Tatort-Kritik Außergewöhnlich gewöhnlich

Starke Bilder in einem klassischen Krimi. Der Tatort aus Hannover tappt ausnahmsweise nicht in psychologische Abgründe eines Verbrechers.
Stuttgart - Dieses Kinderzimmer ist ein Verließ. Trotzdem gibt es ein Nachtschränkchen und Spielsachen, Bilder und Stofftiere. Und ein Klo an der Betonwand. Und Handschellen aus Metall, die von einem Pfosten des Bettchens herabhängen. Dieses Kinderzimmer ist eigentlich ein Gefängnis ohne Tageslicht. „Also wie im Kampusch-Fall“, sagt die örtliche Kriminalbeamtin Sigrid Malchus (Inka Friedrich), die an der Seite von LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) auf viel zu hohen Stückelschuhen durch den Tatort stakst. Also wie im Kampusch-Fall. Denkt auch der Zuschauer – und bekommt ein seltsames Gefühl, das immer dann in einem aufsteigt, wenn sie in einem fiktiven Krimi über echte Verbrechen reden.
Immerhin machen die Drehbuchautoren so keinen Hehl aus ihrer Inspirationsquelle. Die Parallelen zur Entführung von Natascha Kampusch sind deutlich, sie dienen aber eben nicht dazu, ein Psychogram des Täters zu erstellen. Nur einmal analysiert Lindholm kurz und knapp, dass es dem Täter wohl „um Macht“ gegangen sei. Zugegeben, keine besonders raffinierte Schlussfolgerung. Oberflächlich ist der Film aber trotzdem nicht, er hält sich bloß an das klassische Tatort-Muster, in dem es ja mal darum ging, Mörder zu ermitteln statt zwangsläufig in psychologische oder gesellschaftliche Abgründe zu tauchen.
Starke Bilder
Regisseur Roland Sudo Richter verlässt sich dabei ganz auf starke Bilder. Zeigt die klaustrophobische Enge des Verstecks, lässt seine Figuren oft allein in großen Bildern stehen. So gelingt es, die Ermittlungen und Verhöre glaubhaft und kurzweilig voranzutreiben, ohne dem Entführungsfall seine Grausamkeit zu nehmen.
Charlotte Lindholm bleibt ihrem nüchternen, fast kühlem Ermittlungsstil treu. Nur, wenn es um Liebesdinge geht, da darf sie mal wieder heißblütig und unvernünftig sein. Die Auflösung des Falls ist am Ende vorhersehbar, doch keine Enttäuschung. Kein Tatort, den man lange im Gedächtnis behalten wird. Aber ein solider Krimi mit starken Bildern statt psychologisierenden Texten.
Den Tatort "Schwarze Tiger, weiße Löwen" gibt es zum Nachsehen in der ARD-Mediathek.
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