Der jüngste Tarifkonflikt bei der Bahn ist erst wenige Monate her, nun läuft der nächste. Seit Donnerstagmorgen verhandelt der Konzern mit der Lokführergewerkschaft GDL. Worum es geht und was auf die Kundinnen und Kunden in den nächsten Monaten zukommt.

Viele Fahrgäste dürften sich noch erinnern: Gerade mal drei Monate ist es her, dass sich die Deutsche Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) nach zähen Verhandlungswochen und einer Schlichtung auf einen Tarifkompromiss einigten. Zwei Mal legte die EVG seinerzeit per Warnstreik den Bahnverkehr in Deutschland lahm. Nun müssen Kundinnen und Kunden wieder bangen, ob ihre Züge fahren. Seit diesem Donnerstag verhandelt die Bahn wieder über Tarife, dieses Mal mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unter ihrem Chef Claus Weselsky. Die GDL ist zwar die weit kleinere Bahngewerkschaft. Einfacher macht das die Verhandlungen aber nicht.

 

Drohen bald schon wieder Streiks und Stillstand auf der Schiene?

Ja, Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, dass die GDL zügig in den Arbeitskampf geht. Weselsky hat kurz vor Verhandlungsbeginn noch einmal betont, sich nicht lange mit Warnstreiks aufhalten zu wollen, für die es enge Vorgaben gibt. Er setzt auf eine rasche Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern, um unbefristete Streiks realisieren zu können. Konkret kündigte die GDL noch keine Aktionen an. Aber Weselsky hat bislang stets betont, dass je nach Verhandlungsverlauf auch die Feiertage über Weihnachten nicht tabu sind für Arbeitskämpfe.

Der Fahrgastverband Pro Bahn rief die Gewerkschaft bereits zur Mäßigung auf: „Die GDL sollte sich hüten, Millionen Menschen das Weihnachts- und Silvesterfest durch Streiks zu verderben“, sagte der Verbandsvorsitzende Detlef Neuß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wenn zu den weihnachtlichen Familientreffen keine Züge fahren, wäre das eine extreme Belastung für sehr viele Menschen.“

Die GDL hat zwar deutlich weniger Mitglieder als die EVG. Doch sie vertritt traditionell vor allem die Lokführer und das Zugpersonal. Wenn sie streiken, fahren auch keine Züge. Die Gewerkschaft hat in früheren Tarifrunden oft bewiesen, auch über längere Zeit den Bahnverkehr bundesweit vollständig lahmlegen zu können.

Worum wird gestritten?

Die Gewerkschaft fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro - abzüglich eines bereits gezahlten Teils dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Als Knackpunkt der Verhandlungen gilt aber vor allem die Forderung, die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abzusenken.

Weselsky will damit eigenen Aussagen zufolge die Attraktivität des Berufs angesichts des flächendeckenden Fachkräftemangels erhöhen: „Wir sorgen dafür, dass mehr Planbarkeit, bessere Balance zwischen Arbeit und Familie zum Tragen kommt.“

Was bietet die Bahn? 

Die Bahn hat gleich am ersten Verhandlungstag ein Angebot mitgebracht: Es beinhaltet eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten, wie der Konzern mitteilte. Das entspreche im Volumen dem Tarifabschluss des öffentlichen Diensts des Bundes. Auch die von der GDL geforderte Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro ist in der Offerte enthalten.

„Mit einem derartigen Angebot gleich in der ersten Runde sind wir einen großen Schritt auf die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer zugegangen“, sagte Personalvorstand Martin Seiler. „Jetzt zeigt sich, ob die GDL wirklich an ernsthaften Verhandlungen interessiert ist.“

Das Thema Arbeitszeitverkürzung kommt in dem Angebot der Bahn allerdings nicht vor. Davon hatte Weselsky zuvor aber eine Lösung des Konflikts abhängig gemacht. „Ohne Arbeitszeitabsenkung wird es keine Tarifeinigung geben“, betonte er.

Gibt es weitere Knackpunkte?

Ja. Wie schon bei vergangenen Tarifrunden der GDL ist dieser Konflikt geprägt von der Debatte um das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG. In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur Anwendung. Doch aus Sicht der Lokführer-Gewerkschaft gibt es kein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht.

Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL dort keine eigenen Tarifverträge.

Was hat es mit der neuen Genossenschaft der GDL auf sich?

Auch mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz hat die Gewerkschaft im Sommer angekündigt, eine eigene Leihfirma in Form einer Genossenschaft gründen zu wollen. Laut Weselsky ist das bereits geschehen. Derzeit liefen Einstellungsgespräche, betonte er kürzlich. Die Beschäftigten dieser Firma könnten nun zu GDL-Konditionen an die Bahn ausgeliehen werden. Auf diese Weise könnten auch in den Betrieben die GDL-Tarifverträge angewendet werden, in denen eigentlich die EVG eine Mehrheit unter den Beschäftigten hat.

Denn die Genossenschaft handelt ihre Tarifverträge nicht mit der Bahn aus, sondern mit der GDL. Ein entsprechender Haustarifvertrag sei bereits vereinbart worden, sagte Weselsky. „Die Genossenschaft ist die Lösung für diese Unverschämtheit“, sagte Weselsky der „Süddeutschen Zeitung“ mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz.