Das erste Haus muss Maria allein suchen, als sie ihr zweites bauen, reist Hesse erst nach München, dann ins Tessin und lässt seine Frau und den kleinen Sohn mit Architekten und Handwerkern allein. Hesse flüchtet, so oft er kann, und sie lässt sich alles gefallen: „Marias Briefe sind ohne jede Klage. Immer ermutigt sie Hesse, sich zu erholen, nicht zu sorgen, versichert, dass sie seine Korrespondenz überwacht, beantwortet oder nachsendet. Sie schickt ihm saubere Hemden und Socken, packt Körbe mit Gemüse, bringt sie zur Post, erzählt in ihren Briefen von den beiden Kindern“ (Reetz). Monatelang ist er unterwegs, und wenn er wiederkommt, „betrachtet er die Söhne mit ‚Verwunderung‘: Sie machen Lärm, Heiner versucht sich im Sprechen, Bruno, den sie Butzi nennen, ‚ist viel unartig und fängt nun so allmählich auch das Lügen an‘.“ Als sein dritter Sohn geboren wird, fährt er mit einem Freund nach Indien. Schließlich drängt er sie sogar mit der Hilfe seines Analytikers J. B. Lang, sich in die Psychiatrie zu begeben.

 

Kein schönes Bild, das Reetz hier entwirft. Ein Macho, der mit einer gleichberechtigten Ehefrau völlig überfordert ist. Es ist immer das gleiche Muster: Er verliebt sich, er will nicht heiraten, er heiratet dennoch, er flüchtet. Nur das Ende seiner dritten Ehe ist anders: keine Scheidung. Allerdings gibt es hier ein eisern eingehaltenes Arrangement, unter dem seine Frau zeitweise stark litt: getrennte Wohnungen, wenn auch nebeneinander, und er wird in Ruhe gelassen, wenn er es wünscht. Manchmal kommunizieren Hesse und seine Frau Ninon, die ihn seit ihrem 16. Lebensjahr angehimmelt, nur noch durch Zettel miteinander. Die Literatur und seine Ruhe gehen eben vor.

Wenig neue Fakten

Auch eine andere Facette ist neu: die des politischen Menschen. Immer wieder hatte Hesse betont, dass er kein politischer Mensch ist, dass er sich nach innen und an den Einzelnen wendet. Eine Ausnahme gab es im Ersten Weltkrieg, wie man einem kürzlich publizierten Briefwechsel entnehmen kann. Wie viele Autoren hatte auch Hesse den Krieg als eine Art Befreiung zunächst begrüßt, ist aber schnell davon abgerückt. Zu Anfang des Krieges lebte er in Bern, einer Drehscheibe für die internationale Politik, und übte seit Sommer 1915 mit Unterstützung der Deutschen Gesandtschaft eine Geheimmission aus, die er immer verschwiegen hat. Vor allem stellte er den Kontakt her zwischen dem liberalen Stuttgarter Landtagsabgeordneten Conrad Haußmann, der einen Verständigungsfrieden anstrebte, und französischen Mittelsmännern, vor allem Emile Haguenin, dem Leiter des französischen Pressebüros in Bern: „Alles mit Wissen und Billigung der deutschen Regierung, aber völlig inoffiziell“, schrieb Hesse. Sie scheiterten, weil die deutschen Militärs auf einem Siegfrieden bestanden.

Gleich drei Biografien sind zum 50. Todestag erschienen. Neben der von Reetz über Hesses Frauen noch eine kritisch-abwägende von Gunnar Decker und eine emphatisch-apologetische, oft romanhafte von Heimo Schwilk – auch diese beiden gehen auf Hesses Stil kaum ein, sondern heben fast ausschließlich auf das Inhaltliche ab, bieten teils interessante Interpretationen seiner Werke, aber kaum neue Fakten. Noch ein Kuriosum am Rande: auf Facebook hat der Suhrkamp Verlag eine Seite eingerichtet: „Hermann Hesse antwortet“ – auch das soll als Buch erscheinen.

