Verlinkung von Wörtern in einem Text ist eigentlich ein Grundprinzip des Internets. Aber die Idee steht erst ganz am Anfang.
 

Stuttgart - Es gibt ein Browser-Plug-in namens Hyperwords, das aus jedem Wort in einem Text einen Hyperlink macht. Schöpfer dieses kleinen Programms ist der norwegische Informationsphilosoph Frode Hegland, der an der Verbreitung von "liquid information" arbeitet - einer größeren Durchlässigkeit und Reichhaltigkeit von Online-Texten. "Die meiste Software die wir heute verwenden, gibt Nutzern nur sehr wenige Optionen", sagt Hegland. Die von Hyperwords erzeugten Links verweisen nicht nur auf eine Stelle im Web, sondern erlauben es, auf ganz unterschiedliche Art mit Wörtern durchs Netz zu steuern, zu suchen, zu sammeln, zu notieren oder zu teilen. Markiert man ein Wort oder eine Textstelle, erscheint ein Menü, über das man beispielsweise auf Suchmaschinen und Online-Lexika weiterreisen kann.

 

Mancher mag das als Zumutung empfinden. Aber ich erinnere mich an einen Nachmittag in einem Hotelfoyer in Tokio, als ich an einem Internetterminal saß und mich vertippte. Plötzlich nur noch japanische Zeichen am Bildschirm. Ich sah mich ein wenig um: Nach dem Druck auf eine Taste erschien nun nicht gleich das entsprechende Zeichen, sondern eine Auswahl, aus der das gewünschte Zeichen erst ausgewählt werden musste. Da das Japanische bedeutend mehr Zeichen kennt als auf einer Standardtastatur Platz haben, ist das unvermeidlich. Die vermeintliche Verkomplizierung führt zu einer erfolgreichen Bildungsoffensive. Viele seltene Schriftzeichen, die ein Japaner in der Schule lernt und später im Alltag kaum braucht, so dass sie verblassen und zu verschwinden drohen, sind nun wieder intensiver in Gebrauch, seit Computer sie immer wieder als Wahlmöglichkeit anbieten.

Hyperwords macht aus jedem Wort einen Hyperlink

Mindestens genauso groß ist die Befürchtung, dass etwas ganz Schreckliches passiert, wenn sich die Grenzen von Texten auflösen oder, um es positiv auszudrücken: wenn vereinzelte Texte sich zu immer reichhaltigeren Gebilden verbinden, für deren verschiedene Formen und Qualitäten wir noch nicht einmal Namen haben. Es scheint eine Scheu davor zu geben, solchen neuen Aggregatzuständen von Kultur und Wissen, die nicht mehr nur einem Urheber oder Verwerter zugehören, überhaupt Bezeichnungen zu widmen. Die Sorge wird bevorzugt von Menschen geäußert, deren Arbeit sich um Texte dreht und die nun sehen, wie die zuvor auf Papier an ihren Rändern klar begrenzte Seite nach und nach ihre Begrenzungen verliert.

Es ist nicht ohne Ironie, dass Blau die Standardfarbe für links ist: Sie sehen aus wie kleine, feuchte Stellen, an denen das vormals Papier gewissermaßen elektronisch aufgeweicht und durchlässig wird. Auf vielen Online-Angeboten ist immer noch die Befürchtung zu spüren - und an der fehlenden Verlinkung zu sehen -, die Leser könnten mit einem Klick aus dem Angebot verschwinden. Die Erkenntnis, dass Internetnutzer gern wiederkommen, je öfter man sie wegschickt, belegt niemand erfolgreicher als Google: Hat man einen Link auf einer Trefferliste gefunden, der einen interessiert, ist man weg - und möglicherweise schon Augenblicke später wieder da mit der nächsten Anfrage.

E-Mail an den Autor: p.glaser@stz.zgs.de