Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang warnt vor Anschlägen. Konkret ist nichts, aber dennoch ist die Gefahr von Attentaten vor Weihnachten besonders hoch, sagen Terrorismusexperten: Sie treffen die Menschen im tiefsten Gefühl der Geborgenheit.
Keine zwei Wochen nach dem Terroranschlag mit dem Codenamen Al-Aksa-Sturm auf Israel am 7. Oktober sprang die Terrororganisation Islamischer Staat dem kleinen Bruder Hamas zur Seite. Der Leitartikel des IS-eigenen Wochenmagazins „al-Naba“ – eine Anspielung auf die „Ankündigung“ genannte Sure 78 des Korans – war überschrieben mit „Praktische Schritte zur Bekämpfung der Juden“. Es reiche nicht aus, schrieb der Autor am 20. Oktober, den Kampf gegen Juden auf Palästina zu konzentrieren. Es sei notwendig, dazu „die Juden auf der ganzen Welt anzugreifen“. Besonders in den USA und Europa.
Spätestens da dürften auch bei den deutschen Sicherheitsbehörden die Alarmglocken geschrillt haben. Denn: Ähnliche Botschaften lassen sich von den Altvorderen des islamisch motivierten Terrorismus seit dem Hamas-Anschlag am 7. Oktober überall in der virtuellen Welt finden: die sunnitischen IS, Al-Kaida und Jaysh al-Islam Seite an Seite mit der schiitischen Hisbollah und den iranischen Revolutionsgarden.
Auch in Deutschland scheint der Ruf nach Anschlägen zu verfangen, um Angst und Schrecken zu verbreiten: Bereits am 21. November nahmen Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen einen 20-Jährigen aus Sachsen-Anhalt in Helmstedt bei Braunschweig fest. Zwar habe man keine konkreten Hinweise, dass der Iraker ein konkretes Attentat plante, er habe aber dem IS versichert, einen Anschlag zu verüben, sagte Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dem NDR.
Eine Woche später, am 28. November, nahmen im bergischen Burscheid bei Bergisch Gladbach und im brandenburgischen Wittstock Spezialkräfte der Polizei zwei Teenager mit deutsch-afghanischem und tschetschenischem Hintergrund fest. Die Jugendlichen wollten offenbar mit einem Lastwagen Besucher auf einem Weihnachtsmarkt in Leverkusen überfahren.
Analysten haben weltweites Geschehen im Blick
Die Anschlagsgefahr, sagt Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), sei „so hoch wie lange nicht mehr“. Das heißt nicht, dass die Sicherheitsbehörden konkrete Hinweise darauf haben, dass Terroristen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit einen Angriff planen.
Ihre Analysten aber haben das weltweite Gesamtbild vor Augen: die Lage in Israel und der Ukraine, die unverändert intensiven, andauernden Versuche Russlands, mit Cyberattacken, Desinformation, Spionage und Sabotage die westliche Welt zu destabilisieren. Die Lage im Iran, dem weltweit größten Finanzier von internationalem Terrorismus. In Afghanistan, wo die Taliban immer radikaler das alte Terrorregime durchsetzen. Sie werten Aktivitäten der rechtsextremen und -radikalen deutschen Szene aus. Aus allen diesen Einzelbewertungen ergibt sich ein Bild, nach dem die Wahrscheinlichkeit, dass auch in Deutschland ein Terroranschlag verübt wird, so hoch ist wie lange schon nicht mehr. Der BfV-Chef warnte eindringlich vor Anschlägen gegen Juden und den Westen insgesamt.
Anschlag auf die Geborgenheit
Die Weihnachtszeit gilt den Terroristen für die westliche Welt als prädestinierte Anschlagszeit: „In Europa und den USA verbinden die Menschen mit Weihnachten starke Gefühle der Geborgenheit und Sicherheit in Kreis der Familie. Diese Atmosphäre durch Anschläge zu zerstören, gerade in dieser Zeit Angst und Schrecken zu verbreiten, erscheint vielen Terroristen so etwas wie die Königsklasse des Terrorismus“, sagt der israelische Terrorismusexperte Jonathan Fighel vom Institut für Terrorismusbekämpfung (ICT) in Herzliya.