Taschendiebe in Stuttgart Tatort Rolltreppe in Stuttgart

Taschendiebe stoppen die Rolltreppen absichtlich, um die Opfer abzulenken und dann zuzugreifen. Foto: /Sebastian Steegmüller

Immer wieder werden in Stuttgart an Aufgängen von Unterführungen und Stadtbahnhaltestellen ältere Menschen angerempelt und bestohlen. Welche Auswirkung solch eine Tat haben kann, zeigt sich am Beispiel eines 88-jährigen Opfers.

Taschendieben reicht meist ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, um an die Wertsachen ihrer Opfer zu gelangen – wie ein Fall zeigt, der sich am Sonntagabend in der Stuttgarter Innenstadt ereignet hat. Ein 77 Jahre alter Mann wurde gegen 17.20 Uhr auf einer Rolltreppe an der Stadtbahnhaltestelle Rathaus bestohlen. „Plötzlich stoppte sie ruckartig“, sagte der Senior gegenüber der Polizei aus. Quasi zeitgleich sei ein Unbekannter an ihm vorbeigerannt, habe ihn leicht touchiert. Dass seine Geldbörse mit persönlichen Papieren, unter anderem einer EC-Karte und dem Führerschein sowie 150 Euro fehlten, ist dem 77-Jährigen erst später aufgefallen.

 

Der Mann ist nicht das erste Opfer, das auf diese Weise in Stuttgart bestohlen wurde. In den vergangenen Monaten hat die Polizei immer wieder vor Diebstählen auf Rolltreppen gewarnt. Vor allem am Rotebühlplatz, am Schlossplatz und in der Klett-Passage sollte man offenbar wachsam sein. Am Degerlocher Albplatz wurden ebenfalls mehrere Delikte angezeigt. Und auch an der Stadtbahnhaltestelle Rathaus hat die Polizei bereits mehrere Fälle registriert. Das Anrempeln ist nur eine von mehreren Maschen. Mal wird nach dem Stoppen der Rolltreppe der Schreckmoment ausgenutzt, mal wird ein künstlicher Fußgängerstau erzeugt.

Hilfe wird vorgegaukelt

Oder es wird wie im Fall eines 88 Jahre alten Mannes aus Stuttgart-Ost dem Opfer auch mal vermeintlich hilfsbereit unter die Arme gegriffen – und gleich noch in die Tasche. Zwei Trickbetrüger, ein Mann und eine Frau, haben den Senior an einer stillstehenden Rolltreppe in der Eberhardspassage abgepasst. Ob sie mutwillig gestoppt wurde oder außer Betrieb war, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall stand das Gaunerpärchen just in dem Moment bereit, als der Rentner das untere Ende erreicht hatte. „Der Mann hat seinen Rollator geschnappt und hochgetragen. Die Frau, die ziemlich aufdringlich war, stützte ihn beim Hochgehen und entwendete dabei seine Brieftasche“, erzählt die Tochter des 88-Jährigen die Geschehnisse, so wie ihr Vater sie ihr berichtet hat, der selbst nicht zum Gespräch zur Verfügung stand.

Der Diebstahl habe sich zwar bereits am 11. November ereignet, aber bis heute bei ihrem Vater Spuren hinterlassen. Nicht nur 240 Euro, die EC-Karte und der Personalausweis seien weg gewesen, auch das Vertrauen in die Mitbürger, die ihn im Alltag unterstützen wollen. „Neulich hat er junge Leute angebrüllt, die ihm beim Einsteigen in die Stadtbahn ihre Hilfe angeboten haben.“ Wie in den meisten Fällen konnte der Senior keine genaue Täterbeschreibung abgeben, weil der Diebstahl erst später bemerkt wurde. „Gott sei Dank“, sagt der 63 Jahre alte Schwiegersohn, der selbst bis zu seinem Ruhestand bei der Polizei gewesen ist. Er möchte sich nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte der 88-Jährige die Betrüger auf frischer Tat ertappt. „Ein Sturz auf einer Rolltreppe könnte verheerende Folgen haben.“ In den Tagen nach dem Diebstahl habe sich ihr Vater wahnsinnig aufgeregt, fügt die Tochter hinzu. „So etwas macht man doch nicht mit alten Leuten, hat er immer wieder gesagt“, sagt die 62-Jährige. „Wobei eben gerade diese Gruppe leichte Opfer sind.“

Weil nicht damit zu rechnen ist, dass jeder Fall zur Anzeige gebracht wird, gehen die Ermittler von einer gewissen Dunkelziffer aus. Zum einen aus Schamgefühl, schließlich wurde man reingelegt, zum anderen, weil man sich vom Gang zum nächsten Revier sowieso nicht viel verspreche. „Eine ältere Person, die keine Unterstützung hat, ist aufgeschmissen“, sagt die Tochter. Allein der Behördengang, um einen neuen Ausweis zu beantragen, sei beschwerlich. Weil ihr Vater alt und gebrechlich sei, habe der Sicherheitsdienst im Bürgerbüro zwar ein Auge zugedrückt und ihn schnell zum Schalter durchgeschleust. „Das nächste Problem hat es aber bei der Bank gegeben. Ohne Personalausweis gibt es keine neue EC-Karte. Zum Glück habe ich eine Generalvollmacht, sodass ich sie beantragen konnte.“

Geldbeutel ist wieder aufgetaucht

Ein kleines Happy End hat die Tochter des 88-Jährigen aber dann doch noch parat. In der Woche nach der Tat meldete sich der Inhaber einer Physiopraxis an der Eberhardstraße bei ihr und teilte mit, dass der Geldbeutel in seinen Briefkasten eingeworfen worden war. Ohne Geld, Personalausweis und EC-Karte, allerdings mit VVS-Jahresabo und Versichertenkarte.

Damit ihm das Portemonnaie nicht erneut gestohlen wird, hat der Rentner zumindest einen Tipp der Polizei umgesetzt. Er trägt die Geldbörse jetzt in einer verschlossenen Innentasche seiner Jacke.

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