Nach dem Abriss des Taubenschlags auf der Rathausgarage protestieren Tierschützer – und werfen der Stadt gar Verfassungsbruch vor.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Die Stadt Stuttgart habe „sich wohl ein Ei gelegt“. So urteilte jedenfalls der „Landesschau“-Moderator Jürgen Hörig sprichwörtlich über den vorerst ersatzlosen Abriss des Taubenschlags auf der Rathausgarage. Rechnerisch hat die Stadt sich 300 Eier gelegt. In etwa so viele werden die 150 Tauben in den nächsten drei Monaten rund ums Rathaus ausbrüten, die bisher im Taubenschlag auf der Rathausgarage untergekommen waren. Dort tauschten Tierschützer die Eier gegen Attrappen aus.

 

Rund ein Dutzend Vogelfreunde haben sich am Mittwoch vor dem Rathaus versammelt, um gegen das Vorgehen zu protestieren – mit einer rechtswidrigen Aktion. Aus einem Futternapf in Form einer Friedenstaube lassen sie die Vögel Körner picken. Was in Stuttgart bekanntlich verboten ist, in diesem Fall aber straffrei bleibt. Zwar umkurvt ein Streifenwagen das merkwürdige Grüppchen und hält vor ihm, aber die Aktion scheint den Polizisten nicht einmal des Aussteigens wert.

Die Tierschützer werfen der Stadt Gesetzesbruch vor

Nach Meinung der Tierschützer ist der Gesetzesverstoß ohnehin ein geringfügiger - im Vergleich zu dem, den die Stadt begeht. Nicht weniger als Verfassungsbruch werfen sie der Verwaltung vor. So ist es in einem Brief des Rechtsanwalts Eisenhart von Loeper an Oberbürgermeister Fritz Kuhn zu lesen. Von Loeper ist als hartnäckiger Gegner des Tiefbahnhofs in Stuttgart durchaus prominent. Dass der Tierschutz zu seinen beruflichen Fachgebieten gehört, wissen hingegen nur Eingeweihte. Der Satz, dass der Staat die Tiere schützt, ist seit dem Jahr 2002 im Grundgesetz verankert. Von Loeper hat seinerzeit einen juristischen Fachkommentar zur Gesetzesänderung verfasst. Bis zu drei Jahren Haft, schrieb er Kuhn, könnten wegen des amtlichen Handelns verhängt werden.

Vor dem Rathaus argumentiert er nicht juristisch, sondern handwerklich. Der Schlag auf der Rathausgarage sei mit einem Gewicht von 1,8 Tonnen zu schwer für seinen neuen Standort, die rund 200 Meter entfernte Stadtkämmerei. Das Dach muss erst statisch verstärkt werden. Deshalb kann das Taubenhaus erst in drei Monaten wieder aufgebaut werden. Das ließ die Stadt verlautbaren. „Unsere Devise ist jetzt, dass ein 500 Kilogramm schweres Gartenhaus als Übergang aufgebaut wird“, sagt von Loeper. Gleiches fordern die Grünen im Gemeinderat. Die Idee zu verwirklichen, scheint zumindest nicht ausgeschlossen. Taubenhäuser sind schlichte Bretterverschläge, die jeder Heimwerker zusammenzimmern kann.

Die Verteidigung verschickte die Stadt schon vorab

Gleichsam in vorauseilender Verteidigung hatte die Stadt vor einer Woche ausführlich erklärt, dass ihr Handeln rechtskonform sei und warum. „Die Stadttauben sind keine völlig abhängigen, zahmen Haustiere, sondern vielmehr wild lebende Tiere.“ So ließ die Amtsveterinärin Heike Roloff sich zitieren. Zudem „kennen die Vögel ergiebige Futterquellen in der Umgebung“ des Rathauses. Eine Gefahr des Verhungerns sei gänzlich auszuschließen.

Dass es jene Futterquellen gibt, verneinen nicht einmal die Tierschützer. „Die Stadt erreicht das Gegenteil von dem, was sie will“, sagt Britta Oettl, „die Tauben sitzen jetzt überall am Rathaus auf den Fenstersimsen, fliegen in die Imbisse und belästigen die Leute“.