Der „Tatort“ aus Luzern überrascht mit dem Tabuthema „Intersexualität“. So beiläufig dieser „Tatort“ scheint, so wartet er am Ende doch mit viel Mitgefühl für diese Mädchen auf, die keine sind und auch nicht sein wollen.

Luzern - D ie Vorurteile stimmen als doch: Schweizer sind einfach etwas langsamer. Bei dem neuen „Tatort“ aus Luzern konnte es einen schon in den Fingen jucken, mal eben auf Schnellvorlauf zu drücken. Denn nicht nur die Kamera hat sich Zeit gelassen, um geheimnisvoll durchs Unterholz zu schweifen, auch über den Szenen selbst lag eine bleierne Schwere. Reto Flückiger und seine Kollegen wirken so, als habe man sie eben erst in diese ihnen völlig fremde Krimiwelt hineingeworfen. Auch mit der Sprache stehen sie auf Kriegsfuß. Da sitzen die Ermittler auf dem Sofa und wissen nicht, was sie fragen könnten. Kein Wunder, dass die Verdächtigen erklären: „Ich sage gar nichts“ oder „Ich möchte, dass Sie uns in Ruhe lassen“.

 

Trotzdem überraschen die Schweizer immer wieder. Kurz vor Feierabend kommt es schnell noch zu einer Schlägerei und einer Verfolgungsjagd. Auch die Thematik lässt aufhorchen: Intersexualität. Ein Chirurg wird umgebracht. Alle könnten es gewesen sein. Aber Reto Flückiger (Stefan Gubser) und seine neue Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer) legen einen Sumpf frei, der so grausam wie glaubhaft ist: Dr. Lanther hat den Hermaphroditen als Kinder operativ ein Geschlecht zugewiesen, leider oftmals das falsche. Er hat experimentiert – am lebendigen Menschen.

So beiläufig dieser „Tatort“ scheint, so wartet er am Ende doch mit viel Mitgefühl für diese Mädchen auf, die keine sind und auch nicht sein wollen. Und so betulich die Ermittler scheinen, sie sind mitunter ziemlich clever. Dass das Skalpell im Hals des Opfers ausgerechnet mit einer Armbrust abgeschossen wurde, darauf kann man wohl einfach nur in der Schweiz kommen. Wobei man es hätte ahnen können – denn sah der Mörder mit seinem struppigen Bart nicht tatsächlich aus wie Wilhelm Tell?