Viele Momente ihres Alltags teilte sie mit Millionen Followern. Vor wenigen Tagen wurde Tara Fares erschossen. Auch dies geschah in aller Öffentlichkeit. Bagdad wertet die Tat als gezielten Versuch, das Land erneut zu destabilisieren.

Bagdad - Im Internet war die 22-Jährige ein Star. Auf Instagram und YouTube präsentierte die frühere Schönheitskönigin gewagte Outfits - und oft nicht minder mutige Meinungen. In dem von konservativen Muslimen geprägten Irak provozierte sie mit Tattoos auf den Armen ebenso wie mit ihrem Einsatz für eine offene Gesellschaft. „Anders als so viele andere, mache ich nichts im Verborgenen“, schrieb sie in einem Post. Rückblickend wirkt das fast wie eine unheilvolle Verheißung: Vergangene Woche wurde Fares auf offener Straße erschossen.

 

Die junge Frau hatte auf der Plattform Instagram zuletzt 2,8 Millionen Follower. Mit ihren Videos auf YouTube erreichte sie etwa 120 000 Anhänger. Nun starb sie am Steuer ihres weißen Sportwagens. Die Tat wurde sogar von einer Überwachungskamera eingefangen: Ein Mann lehnte sich kurz zu ihr in das Auto und entkam dann gemeinsam mit einem Komplizen auf einem Motorrad.

Viele Iraker sind schockiert - zumal es nicht der erste Mord an einer prominenten Frau ist. Erst am 25. September wurde in der südlichen Stadt Basra eine bekannte Aktivistin getötet. Wenige Wochen zuvor waren zwei Frauen, die sich in Bagdad als Beauty-Expertinnen einen Namen gemacht hatten, unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen.

Fares wurde 2015 als Gewinnerin eines Schönheitswettbewerbs bekannt

„Diese grauenhaften Verbrechen beunruhigen uns sehr“, sagt die irakische Menschenrechtlerin Hana Adwar. Bestimmte Gruppen versuchten, mit dem Töten von berühmten Frauen und Aktivisten die Gesellschaft zu terrorisieren. Gleichzeitig werde allen anderen Frauen zu verstehen gegeben, dass sie besser „ihre Jobs aufgeben und zu Hause bleiben“ sollten.

Ob es einen direkten Zusammenhang zwischen den Fällen der vergangenen Wochen gibt, ist unklar. Berichte, denen zufolge sich die vier Frauen gekannt haben sollen, konnten nicht bestätigt werden. Nach dem Mord an der Aktivistin Soad al-Ali in Basra erklärte die Polizei, sie gehe von einem „rein persönlichen“ Motiv aus.

Fares, Tochter eines irakischen Vaters und einer libanesischen Mutter, wurde 2015 als Gewinnerin eines Schönheitswettbewerbs in Bagdad bekannt. Anschließend war sie vor allem in den Sozialen Medien aktiv. Neue Mode- und Make-up-Tipps standen bei Fares meist im Vordergrund. Gelegentlich kritisierte sie aber auch das Verhalten religiöser oder politischer Führer. Zudem berichtete sie offen, wie sie mit 16 für einige Zeit an einen Mann verheiratet worden war, der sie missbraucht, Intimfotos von ihr verbreitet und ihr schließlich den gemeinsamen, heute dreijährigen Sohn entrissen haben soll. Die Erfahrungen hätten sie gelehrt, „mich von niemandem kontrollieren zu lassen“, sagte sie.

Im August war die eine bekannte Schönheitschirurgin gestorben

Ihre Fotos und Videos wurden vor allem von jungen Irakern oft tausendfach geteilt. Viele andere Landsleute kritisierten ihren Lebensstil hingegen als „unislamisch“. Ihren Wohnort hatte Fares in der autonomen Kurdenregion im Norden. Von Zeit zu Zeit war sie aber in Bagdad zu Besuch - so auch Ende September.

Stunden nach dem Angriff auf einer belebten Straße am vergangenen Donnerstag tauchte im Internet ein Video auf. Es zeigte, wie Fares von mehreren jungen Menschen weggetragen wird. Ihr Gesicht und ihr weißes Hemd waren blutverschmiert. Beigesetzt wurde sie später im südlich der Hauptstadt gelegenen Nadschaf. An ihrem Grab waren rote Plastikblumen und ein Schwarz-Weiß-Foto von ihr aufgestellt.

Im August war die unter dem Namen „Iraks Barbie“ bekannte Schönheitschirurgin Rafeef al-Jassiri gestorben. Die Behörden gaben als Todesursache zunächst eine Überdosis Drogen an. Da keine weiteren Informationen zu dem Fall folgten, wurde aber bald spekuliert, sie sei womöglich vergiftet worden. Auch Al-Jassiri war in den Sozialen Medien sehr aktiv gewesen und hatte regelmäßig Fotos gepostet, auf denen sie in vollem Make-up und eleganter Kleidung zu sehen war. Auf Instagram hatte sie mehr als eine Million Fans.

Bisher hat sich keine Gruppierung zu dem Angriff bekannt.

Nur eine Woche nach dem Tod Al-Jassiris wurde die Leiche von Rascha al-Hassan gefunden. Offiziell hieß es, die Besitzerin eines bekannten Schönheitssalons in Bagdad sei in ihrem eigenen Haus an einem Herzinfarkt gestorben. Die genauen Umstände blieben aber auch hier unklar. Am vergangenen Wochenende veröffentlichte eine andere ehemalige Schönheitskönigin, Schaimaa Kassim, auf Instagram ein Video, in dem sie unter Tränen berichtete, dass sie über die Sozialen Medien Drohungen erhalten habe.

Ministerpräsident Haidar al-Abadi hat nach eigenen Angaben inzwischen Ermittlungen zu den „genau koordinierten Entführungen und Tötungen“ angeordnet. Organisierte Gruppen würden „einen Plan zur Destabilisierung der Sicherheitslage verfolgen“. Der „Kampf gegen Perversionen“ diene dabei nur als ein Vorwand. Einen konkreten Verdacht im Fall Fares haben die Behörden noch nicht genannt. Bisher hat sich auch keine Gruppierung zu dem Angriff bekannt.

„Ich bin sprachlos“, schrieb der irakische Kolumnist Mohammed Ghasi al-Achras nach dem jüngsten Mord auf seiner Facebook-Seite. „Wir haben einen Zustand der totalen Anarchie erreicht. Sie werden jeden töten, den sie nicht mögen.“

Model Fares hatte selbst noch im Juli auf Instagram erklärt, sie fürchte sich nicht vor Leuten, die Religion verleugneten. „Aber ich habe große Angst vor denen, die töten und Köpfe abschlagen, um die Existenz Gottes zu beweisen.“