Vor 50 Jahren hat die Telefonseelsorge in Stuttgart ihre Arbeit aufgenommen. Seitdem sind mehrere Huntertausend Anrufe eingegangen.

Stuttgart - Vor 50 Jahren hat die Telefonseelsorge in Stuttgart ihre Arbeit aufgenommen. Und schon beim zweiten Anruf im Mai 1960 ging es zur Sache. Damals kündigte eine Frau an, ihren Mann und sich selbst töten zu wollen. Was sie von dem Helfern wissen wollte, war, ob ihrer beider Testament trotzdem Bestand haben würde. Der Helfer legte auf, erkundigte sich bei einem Juristen und beantwortete der Frau, als sie zwei Stunden später wieder anrief, ihre Frage - und versuchte dann natürlich, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. "Heute würde niemand diese juristische Auskunft einholen und das Gespräch würde komplett anders geführt werden", sagt Krischan Johannsen, der Leiter der evangelischen Telefonseelsorge.

Noch immer wird die Anonymität gewahrt, ansonsten aber hat sich in der Arbeit der Telefonseelsorge viel geändert. Zwar ging es auch in den Anfangsjahren oft um Beziehungen, aber die Fragen waren andere als heute. "Damals wollten die Anrufer wissen, ob sie abends eine Frau mit in ihr Zimmer in Untermiete bringen dürfen. Heute fragen Mütter, ob es richtig ist, wenn die 14-jährige Tochter beim Freund übernachtet", erzählt Johannsen. Was die Menschen damals zusätzlich umtrieb, waren die Folgen des Krieges. Heute rufen viele Menschen an, weil sie unter psychischen Erkrankungen leiden oder die Angst vor der Arbeitslosigkeit sie umtreibt.

Ein Jahr lang werden die Ehrenamtlichen geschult


Nicht nur die Themen sind andere geworden, auch die Hilfen haben sich gewandelt. Angefangen hat die Telefonseelsorge mit Ehrenamtlichen, die ohne Schulung, aber dafür mit einem Gerüst moralischer Werte und gesellschaftlicher Konventionen ans Telefon gingen. Und die den Anrufern schon mal rieten, öfter zu beten oder wie es sich gehöre, auf die Eltern zu hören.

Gute Ratschläge geben die Ehrenamtlichen keine mehr, heute versuche man "in die Menschen hineinzuhören und ihnen einen Weg aufzuzeigen, wie sie weitermachen können", so Johannsen. Seit 1970 erhalten die Ehrenamtlichen eine Ausbildung in Gesprächspsychotherapie, die 250 Stunden umfasst. Ein Jahr lang werden die Ehrenamtlichen geschult und verpflichten sich, mindestens drei Jahre lang 14 Stunden im Monat am Telefon Dienst zu tun, auch nachts und an den Wochenenden. 80 Ehrenamtliche tragen die Telefonseelsorge und zwei Hauptamtliche, die sich um die Ehrenamtlichen kümmern.

Der Bedarf an Telefonseelsorge ist da


"Als Ehrenamtlicher profitiert man von der Ausbildung und den Erfahrungen am Telefon", sagt Dieter Gebhardt, der selbst seit 25 Jahren ehrenamtlich dabei ist. Gebhardt erzählt, dass er sich noch heute gut an Gespräche erinnere, die Jahre zurückliegen. Dazu zählt er ein Telefonat mit einer jungen Leukämiekranken Frau, die nachts aus einem Krankenhaus anrief. Die Frau wollte keine weitere Chemotherapie, die Eltern allerdings schon - und Gebhardt redete mit ihr über Leben und Tod.

Die Telefonseelsorge hat im Jubiläumsjahr selbst ihre Sorgen. Der Verein, der jährliche Ausgaben von 315.000 Euro verbucht, braucht Spenden und weitere Ehrenamtliche. Das Ziel der Telefonseelsorge ist es, durchgehend zwei Leitungen anbieten zu können. "Der Bedarf ist da", versichert die Vereinsvorsitzende Helga Solinger. Das zeigen nicht zuletzt die mehr als 700.000 Anrufe , die in den 50 Jahren eingingen.