Zunächst hielt er sich noch an seinen Vorsatz und beschränkte sich auf historische Tatsachen. Das Kielmeyer-Haus am Marktplatz werde fälschlicherweise so genannt. Denn ursprünglich sei das Gebäude Teil des Katharinenspitals und nach dessen Abriss lange Jahre eine Bauruine gewesen. Eine Darstellung wohl aus dem Jahr 1582 an der Wand seines Hauses zeige die heilige Katharina. Sie sei von zwei Begrenzungen umgeben, die die Orte markierten, die damals für die Grenzen der Welt gehalten wurden – Gibraltar und das Schwarze Meer.
Schönheit ohne Denkmalschutz
Erst 1853 habe einer seiner Vorfahren die Immobilien erworben, sie als Wohn- und Geschäftshaus genutzt, viele Veränderungen vorgenommen, sieben Weinpressen hineingestellt und etwa in einem Stockwerk die Fenster vergrößert. Das sei alles eigenmächtig und ohne Einmischung irgendwelcher Behörden geschehen: „Und heute ist es eines der schönsten Häuser in Esslingen.“ Da war es mit den guten Vorsätzen schon wieder vorbei. Und es war da, das ungewollte Thema Denkmalschutz.
Und Thomas Kielmeyer, der am Tag des offenen Denkmals drei Führungen durch seine Häuser anbot, wusste sehr viel zu dem aus seiner Sicht hinderlichen Wirken des Denkmalschutzes zu sagen. Der Anstrich seines Hauses am Marktplatz 3 in einem frischen, knalligen Gelb, so gestand Thomas Kielmeyer wenig zerknirscht, sei in der Farbgestaltung nicht ganz regelkonform. Er habe ein bissen Zinnoberrot hineingemischt – nicht denkmalgerecht, aber schön. Das Häuschen dahinter, „Kielmeyers Destille“, habe er auf schwäbisch-sparsame Art mit einer roten Farbe angemalt, die er noch von anderen Malerarbeiten übrig hatte und nicht wegwerfen wollte. Sehr zum Missfallen des Denkmalschutzes. Die Behörde wolle nur Brauntöne: „Doch das will ich nicht an meinem Haus haben.“ Die Garage neben der Destille hat kein Garagentor. Er und der Denkmalschutz, so Thomas Kielmeyer, konnten sich überraschenderweise nicht auf Gestaltung, Form, Struktur und Aussehen einigen. Darum habe er auf den Einbau einer Tür ganz verzichtet.
Keine Kostengleichheit
Auch beim weiteren Gang durch sein Gebäude konnte sich Kielmeyer die Seitenhiebe nicht verkneifen. Etwa 2,5 Millionen Euro habe er in den Um- und Weiterbau seiner Häuser am Marktplatz gesteckt. Und was hat er vom Denkmalschutz als Ersatz dafür bekommen? Die Führungsteilnehmer mussten nicht lange überlegen: „Genau. Nicht einen Cent oder Pfennig.“ Auch nicht für den Pfeiler in seinem Veranstaltungsraum im Obergeschoss. Er sei aus der gleichen Zeit wie das Original, ein ehemaliger Herrgottsschnitzer habe ihn fachgerecht verziert, er passe ausgezeichnet zum Ambiente. Aber er stamme halt nicht direkt aus dem Haus. Das habe dem Denkmalschutz nicht gepasst.
Versöhnlicher stimmte Thomas Kielmeyer erst der Gang auf den Dachboden. Dort habe er tatsächlich noch nie, noch gar nie Ärger mit dem Denkmalschutz gehabt: „Hier oben habe ich auch noch nichts verändert.“ Wenn er aber alle vom Denkmalschutz geforderten Vorschriften an seinen Gebäuden umsetzen wolle, müsse er eine Restlebenszeit von mindestens 150 Jahren haben. Und da er seine guten Vorsätze sowieso schon in den Wind geschossen hatte, gab Kielmeyer seine Meinung zur Schelztorhalle zum Besten. Das historisch und architektonisch wertvolle Bauwerk entspreche in statischer und anderer Hinsicht nicht mehr den aktuellen Vorgaben. Darum sollte es abgerissen und nach modernen Standards wieder mit gleichem Aussehen aufgebaut werden.
Esslingens Reichtum
Bei der Stadt Esslingen wird dieser Vorschlag wohl kein Gehör finden. Während der Eröffnung des Tages des offenen Denkmals am Sonntagmorgen auf dem Marktplatz hatte der Baubürgermeister Hans-Georg Sigel auch die Ende der 1950er Jahre erbaute Schelztorhalle als eines von Esslingens herausragenden Kulturdenkmälern hervorgehoben. Der Tag stehe bundesweit unter dem Motto „Talent Monument“, und in alten Zeiten seien Talente eine Silberwährung und eine Maßeinheit gewesen.
Esslingen sei mit Talenten im Sinne einer Währung überreich beschenkt. Es gelte, die „schwäbisch-europäische Stadt Esslingen“ mit ihren Baudenkmälern zu erhalten. Der Baubürgermeister hob auch die mehr als 70 Veranstaltungen in Esslingen hervor, ebenso das lobenswerte Engagement von mehr als 200 Ehrenamtlichen und die 30. Teilnahme der Neckarstadt an der Veranstaltungsreihe. Die Staatssekretärin Andrea Lindlohr (Grüne) hatte in ihrem Statement zur Eröffnung des Denkmaltags klargemacht, dass Hausbesitzer klare Regeln dazu haben müssten, wie sie mit ihren denkmalgeschützten Gebäuden umzugehen hätten. Vielleicht stimmen die Thomas Kielmeyer ja versöhnlich.
Der Tag des offenen Denkmals
Veranstaltung
Der Tag des offenen Denkmals wird bundesweit immer am zweiten Sonntag im September von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz organisiert. Ziel ist es zum einen, Verständnis für die Arbeit des Denkmalschutzes zu wecken, und zum anderen, sonst eher Verschlossenes, Verstecktes, Verborgenes für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In diesem Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto „Talent Monument“.
Konzert
In der Stadt und dem Landkreis Esslingen wurden nicht nur Gebäude geöffnet, sondern auch verschiedene Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Beispielsweise gab es ein Konzert junger Talente der Musikschule Esslingen in der Franziskanerkirche. Die Musikdarbietung bei Kerzenschein griff stilvoll das Motto des Denkmaltags auf und präsentierte einen breiten Bogen von Melodien von Johann Sebastian Bach bis Henry Purcell.
Geschichte
Im Rahmen des Konzerts in der Franziskanerkirche erzählte der Moderator Cornelius Hauptmann, dass 1840 ein Teil des Gotteshauses abgerissen worden war. Die Abstimmung im Stadtrat sei knapp mit einer Stimme für den Abriss ausgefallen. Der entscheidende Ratsherr habe sich von seiner Ehefrau beeinflussen lassen. Sie habe gemeint, ihre Wäsche würde schneller trocknen, wenn es den Schatten des Gotteshauses nicht gäbe.