Der Alleskönner: Ackermann
Ohne Andres Klein wäre die Stuttgarter Club- und Musikszene nicht ganz so vielseitig: Seit den Nullerjahren konnte er sein Alias aUtOdiDakT, die Labels Traktor und Mähtrasher sowie die Partyreihen Stuttgart Kaputtdubben und Kaputtraven (lange Jahre gemeinsam mit Thomas Geyer) etablieren. Seit einiger Zeit veröffentlicht Andres - zunächst anonym - unter dem Namen Ackermann Tech-House-Tracks auf international bekannten Szenelabels und wird unter diesem Alias auch beim Semf auftreten.

Ackermann steht für zeitgeistigen Deep-Tech-Sound. Du kommst aus einer anderen Richtung, eher Breaks, später raviger, dann wieder mehr Disco, mit der Kaputtraven und der Kaputtdubben organisierst du ziemlich „krawallige“ Events. Ackermann ist so ziemlich genau das Gegenteil davon, was du bislang gemacht hast.
Ich habe eigentlich schon immer alles mögliche stilistisch gleichzeitig gemacht. Als ich keinen Bock mehr auf Bands hatte und ich mit dem Solo-Projekt aUtOdiDakT angefangen hab, hatte ich alle Stile, die ich gut fand auch mit dem aUtOdiDakT Namen abgedeckt und habe da neben Electro-Geballer auch Instrumental HipHop oder housiges Zeug released. Auf dem Debüt-Album war sogar ein Indie-Rock-Track drauf, wo ich alle (Band-) Instrumente selber spiele und mehr oder weniger gut singe. Je mehr ich als DJ unterwegs war, wo ich eher auf Abriss gebürstet war, desto klarer wurde mir, dass es für die Promoter, die mich als DJ buchen sollen, extrem verwirrend oder abschreckend ist, wenn sie aufgrund meiner Produktionen Angst bekommen, dass der aUtOdiDakT auf ihrer Electro-Party als Mainact plötzlich Disco oder House spielen würde. Deswegen hab ich nach dem Album angefangen, mich auch in den Produktionen als aUtOdiDakT auf eher die Baller-Sachen zu konzentrieren und für den Rest einfach neue Artistnamen zu erfinden oder es ganz unreleased zu lassen. Ackermann ist also mein Outlet für die deeperen, technoideren Solo-Sachen, die ich zwar schon lange mache, aber mehr für mich selbst als Ausgleich zu dem harten Zeug.

Du betreibst noch viele weitere Projekte. Was machst du gerade alles?
Momentan gibt es als Artistprojekte aUtOdiDakT (Electro), aUtOdiDuB (Dubstep), Ackermann (Deep+Tech) und Music to make babies to mit Marlon (irgendwo zwischen Pop und House). Als Labels Traktor (inzwischen eher deep und housig), Mähtrasher (harter Electro und düsterer Techno), Walze (Dubstep) und ein neues Collabo-Label mit Martin Eyerer ist grade in der Mache, Name aber noch top secret, Ausrichtung deeper Techno. Partyreihen nach wie vor Kaputtraven (Electro), Kaputtdubben (Dubstep), Trappers Delight (Trap), Reesurrection mit U-Turn und Lucky Break für Drum & Bass. Für 2017 ist noch etwas Neues im Climax geplant, mit Ackermann als Resident.

 

Verliert man bei so vielen Pseudos nicht irgendwann die Orientierung und wird eine gespaltene Persönlichkeit?
Gar nicht, mich macht es eher fokussierter. Die ruhigeren Sachen mache ich schon immer nebenher, einfach als Balance, hatte aber, nachdem aUtO irgendwann für hart stand, zeitweise kein Outlet mehr dafür. Das ist jetzt anders. Ich wollte immer dahin, dass ich mich nie einfach nur von einer Richtung abhängig mache und die bedienen muss. Dann würde es mir keinen Spaß mehr machen und auch der Sinn für mich, mit Musik Gefühle zu verarbeiten, zu nutzen oder zu transportieren, wäre weg. Dann wäre es einfach nur ein Job. Musik ist mir aber definitiv zu wichtig, um das nur als Arbeit zu begreifen. Ich glaube, ab dem Punkt würde ich lieber einen 9-to-5-Job machen und mir die Musik als naiven Feierabendausgleich erhalten.

Sprich, du kannst also von der Musik leben?
Ja, kann ich, wobei ich von Musik eher auf von Musik und mit Musikverwandtem erweitern würde, weil mit der Musik direkt ja kaum noch Geld verdient wird. Sowohl mit Verkäufen, als logischerweise auch mit Labelarbeit. Das "davon leben" ist natürlich auch relativ zu den eigenen Ansprüchen. Alle denken immer, dass grade im elektronischen Bereich ne Beatport Top 5 ordentlich Geld abwirft. Aber das sind natürlich immer nur relative Charts zu den anderen Verkäufen.

