Teure Konzerte Mein Haus, meine Jacht, mein Konzertticket
Wer Superstars wie Bruce Springsteen oder Depeche Mode sehen möchte, muss tief in die Tasche greifen. Werden Konzerte bald zum Luxusartikel für Besserverdiener?
Wer Superstars wie Bruce Springsteen oder Depeche Mode sehen möchte, muss tief in die Tasche greifen. Werden Konzerte bald zum Luxusartikel für Besserverdiener?
Es sind die kleinen Fragen des Lebens: Sommerurlaub oder ein Konzert besuchen? Klingt beides unterhaltsam, blöd nur, falls man an beidem teilhaben möchte und sich für die großen Stars interessiert, die Legenden – Bruce Springsteen, Depeche Mode, Metallica. Da gilt es tatsächlich, Präferenzen abzuwägen. Denn die Preise für Konzerttickets in der Superstar-Liga haben in den vergangenen Monaten stattlich zugelegt.
Dass Konzerte teurer werden, ist keine Überraschung. Da war die Pandemie, die eine ganze Branche zerschlagen und nun wieder neu zusammengesetzt hat, und da ist die Inflation, die alles teurer gemacht hat – auch die Infrastruktur von Veranstaltungen. In der Branche wird derzeit mit einer Verteuerung von 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu „früher“ kalkuliert. Der Kostendruck für Veranstalter wie Künstler, ihre Ausgaben wieder einzuspielen, ist enorm.
„Es ist schon okay, dass Plätze, für die ein gewisser Preis erzielt werden kann, auch zu diesem Preis angeboten werden“, sagt Paul Woog, Geschäftsführer der Stuttgarter Konzertagentur SKS Michael Russ GmbH. Wichtig sei aber, und darauf legten mindestens 80 Prozent der Managements tatsächlich Wert, dass ebenso ausreichend erschwingliche Tickets für Fans angeboten werden. „Es ist aber auch klar, dass es immer Künstlermanagements geben wird, die ihren Gewinn optimieren wollen, und es wird immer welche geben, die vorrangig ein gutes Konzert für die Fans anbieten wollen.“
Doch wer im Sommer gerne Bruce Springsteen in Deutschland sehen möchte, kann ohne großes Trara zwischen 250 und 800 Euro pro Karte kalkulieren – zuzüglich stattlicher Gebühren. Allerdings nicht mehr auf dem offiziellen Ticketmarkt, sondern fast ausschließlich auf dem sogenannten Zweitmarkt. Die offiziellen Tickets scheinen längst „abverkauft“, wie das in der Branche heißt.
Dieser Zweitmarkt gestaltet sich einigermaßen nebulös bis vogelwild. Wer beispielsweise über Anbieter wie Viagogo Tickets kaufen möchte, hat kaum Einblick, mit wem da Geschäfte gemacht werden. Der Geschäftspartner könnte jemand sein, der tatsächlich seine erworbenen Tickets aus persönlichen Gründen nicht nutzen kann oder es könnten auch professionelle Zweitverkäufer dahinterstecken, die man früher noch Schwarzhändler nannte. Oder noch ärgerlicher: lupenreiner Betrug. Denn auch dieser Markt ist längst digital durchprofessionalisiert.
Der deutsche Ticket-Primus Eventim bietet über die Plattform Fansale eine Art Zweitmarkt light an – von Fan zu Fan. Positiver Nebeneffekt: Der Konzern verdient somit auch am Zweitverkauf der Tickets. Ein Beispiel: Depeche Mode auf der Waldbühne in Berlin 166 Euro plus einer Servicegebühr von 24,90 Euro und für den Versand der Tickets 6,95 Euro – Gesamtsumme: 197,85 Euro. Für ein Ticket.
Vorteil dieser Plattform sei, dass die Preise überwacht und Nutzerkonten gesperrt werden können, wenn Tickets weit über dem ursprünglichen Verkaufswert angeboten werden oder der Verdacht auf gewerblichen Weiterverkauf begründet ist. Den Schwarzmarkt ganz auszuschließen ist utopisch.
