Seit zehn Jahren leitet Ingrid Nüßle das „Café für Trauernde“. Das wird am Donnerstagabend gefeiert.

Renningen - Ein plötzlicher Herztod hatte ihr den Mann genommen. Das Leben muss zu Ende sein, denkt sich die zurückgebliebene Ehefrau, die verzweifelt und gebeugt ins Renninger Trauercafé kommt. Ingrid Nüßle kann sich genau an sie erinnern. Oft sei sie bei den Treffen dabei gewesen. „Mit der Zeit wurde sie richtig selbstbewusst“, beschreibt Nüßle dieses Erfolgserlebnis. „Am Ende ist sie aufrecht aus dem Raum gelaufen.“

 

Dass es dieser verwitweten Renningerin mittlerweile richtig gut geht, liegt am „Café für Trauernde“, das Gretel Beyerle und Ingrid Nüßle vor genau zehn Jahren gegründet haben und immer noch leiten – alles ehrenamtlich. Eine kleine Gruppe trifft sich seither einmal im Monat im Haus am Rankbach, zwischen drei und zehn Menschen. Es gibt Trauernde, die ein- oder zweimal kommen, es gibt aber auch solche, die drei Jahre lang an den Treffen teilnehmen.

Ein Tisch steht im Raum, es gibt Kaffee und Kuchen, in der Vorstellungsrunde nennt jeder seinen Namen und sagt, warum er hier ist. „Jeder erzählt, was er möchte“, erklärt Nüßle. „Es soll ein geschützter Raum und Rahmen sein.“

„Es gibt in der Trauer kein richtig und falsch“

Aber, so könnte man fragen, was bringt es als Trauernder, sich mit ebenfalls traurigen Menschen zu umgeben? Ingrid Nüßle ist davon überzeugt, dass das hilft. Nicht gleich, wenn man den geliebten Menschen verloren hat und noch unter Schock steht. Aber ein paar Wochen, vielleicht ein Viertel Jahr nach dem Todesfall. „Es gibt in der Trauer kein richtig und falsch, aber es ist gut zu hören, wie andere damit umgehen“, sagt sie. Manche sehen zum Beispiel ihren geliebten Verstorbenen überall vorbeilaufen und erklären sich selbst für verrückt. Von anderen zu hören, dass es ihnen genauso geht, kann da erden und die Angst nehmen.

Ingrid Nüßle selbst ist gelernte Krankenschwester und hat auf Intensivstationen und im Rettungsdienst gearbeitet. Zwischenzeitlich war sie auch medizinische Fußpflegerin. Ein Pfleger eines Altenheimes rief sie mal, ob sie nach einem Mann schauen könne, für den sie als Fußpflegerin gearbeitet hat und der jetzt im Sterben liegt. „Damals dachte ich: Was ich hier mache, kann ich auch für andere Menschen machen“, erinnert sie sich.

1994 war das, als Ingrid Nüßle zum ambulanten Hospizdienst Renningen stieß, den es damals seit zwei Jahren gab. Sie machte die Ausbildung zur Trauerbegleiterin. Zusammen mit 14 weiteren Ehrenamtlichen engagiert sich die 63-Jährige immer noch beim Hospizdienst und begleitet Sterbende.

Wer kommt zum Trauercafé?

„Aber was ist mit den trauernden Angehörigen? Für sie ist oft niemand da“, haben Ingrid Nüßle und Gretel Beyerle festgestellt. Das war vor zehn Jahren die Geburtsstunde des Trauercafés. „Unsere Aufgabe ist es, zu moderieren und auch mal eine Information zu geben“, erklärt sie. In all den Jahren war auch schon eine 22-Jährige da, die ihren Opa verloren hatte. 80 Prozent derer, die kommen, schätzt Nüßle, sind über 50 Jahre alt.

Gelernt und ihre Ausbildung zur Trauerbegleiterin gemacht hat sie bei der Trauerexpertin Ruthmarijke Smeding. „Die Ehrenamtlichen als Trauerbegleiter sind ganz wichtig“, sagt Smeding. „Sie halten die Verbindung zur Gesellschaft und machen das Leben wieder lebendig.“

Und das ist keine Einbahnstraße, auch Ingrid Nüßle selbst profitiert von der Arbeit. Wieder denkt sie an jene Frau, die zuvor ein symbiotisches Leben mit ihrem Mann gelebt hatte und ihn durch den Herztod verloren hatte. „Frau Nüßle“, habe sie gesagt, „ich weiß nicht, ob ich es wieder geschafft hätte ohne das Trauercafé“. – „Kein Geld kann da aufwiegen, was man zurückbekommt“, erzählt Nüßle. Gelacht wird zwischendurch übrigens auch. Um das Weinen auszuhalten, müsse man lachen – und man darf es auch.

Feier am Donnerstag

Der Hospizdienst Renningen feiert zehn Jahre Trauercafé am Donnerstagabend um 19.30 Uhr im Haus am Rankbach (Schwanenstraße 22). Bürgermeister Faißt hält ein Grußwort und Ruthmarijke Smeding spricht zu „Schleusenzeit – was ist besonders an der Zeit zwischen Sterben und Bestattung?“.