Was bedeutet das in konkreten Zahlen ausgedrückt?
Mein letztes aUtOdiDakT Album war vier Wochen lang in den Beatport Top 5, Sparte Electro-House, und hat circa 800 Euro gemacht in dieser Zeit. Das ist natürlich nix, wenn man da neun Monate dran gearbeitet hat. Aber als Künstler kommt das Geld dann (bekanntlich) von Auftritten, die man wiederum dank Veröffentlichungen bekommt. Das macht verständlich macht, warum die Gagen derzeit so hoch gehen. Diese hohen Gagen machen wiederum Clubs und Parties unrentabel. So gehts weiter und weiter mit dem Grundproblem, dass die meisten Leute heute für Musik nicht mehr bezahlen wollen. Von Spotify und Youtube will ich gar nicht erst anfangen.

 

Laufen die Events Stuttgart Kaputtraven und Kaputtdubben eigentlich noch oder ist Stuttgart jetzt kaputt?
(Lacht) Läuft noch. Ich mach mir nicht mehr den Stress jeden Monat eine zu veranstalten, aber ich mache immer noch je drei bis vier Kaputtraven und Kaputtdubben pro Jahr im Lehmann, immer etwas abhängig davon, ob ich einen guten Act bekomme. Die letzte Kaputtraven im Oktober mit Jauz war zum Beispiel mega, aber es wird auch für mich immer schwieriger Electro-Acts zu finden, die keinen Plastik-EDM-Faschings-Quatsch machen, die bezahlbar sind, die ich gut finde und die in Stuttgart funktionieren. Zum Vergleich: So ein Jauz zieht in Stuttgart 600 oder 700 Leute und in Köln mit größerem Einzugsgebiet verkauft der 2500 Tickets - aber will in Stuttgart natürlich dieselbe hohe Gage haben wie in Köln.

 

Wie siehst du sonst die aktuelle Stuttgarter elektronische Szene?
Die Stuttgarter Szene ist aus Sicht von elektronischen Acts und Producern natürlich super! Bezüglich der Würdigung derselben in der eigenen Stadt, war Stuttgart schon immer etwas hinterher, aber vielleicht ist das auch normal in der eigenen Stadt. Ganz allgemein macht mir in der elektronischen Szene und im Nachtleben, wie vielen anderen auch, die Tendenz Sorgen, dass viele Clubs gerade ums Überleben kämpfen. Die jungen Leute müssen einfach mehr weggehen und das auch abseits von Eintritt-frei-Top-20-Bravo-Hits-Theo Schuppen und Qualität in Programm und individueller Ausrichtung mehr honorieren. Sonst wird es einige Läden nicht mehr lange geben. Ich glaube aber, dass man heutzutage leider allgemein weniger weggeht. Netflix und Internet nehmen viel Zeit in Anspruch und das neueste iPhone und die Yeezys viel Geld. Für mich und meine Freunde war ein Wochenende, an dem man nicht beide Tage durch die Clubs und Bars getingelt ist, früher unvorstellbar. Das ist einfach nicht mehr so beim Nachwuchs, aber wir hatten auch weniger Ablenkung und andere Ausgaben.

Das Semf ist ziemlich gut besucht. Was erwartest du von dem Festival und deinem Gig?
Ich bin zum ersten Mal dort und sehr gespannt! Dazu kommt, dass ich den Ackermann-Namen bisher eher versucht habe inkognito zu halten, damit die "Technopolizei" nur die Produktionen beurteilt, bevor sie denken: "Oh, das ist ja der Electro-Typ, das kann ja nix sein.“ Für die meisten ist es nicht so einfach vorstellbar, dass man vielleicht beides gut kann. Deswegen habe ich speziell in Stuttgart noch nicht viele DJ-Gigs unter diesem Namen gespielt, hatte aber Ende September quasi mein Ackermann Coming Out im Climax und es hat derbe Spass gemacht! Ich hoffe, dass das Semf-Publikum auch zu früher Stunde schon vergleichbar feierwütig ist.

Was steht 2017 bei dir an?
Erstmal soviel Zeit wie möglich mit meiner Tochter verbringen! Ich habe, bevor ich Papa wurde, so viele Tracks für aUtOdiDakT und Ackermann produziert, dass ein Großteil von 2017 diese Veröffentlichungsflut erstmal abarbeiten muss. Diese beiden Namen haben für mich 2017 eindeutig Priorität und für beide hab ich momentan je fünf Releases in der Pipeline. Bis die abgearbeitet sind, kommen hoffentlich noch viele mehr dazu. Bisher fest stehen bei Ackermann Releases auf Soso, Kling Klong, Natura Viva, Traktor, Second State und Twin Town. Viele der danach kommenden ganz neuen Sachen werden etwas technoider als bisher, deswegen auch das neue eigene Label mit Martin Eyerer.

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