All das scheint eine gute Alternative im Vergleich zu den USA. Der US-Markt ist kaum noch nachvollziehbar. Von dort kommen Horrorberichte von Menschen, die bis zu 5000 US-Dollar (4540 Euro) für ein Konzert von Bruce Springsteen oder Taylor Swift bezahlen mussten. Oder eher: bezahlen wollten. Das Konzert als Luxusevent. Und nach Marketing-Grundsätzen gilt: Wenn jemand bereit ist, so viel für ein Produkt zu bezahlen, dann ist es auch so viel wert. Und das neue Produkt ist das Livemusik-Erlebnis.
Der Mechanismus in den USA kommt direkt aus der Welt der Reiseanbieter: nachfrageorientierte Preisgestaltung oder wie man mittlerweile auch im Musikgeschäft sagt: „Dynamic Pricing“. Wenn sich viele Menschen für Hotelzimmer in London interessieren, beispielsweise im Zeitraum der Krönung von King Charles, dann steigen dort die Preise für die Zimmerbuchungen. Angebot und Nachfrage schaukeln sich aneinander hoch, bis der Markt ideal abgeschöpft ist. Ja, lieber schnell zugreifen, bevor es noch teurer wird.
In Deutschland findet dies in der Konzertbranche noch keine breite Anwendung. „Langfristig wird die Entwicklung wahrscheinlich auch bei uns dahin gehen“, sagt Paul Woog. „Was heute schon passiert, ist, dass man sich einen Saalplan ganz genau anschaut und die Randplätze mit guter Sicht zur Bühne etwas teurer sind. Aber dass der Preis um drei Uhr morgens ein anderer als um 15 Uhr ist – so weit geht es noch nicht.“ Dass Dynamic Pricing nur Schlechtes bringe, glaubt Paul Woog nicht. „Die im dynamischen Preismodell eingesetzten Algorithmen“, sagt er, „können auch dazu führen, dass Tickets günstiger werden. Wenn man beispielsweise merkt, dass sie nicht abverkauft werden, weil sie zu teuer sind.“ Was ein Konzertticket letztendlich wert sei, regelt, wie man so schön sagt, der Markt.
Schon heute lockt in Deutschland ein Angebot, das über die konventionellen Preiskategorien hinausgeht. Es werden Premium-Pakete, VIP-Erlebnisse, Platinum-Tickets oder „Meet & Greet“-Angebote geschnürt. Wer möchte, kann bei einigen Konzerten sogar (Zusatz-)Tickets buchen, um seiner Lieblingsband beim Soundcheck auf die Finger zu schauen – oder Upgrade-Tickets beziehen, die das Privileg einräumen, Merchandise-Artikel des Lieblingskünstlers ohne lästiges Schlangestehen einkaufen zu dürfen.
Die Früchte dieser Gewinnmaximierungen sind unter anderem fuchsteufelswilde Fans von Helene Fischer, die im August 2022 feststellen mussten, dass ihre über 600 Euro teuren, vom Konzertmanagement ausgelobten „VIP-Tickets“ nicht ansatzweise dem gerecht wurden, was die sich unter „VIP“ vorgestellt hatten: miese Sicht auf die Bühne und Billig-Prosecco aus dem Plastikbecher.
„Nur noch wenige Tickets verfügbar“, heißt’s bei Eventim. Der Reflex bei der potenziellen Kundschaft ist ähnlich wie bei der marktgetriebenen US-Variante: lieber schnell kaufen, bevor es nur noch teure Tickets gibt. „Oft ist nicht nachvollziehbar, welche Ticketplattform noch Karten anbietet. Da lohnt es sich durchaus, bei mehreren Systemen und Anbietern nachzuschauen – aber eben auf keinen Fall auf dem zwielichtigen Zweitmarkt zu kaufen“, rät Woog.