An Ostern sendet die ARD eine Doppelfolge des „Tatorts“: Am Sonntag wird in Leipzig ermittelt, am Montag in Köln. Weil die Spur des Verbrechens von Ost nach West führt.

Stuttgart - Am Ende des Leipziger „Tatorts“, der am Sonntag ausgestrahlt wird und „Kinderland“ heißt, steigt ein blondes Mädchen in ein Auto mit Kölner Kennzeichen, bevor eine Hinweistafel verkündet: „Fortsetzung folgt“. Tatsächlich geht die Geschichte um ermordete Straßenkinder, auch wenn ihr Hauptstrang abgeschlossen wird, am Montag in Köln unter dem Titel „Ihr Kinderlein kommet“ weiter. Der MDR und der WDR haben sich für ihre neuen Ausgaben der „Tatort“-Reihe nämlich zum so genannten Crossover entschlossen, einer schon lange von US-Superhelden-Comics gepflegten Erzählvariante, bei der Protagonisten der einen Serie ein Gastspiel in der anderen geben, in der also Superman auch mal bei Batman vorbeischauen darf.

 

Inzwischen ist das Helden-Austauschprogramm auch in amerikanischen Fernsehserien üblich, und selbst im deutschen „Tatort“ ist es ja nicht ganz neu. In den Pioniertagen der Krimi-Reihe gehörten Gastspiele von Kommissaren anderer ARD-Sender sogar zum Pflichtprogramm, allerdings waren dies meist kürzere Auftritte und manchmal schon mit einer einzigen Telefonszene erledigt. In „Kinderland“ dagegen wird erst parallel von toten Mädchen in Leipzig und Köln erzählt, und dann bekommen Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) längeren und zunächst auch unwillkommenen Besuch vom Domstadt-Duo Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt). Als Letzterer auf dem Straßenstrich recherchiert, wird er vom knurrigen Keppler mit einem Freier verwechselt, was mit zwei blutigen Nasen endet. Freddy und Eva dagegen verstehen sich auf den ersten Blick, und das führt bei den jeweiligen Berufspartnern zu kleineren und größeren Eifersuchtsanfällen.

Köln: Jede Menge Routine

Die Kölner haben übrigens vor einem Jahrzehnt schon mal in Leipzig ermittelt, damals trafen sie noch auf das Duo Kain und Ehrlicher, damals ging es auch noch um die deutsch-deutsche Fremdheit. Diesmal sagt Ballauf, als er mit Freddy an schön renovierten Leipziger Straßenzügen vorbeifährt: „Da siehste mal, wo der Soli-Groschen hingeht!“ – und damit ist das Thema auch schon durch. Es geht nun, in gutwillig-bemühten Dialogen, mit Statistik unterfüttert, um „Straßenkinder“, vorgeführt werden also Plattenbau-Tristesse, trotzige junge Gesichter und das Herumirren der fünfzehnjährigen Ausreißerin Anna Römer, die auf einem verdreckten Klo beklaut wird und schließlich Zuflucht sucht bei einem Mann, der solche Situationen ausnutzt. Aber auch dem Leiter des Hilfsvereins „Kinderland“ ist nicht zu trauen.

So nimmt dieser „Tatort“, auch wenn sich in ihm vorübergehend zwei neue Ermittler-Duos bilden, seinen routinierten Gang. Was auch heißt, dass der Krimi zwischen der nüchternen Aufklärung zu einem Thema und der reißerischen Ausbeutung ebendieses Themas hin und her schlingert. Die ökonomischen und sozialen Komponenten sind jedenfalls bald vergessen, die Geschichte wendet sich ins Psychologische, man könnte auch sagen: Sie wird unpolitisch. Wenn also Eva Saalfeld zur Lage der Straßenkinder sagt: „Alle wissen es, keiner tut was – wo leben wir eigentlich?!“, dann ist das also nicht nur deshalb billig, weil die statuarische Thomalla sich schauspielerisch gar nicht richtig empören kann.

Leipzig: Nicht besser, aber spannender

Die Fortsetzung „Ihr Kinderlein kommet“, in der das Leipziger Duo nach Köln reist, führt dann ganz ins psychopathologische Reich der Serienkiller. Sie ist nicht unbedingt besser, aber doch spannender als der erste Teil – vor allem, weil sie immer wieder jenen Keller einblendet, in dem die gefangene Anna Römer für ein letztes Video zurechtgestylt wird. Endet sie so wie die anderen Mädchen, die gerade tot aus dem Rhein geborgen wurden? Oder kann die „geballte Tatort-Power“, so die ARD-Werbung, noch rechtzeitig eingreifen?

Auch die jeweiligen Produzenten der Leipziger und Kölner „Tatorte“ haben sich hier zusammengetan und für die ineinanderlappenden Fälle den Regisseur Thomas Jauch und den Drehbuchschreiber Jürgen Werner engagiert. Die Programmchefs von MDR und WDR hoffen nun, „dass diese beiden Filme mehr sind als nur die Summe zweier Tatort-Krimis“. Tatsächlich kann so ein Crossover-Kniff, der loyale Zuschauer braucht, ganz reizvoll sein. Im Comic-Bereich ist dieses Verfahren manchmal aber auch ein erstes Zeichen, dass eine Serie kriselt, dass sie sich verstärken muss, weil sie allein nicht mehr so gut ankommt.

Sendetermine: „Kinderland“ wird am Sonntag gezeigt, „Ihr Kinderlein kommet“ am Montag, jeweils um 20.15 in der ARD

und in der Mediathek

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