Der Malawier Byson Kaula ist drei Mal dem Strick entkommen. Das hat er nicht nur als Glück empfunden.

Zomba - Eine ehrenwerte Tradition will es, dass ein zum Tode durch den Strang Verurteilter freigelassen wird, wenn bei der Hinrichtung der Strick reißt. Doch was passiert, wenn man den Tag seiner Exekution überlebt, weil der Henker mit dem Hängen einfach nicht nachgekommen ist? Das wird von keinem Kodex geregelt. Ein Umstand, dem Byson Kaula sein Überleben verdankt. Und zwar nicht nur einmal: Der inzwischen über 60-jährige Malawier überlebte gleich drei Mal seinen Hinrichtungstermin, weil sich der Henker überlastet fühlte – jetzt lebt der Vater von sechs Kindern in Freiheit und konnte der britischen BBC seine unglaubliche Geschichte erzählen.

 

Byson Kaula wurde vor 27 Jahren auf seiner Farm im Süden Malawis festgenommen: Er soll einen seiner sechs Arbeiter umgebracht haben. Der Verurteilte selbst bestreitet das: Er habe den von Nachbarn halb totgeschlagenen Beschäftigten ins Krankenhaus bringen wollen, sei jedoch auf einer nassen Treppe gestürzt – den Sturz habe der Farmarbeiter nicht überlebt. Der Richter glaubte Kaula nicht und verurteilte ihn wegen Mordes, worauf in der damaligen Diktatur noch zwingend die Todesstrafe stand.

Der psychische Druck war immens

Wenige Monate später teilte ein Wärter im Zentralgefängnis der Distrikthauptstadt Zomba dem zum Tode Verurteilten mit, dass heute seine Stunde gekommen sei: „Du kannst schon mal mit dem Beten beginnen“, soll er gesagt haben, „um eins wird mit dem Hängen begonnen“. 21 Todeskandidaten hätten an diesem Tag auf der Liste gestanden, die für den Henker vorbereitet worden war: Der kam alle paar Monate aus Südafrika angereist, um seinem Beruf in Malawi und anderen Nachbarländern nachzugehen. Der Mann soll weit und breit der Einzige gewesen sein, der einen sauberen Knoten binden konnte und mit der Falltür umzugehen wusste. Zwei Stunden später, um 15 Uhr, habe der Henker „Nun ist es genug“ gesagt, erzählte Kaula der BBC: Er habe offenbar noch zu weiteren Terminen gemusst. Farmer Kaula blieb mit zwei anderen zum Tode Verurteilten übrig: „Die kommen beim nächsten Mal dran“, sagte der Henker.

Doch auch beim nächsten Mal ging dem Südafrikaner die Zeit aus – und schließlich noch ein drittes Mal: Diesmal war Byson Kaula sogar der einzige von der Liste, der nicht exekutiert wurde. Zumindest damals nahm der Todgeweihte sein Schicksal gar nicht als Glück wahr: Der psychische Druck war dermaßen groß, dass er sich gleich zwei Mal selbst das Leben nehmen wollte – auch diese Versuche gingen allerdings schief.

Kaulu ist immer noch oft im Gefängnis – als Besucher

Schließlich fand die Diktatur in Malawi Mitte der 90er Jahre ein Ende: Die demokratisch gewählten Präsidenten weigerten sich, Hinrichtungsbefehle zu unterzeichnen. Trotzdem verbrachte Kaula noch viele weitere Jahre hinter Gittern in Zomba – bis ein aufsehenerregender Präzedenzfall die Praxis des zwingenden Todesurteils für Mord erschütterte. Ein Richter vertrat die Überzeugung, dass es in Mordfällen mehr oder weniger klare Formen von Schuld gebe: 170 Gerichtsverfahren, bei denen die Todesstrafe wegen Mordes verhängt wurde, mussten neu verhandelt werden. Inzwischen seien 139 zum Tod Verurteilte bereits freigelassen worden, teilt die internationale Hilfsorganisation Reprieve mit: Bei vielen von ihnen handelt es sich um geistig Behinderte. Bei mehr als der Hälfte der Freigelassenen habe man außerdem die Gerichtsakten nicht mehr ausfindig machen können. In einigen Fällen sei sogar unklar gewesen, warum sie überhaupt hinter Gittern saßen.

Auch Byson Kaulu ist heute frei: Den Witwer zieht es jedoch jedes Wochenende ins Gefängnis von Zomba zurück, um dort Häftlingen beizustehen. Manche von ihnen mögen ähnliche Probleme haben: Ein Fall wie sein eigener ist ihm allerdings nicht mehr begegnet.