gelangte er, weil er den Filmemacher Jan Heilig bei der Fertigstellung von „Inside Syria“ unterstützen sollte, das Projekt eines syrischen Freunds, der einer Rakete zum Opfer gefallen war. Inzwischen studiert Firas Alshater an der Film University Babelsberg Konrad Wolf. Der Folterknecht Anwar R., der Alshater und tausende andere Menschen misshandelt hat, wurde vom Oberlandesgericht Koblenz zu lebenslanger Haft verurteilt.

Mit Klassikern aus seinen Zukar-Filmen startet Firas Alshater in den Abend. Wer sind sie eigentlich, die Deutschen? Um sie aus nächster Nähe kennenzulernen, wartet Firas Alshater mit verbundenen Augen in die Fußgängerzone – neben sich ein Schild, in dem er sich als syrischer Geflüchteter vorstellt und um Umarmungen bittet. Bald kann er sich vor Avancen und in Folge des Filmchens vor Interview-Anfragen kaum retten. „Die Deutschen brauchen längere Zeit, aber dann sind sie nicht zu stoppen“, resümiert er. 14 Verlage wollen mit ihm kooperieren. Also beginnt er zu schreiben.

Brauchen Geflüchtete womöglich nur einen Integrationshund?

„Ich komm auf Deutschland zu: Ein Syrer über seine neue Heimat“ hieß Firas Alshaters Erstling von 2016. Zwei Jahre später folgte sein Band „Versteh einer die Deutschen! Firas erkundet ein merkwürdiges Land“. Da beschreibt er zum Beispiel, wie er sich den Chihuahua „Zucchini“ zulegt, weil er sich ständig auf Lesungen unterwegs einsam zu fühlen beginnt. „Die Deutschen sind Fremden gegenüber zurückhaltend, aber Hunde lieben sie über alles“, stellt er perplex fest. Brauchen Geflüchtete womöglich nur einen Integrationshund? Die Zuschauer sind schwer amüsiert. Vor allem benötigt Integration viel Zeit, wie Firas Alshater an Hand eines Hefeteigs in einem der Zukar-Filmchen demonstriert. Schließlich geht Liebe durch den Magen.

Schneller heimisch fühlte er sich in Berlin, wo man ihm mit viel Offenheit begegnet. Anders in Düsseldorf: Da erfährt er in einer Nacht gleich mehrere Male Diskriminierung an Club- und Disco-Türen. Er soll sogar für einen Kellner seinen Koffer öffnen. „Niedergeschlagen war ich auch, weil sich keine Gäste für mich eingesetzt haben. Gesellschaftliche Probleme kann nur die Gesellschaft selbst lösen“, meint er.

Im Zuge der Flüchtlingskrise taucht das Schlagwort „Leitkultur“ in der öffentlichen Debatte auf. Dieser geht Alshater in seinen Filmen und Büchern genauer auf dem Grund. Handelt es sich womöglich um die Liebe für das Grundgesetz und Angela Merkel oder um kulinarische Vorlieben? Geht der gewitzte Comedian nach den Follower-Zahlen im Internet, scheint aber tatsächlich Barbie die bekannteste deutsche Person zu sein.

Drittes Buch in Planung

Vielleicht lässt sich die Leitkultur an Hand der musikalischen Vorlieben der Deutschen verstehen, überlegt Alshater. Da fallen ihm zum einen Techno- und Elektro-Festivals und zum anderen das Oktoberfest ein. Sehr treffend schildert er befremdliche Szenen mit Besoffenen von der Wiesn und schwärmt demgegenüber von Freiheit, Energie und Leichtigkeit beim „Fusion Festival“.

Nach der Lesung stellt sich Alshater den Fragen des Publikums. Da geht es zum Beispiel um Querelen mit Pässen und deutschen Ämtern. Und tatsächlich weiß der Comedian von Diskriminierung durch Behörden zu berichten, der er nur mit Hilfe von Journalisten und der Öffentlichkeit beikommen konnte. Zu guter Letzt erzählt er auch, was er nach dem Studium vorhat: Er möchte auf Weltreise gehen und dies dokumentieren. Und ein drittes Buch darf man auch erwarten.