Im Prinzip sind Autos zu schwer zum Fliegen – aber nur im Prinzip. Eine niederländische Firma hat erfolgreich ein Heli-Auto getestet.

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)

Stuttgart - Niederländische Ingenieure haben einen Traum Wirklichkeit werden lassen: Sie haben ein Auto auf seinen Jungfernflug geschickt. Der fliegende Holländer ist ein Helikopter-Auto, das sowohl auf der Straße fahren als auch abheben und durch die Luft fliegen kann. Das Gefährt heißt Pal-V. Das steht für Personal Air and Land Vehicle, also persönliches Luft- und Landfahrzeug. Es hat drei Räder und Propeller, die ungefähr so ausgefahren und eingezogen werden können, wie das Schiebedach eines Cabrios automatisch geöffnet und geschlossen wird. Zum Abheben braucht man zudem eine Startbahn von etwa 200 Meter Länge.

 

„Mit unserem Heli-Auto schreiben wir Geschichte“, schwärmt Robert Dingemanse, Direktor und Miteigentümer der Pal-V-Firma. „Die erste Testfahrt und den ersten Testflug mit unserem Pal-V haben wir erfolgreich absolviert. Spätestens ab 2014 werden wir das Heli-Auto in Serie bauen.“ Interessenten und potenzielle Käufer gibt es nach Angaben von Robert Dingemanse jede Menge. Zielgruppe für das Heli-Auto sind unter anderem die Millionäre in aller Welt, Rettungsdienste wie das Rote Kreuz, und die Polizei. Aber auch das Haager Verteidigungsministerium und sogar das US-Verteidigungsministerium sollen schon Interesse an dem holländischen Heli-Auto bekundet haben.

In 20 bis 30 Stunden kann man das Fliegen lernen

Die ersten Exemplare werden nicht billig sein. „Das Heli-Auto wird zwischen 200.000 Euro und 250.000 Euro kosten“, sagt Dingemanse. „Wenn wir aber erst einmal in die Massenproduktion gehen, wird es natürlich viel billiger“, verspricht er. Das fliegende Auto ist ein Zweisitzer, vier Meter lang, 1,60 Meter breit und 1,60 Meter hoch. Auf der Straße kann es 180 Kilometer in der Stunde fahren, hat eine Reichweite von 1200 Kilometern und verbraucht etwa acht Liter Benzin auf 100 Kilometern. Die Höchstgeschwindigkeit in der Luft ist ebenfalls 180 Stundenkilometer. Fliegt das Auto aber, dann schluckt es 36 Liter Benzin in der Stunde. Die Reichweite in der Luft beträgt daher 500 Kilometer. Wer mit dem Heli-Auto fahren und abheben will, braucht einen normalen Führerschein und einen Flugschein. Den Flugschein für das Heli-Auto kann man nach 20 bis 30 Trainings- und Theoriestunden erwerben.

Der Prototyp des Pal-V erfüllt die gesetzlichen Sicherheitsauflagen der EU und der technischen Überwachungsdienste. Das Basismodell des fliegenden Autos ist der Carver One der Firma 2-Drive Deutschland, ein Auto, das ebenfalls von Niederländern entwickelt wurde, aber nie in die Serienproduktion ging. Die Niederländer mögen zwar keine eigene Automobilindustrie mehr haben, aber kreative Tüftler im Fahrzeug- und vor allem im Schiff- und im Flugzeugbau sind sie schon. „Es war nicht leicht, den niedrigen Schwerpunkt des Autos mit dem eines Helikopters zu kombinieren. Aber wir haben das geschafft“, sagt Jacco Hoekstra, Luft- und Raumfahrtingenieur an der Technischen Universität in Delft. Er war an der Entwicklung des Heli-Autos maßgeblich beteiligt. „Denn alles, was gemacht wird, um auf der Straße zu fahren, ist im Prinzip zu schwer, um zu fliegen. Darin lag die Herausforderung“, so der Wissenschaftler.

Noch fehlen die nötigen Start- und Landebahnen

Für den künftigen reibungslosen Einsatz des fliegenden Holländers auf dem europäischen Autobahnnetz muss aber eine Herausforderung gemeistert werden: Entlang der Autobahnen müssten kurze Start- und Landebahnen gebaut werden. Sie könnten ähnlich angelegt sein wie ein großer Parkplatz. Dann könnten sich die Heli-Autos nach einer Landung einfach als Auto wieder in den Verkehr einfädeln. Der Chef der Firma Pal-V hat den Bau solcher sogenannten Airstrips bereits beim niederländischen Verkehrsministerium beantragt. In Großbritannien gibt es sogar schon rund 5000 Airstrips entlang des Straßennetzes.

Bisher haben dreißig Privatinvestoren aus dem In- und Ausland rund sechs Millionen Euro in die Entwicklung des Heli-Autos investiert. Großaktionär ist der Niederländer John Bakker, der rund 15 Prozent der Anteile an Pal-V hält. Er ist die treibende Kraft hinter dem Projekt. Nun suchen die Holländer weitere Geldgeber. „Wir brauchen zehn bis 15 Millionen Euro frisches Kapital, damit wir in die Serienproduktion gehen können“, sagt Pal-V-Chef Dingemanse. Er ist zuversichtlich, dass er das Geld auftreiben wird. „Jeden Tag bekommen wir mindestens eine Anfrage von potenziellen Käufern.“

Viele Prototypen, aber noch keine Serienproduktion

Eine Übersicht über die laufenden Projekte:

Die Idee vom fliegenden Auto ist bereits mehr als hundert Jahre alt. Seit den ersten Prototypen gab es immer wieder Versuche und flugfähige Modelle. Zur Serienreife hat es aber bisher noch kein Flugauto geschafft. Auf der Seite www.roadabletimes.com ist eine Übersicht zu Flugautos online abrufbar.

Die niedersächsische Firma Carplane will bis 2015 ein flugfähiges Auto auf den Markt bringen, Einstiegspreis 200.000 Euro. Sollte die Mischung aus Kleinflugzeug und Auto in Serie produziert werden, könnte der Preis für ein Flugauto laut Schätzungen auf etwa 100.000 Euro sinken.

Vor drei Wochen berichtete der US-Hersteller Terrafugia vom erfolgreichen Testflug seines Zweisitzers Transition. Ende 2012 sollen die ersten Autos mit Klappflügeln zum Preis von rund 210.000 Euro ausgeliefert werden. Das ähnlich konzipierte, viersitzige Aircar von Milner Motors soll rund 340.000 Euro kosten. Das an ein Sportflugzeug erinnernde Skycar und der Maverick von Beyond Roads werden ebenfalls in den USA entwickelt und sollen in den nächsten Jahren verfügbar sein.