Solche Sätze sagt Milo Rau am laufenden Band. Kein Zweifel, der Schweizer ist einer, der Position bezieht. Und der ein Faible für pointierte Formulierungen hat – egal ob es um die vermeintlichen Vorurteile linker Anthropologiestudenten geht („Wenn man in den Kongo reist, merkt man schnell, dass dieser angeblich einfach gestrickte Antiimperialismus einfach den Tatsachen Rechnung trägt“) oder das Wüten islamistischer Milizen („Die eine Hälfte der IS-Kämpfer wirkt wie lobotomiert, die andere besteht aus kriminellen, asozialen Elementen“).

 

Bei der Entwicklung seiner Stücke greife er auf philosophische oder politische Theorien der Gegenwart zurück, erzählt Rau. So hat er für das Projekt „Hate Radio“, das die Ereignisse in einer Radiostation während des Völkermords in Ruanda rekonstruierte, mit dem Kulturtheoretiker Klaus Theweleit („Männerphantasien“) zusammengearbeitet; zuletzt tauschte sich Rau mit der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe aus, die mit ihren Schriften zur „Postdemokratie“ Aufsehen erregt hat. Rau selbst, der unter anderem Soziologie bei Pierre Bourdieu studiert hat, veröffentlichte 2013 ein Bändchen mit dem Titel „Was tun?“, das gegen eine in Dauerdepression verfallene Linke polemisiert.

Realismus und radikale Kritik

Rau selbst zählt zu denjenigen, die noch Perspektiven für gesellschaftlichen Wandel sehen. „Was tun?“ spielt im Titel auf eine Schrift Lenins an – was Rezensenten urteilen ließ, es handle sich dabei um „neoleninistisches Geschwurbel“. Rau plädiert in dem Essay dafür, die Politik des frühen „Punk-Lenins, der einen befreienden Browning-Geruch verströmt“, mit derjenigen des späten Bürokraten Lenin zu einem emanzipatorischen Projekt für die Gegenwart zu verbinden. Nur durch eine solche Zusammenführung von Realismus und radikaler Kritik ließe sich, so Rau, die Katastrophe noch verhindern. Slavoj Žižek hätte das kaum schöner formulieren können.

Raus Bühnenarbeiten scheinen aber eher beweisen zu wollen, dass besagte Apokalypse längst begonnen hat. In seiner jüngsten, von der Kritik europaweit gefeierten Produktion „The Civil Wars“ geht es nicht nur um religiöse Fundamentalisten; vielmehr zeichnet er ein Panorama europäischer Biografien, die allesamt an den Verhältnissen zerbrochen sind. So ist von politischem Engagement die Rede, das in der Psychiatrie geendet hat, oder von Existenzen, die durch neoliberalen Optimierungswahn zerstört worden sind.