Mittler im 1. Weltkrieg

Das erste Haus muss Maria allein suchen, als sie ihr zweites bauen, reist Hesse erst nach München, dann ins Tessin und lässt seine Frau und den kleinen Sohn mit Architekten und Handwerkern allein. Hesse flüchtet, so oft er kann, und sie lässt sich alles gefallen: „Marias Briefe sind ohne jede Klage. Immer ermutigt sie Hesse, sich zu erholen, nicht zu sorgen, versichert, dass sie seine Korrespondenz überwacht, beantwortet oder nachsendet. Sie schickt ihm saubere Hemden und Socken, packt Körbe mit Gemüse, bringt sie zur Post, erzählt in ihren Briefen von den beiden Kindern“ (Reetz). Monatelang ist er unterwegs, und wenn er wiederkommt, „betrachtet er die Söhne mit ‚Verwunderung‘: Sie machen Lärm, Heiner versucht sich im Sprechen, Bruno, den sie Butzi nennen, ‚ist viel unartig und fängt nun so allmählich auch das Lügen an‘.“ Als sein dritter Sohn geboren wird, fährt er mit einem Freund nach Indien. Schließlich drängt er sie sogar mit der Hilfe seines Analytikers J. B. Lang, sich in die Psychiatrie zu begeben.

Kein schönes Bild, das Reetz hier entwirft. Ein Macho, der mit einer gleichberechtigten Ehefrau völlig überfordert ist. Es ist immer das gleiche Muster: Er verliebt sich, er will nicht heiraten, er heiratet dennoch, er flüchtet. Nur das Ende seiner dritten Ehe ist anders: keine Scheidung. Allerdings gibt es hier ein eisern eingehaltenes Arrangement, unter dem seine Frau zeitweise stark litt: getrennte Wohnungen, wenn auch nebeneinander, und er wird in Ruhe gelassen, wenn er es wünscht. Manchmal kommunizieren Hesse und seine Frau Ninon, die ihn seit ihrem 16. Lebensjahr angehimmelt, nur noch durch Zettel miteinander. Die Literatur und seine Ruhe gehen eben vor.

Wenig neue Fakten

Auch eine andere Facette ist neu: die des politischen Menschen. Immer wieder hatte Hesse betont, dass er kein politischer Mensch ist, dass er sich nach innen und an den Einzelnen wendet. Eine Ausnahme gab es im Ersten Weltkrieg, wie man einem kürzlich publizierten Briefwechsel entnehmen kann. Wie viele Autoren hatte auch Hesse den Krieg als eine Art Befreiung zunächst begrüßt, ist aber schnell davon abgerückt. Zu Anfang des Krieges lebte er in Bern, einer Drehscheibe für die internationale Politik, und übte seit Sommer 1915 mit Unterstützung der Deutschen Gesandtschaft eine Geheimmission aus, die er immer verschwiegen hat. Vor allem stellte er den Kontakt her zwischen dem liberalen Stuttgarter Landtagsabgeordneten Conrad Haußmann, der einen Verständigungsfrieden anstrebte, und französischen Mittelsmännern, vor allem Emile Haguenin, dem Leiter des französischen Pressebüros in Bern: „Alles mit Wissen und Billigung der deutschen Regierung, aber völlig inoffiziell“, schrieb Hesse. Sie scheiterten, weil die deutschen Militärs auf einem Siegfrieden bestanden.

Gleich drei Biografien sind zum 50. Todestag erschienen. Neben der von Reetz über Hesses Frauen noch eine kritisch-abwägende von Gunnar Decker und eine emphatisch-apologetische, oft romanhafte von Heimo Schwilk – auch diese beiden gehen auf Hesses Stil kaum ein, sondern heben fast ausschließlich auf das Inhaltliche ab, bieten teils interessante Interpretationen seiner Werke, aber kaum neue Fakten. Noch ein Kuriosum am Rande: auf Facebook hat der Suhrkamp Verlag eine Seite eingerichtet: „Hermann Hesse antwortet“ – auch das soll als Buch erscheinen.