Schon seit mehreren Wochen läuft am Berliner Platz eine verletzte Taube herum, ihr steckt ein Pfeil mitten im Hals. Der Tiernotdienst wollte das Tier schon fangen und es zum Arzt bringen – doch es entfleuchte immer wieder.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die durchbohrte Taube vom Berliner Platz ist inzwischen stadtbekannt: „Sie kommt jeden Tag und hat ihren festen Platz. Ich glaube, es geht ihr gut“, sagt Lenka Spano vom Lokal Vinum. Auch im Rathaus kennt man das verletzte Tier: „Was, sie lebt noch?“ fragt Hans-Jörg Longin, der Sachgebietsleiter des Vollzugsdienstes erstaunt. Auch den Polizisten des Innenstadtreviers ist der Vogel bekannt. Rettungsversuche blieben erfolglos.

 

Der städtische Tiernotdienst habe bereits Anfang April von der ausgewilderten Haustaube erfahren. Die Experten hätten dann versucht, das misshandelte Tier einzufangen. „Sie ließ sich fotografieren. Aber bei den Versuchen, sie mit einem Kescher zu fangen, flog sie immer davon“, sagt Longin. Vier- oder fünfmal sei der Rettungsdienst ausgerückt, um das Tier vom Berliner Platz zu holen und es zu einem Tierarzt zu bringen. Da bei der Stadtverwaltung seit den vergeblichen Fangversuchen vor knapp acht Wochen aber keine weiteren Meldungen mehr eingegangen seien, sei man davon ausgegangen, sie sei ihren Verletzungen erlegen. Passanten berichten jedoch, dass sie am Wochenende über den Platz hüpfte und kurze Strecken flog.

Der Pfeil stammt vermutlich aus einem Blasrohr

Es gebe keine Hinweise auf den Tierquäler, der die Taube mit dem Pfeil angeschossen habe. Auch könne man nur mutmaßen, mit welcher Art von Waffe das geschehen sei, so Hans-Jörg Longin. Vermutlich sei es ein Blasrohr, dafür spreche die Vertiefung am hinteren Ende des Pfeils.

Der Tiernotdienst kümmert sich um verletzte Tiere, etwa um angefahrene Hunde oder Katzen. Zu den Aufgaben zähle auch die Rettung eines verletzten Tieres, das – wie die Taube im vorliegenden Fall – offenbar von Tierquälern malträtiert wurde. Man würde sie auf jeden Fall zum Tierarzt bringen, so Longin. Auch wenn Tauben in der Stadt nicht beliebt sind, gehe es schließlich um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. „Wir sind verpflichtet, ihr zu helfen“, sagt der Leiter des Vollzugsdienstes. Man werde nun, da man wisse, dass das Tier noch lebt, wieder nach ihr Ausschau halten und ihr helfen.

Das erschreckende Bild von der durchbohrten, lebendigen Taube, erinnert an einen berühmten Zugvogel: In der Tierpräparate-Sammlung der Uni Rostock steht ein ausgestopfter Storch, der im Jahre 1822 mit einem Speer im Hals in die Heimat zurückkam. Die Waffe hatte den weiten Weg von Afrika bis Norddeutschland in seinem Hals gesteckt. Mit der Entdeckung des Rostocker Pfeilstorches wurde Anfang des 19. Jahrhunderts die Frage geklärt, wo Störche die kalten Monate verbringen. Der Pfeil gab den entscheidenden Hinweis auf das Winterquartier Afrika.