Traumberuf Influencer? „Man muss jeden Tag Content liefern“

Influencer:innen müssen regelmäßig Inhalte produzieren, um ihre Follower zu halten. Foto: Imago Images

Sie zeigen uns, was sie frühstücken, wo sie einkaufen, wie sie ihren Po trainieren. Doch lässt sich mit dem Beruf des Influencer:in wirklich viel Geld verdienen? Wir haben bei Stuttgarter Influencer:innen nachgefragt. [StZ Archiv]

Digital Desk: Katrin Maier-Sohn (kms)

Die Frau auf dem Foto trägt einen Sport-BH und eine farblich passende Sporthose. Sie hat langes blondes Haar und einen durchtrainierten Körper. Sie schaut selbstbewusst in die Kamera. „Working out is not optional. It’s a priority.“ („Sport zu treiben ist nicht optional. Es hat Priorität.“) steht unter dem Bild. Die Frau ist Naomi de la Penia, 24 Jahre alt, aus Stuttgart. Auf Instagram unter @naomi_delapenia folgen ihr 115.000 Personen. 

 

Influencer:innen – auch bekannt unter dem Begriff Content Creator – zeigen ihren Followern, was sie morgens frühstücken, wo sie einkaufen gehen und wie sie ihren Po trainieren. Mit ihren Fotos und Videos erreichen sie Tausende Menschen.

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Das Geschäft boomt

Viele Influencer:innen können von ihren Aktivitäten leben. Denn ihr Geschäft boomt. Immer häufiger schicken Firmen Anfragen an die Social Media-Stars. Die sollen dann Werbung für ein Produkt oder eine Dienstleistung machen. Der Lohn: Entweder dürfen sie das beworbene Produkt behalten oder sie bekommen darüber hinaus ein Honorar. Das klingt für viele verlockend. Doch ist das auch ein Traumjob?

„Instagram ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Naomi de la Penia. Sie könne als Influencerin viel erleben. Gleichzeitig sei der Druck extrem hoch. „Man läuft selten ungeschminkt herum, weil man weiß, man muss sich jeden Tag online zeigen.“ Auf ihrem Account hat sie an die 1700 Fotos gepostet.

Eigene Agenturen und Manager:innen

Der Beruf des Influencers ist noch jung. „Vor rund drei, vier Jahren war das goldene Zeitalter der Influencer:innen“, weiß die Medienpsychologin Regine Frener. „Seitdem hat sich die Branche aber weiterentwickelt.“ Während zu Beginn hauptsächlich eine junge Zielgruppe angesprochen wurde, erreicht man heute fast jede Altersklasse. „Wir beobachten eine zunehmende Professionalisierung. Viele arbeiten mit Agenturen zusammen und haben eigene Manager. Es ist mittlerweile möglich, mit dem Beruf viel Geld zu verdienen.“

Dies bestätigt eine Studie des Bundesverbands für Digitale Wirtschaft (BVDW) bei 109 Unternehmen. Ergebnis: die Budgets für die Influencer-Marketing-Kampagnen steigen: 14 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, mehr als 100.000 Euro pro Jahr für Influencer-Marketing-Kampagnen einzuplanen. 11 Prozent der Unternehmen planen dafür sogar mehr als 250.000 Euro ein.

„Man muss jeden Tag Content liefern“

Gleichzeitig sind aber auch die Anforderungen an die Influencer:innen gestiegen. „Die Werbung muss passen. Wer eine elektrische Zahnbürste am Strand bewirbt, wirkt schnell unglaubwürdig“, weiß Frener, die an der Universität Hohenheim tätig ist.

„Man muss aktiv sein, jeden Tag Content liefern und qualitativ hochwertige Inhalte produzieren“, berichtet auch Naomi de la Penia von ihren Erfahrungen. Ihr erster Instagram-Beitrag stammt aus dem Jahr 2013. Es ist eine Collage aus zwei Bildern von ihr: Links mollig, rechts sehr schlank.

Die User:innen mögen keine Veränderungen

„Ich war übergewichtig und faul“, sagt die Stuttgarterin. Früher habe sie sich mit den Frauen auf anderen Accounts verglichen. Das habe sogar eine Essstörung ausgelöst. Sie wog irgendwann nur noch 44 Kilogramm und hatte Haarausfall. Mittlerweile habe sie ihre Ernährung wieder im Griff, versichert sie. Das Thema Fitness sei aber nach wie vor ihre große Leidenschaft.

„Viele Influencer:innen sind noch sehr jung und befinden sich eigentlich in einer Phase, in der sie sich stark entwickeln und sich viel verändert“, so Medienpsychologin Regine Frener. „Die User:innen mögen aber oft keine Veränderungen. So geraten die jungen Frauen und Männer in eine schwierige Situation, die sie unter Druck setzt.“

Hasskommentare und Mobbing sind nur zwei von vielen Problemen

Erst Anfang des Monats berichtete das Reportageformat STRG_F über Youtube-Stars, die mit mentalen Problemen zu kämpfen haben. So zum Beispiel die Brüder Roman und Heiko Lochmann, die 2019 ihren erfolgreichen Youtube-Kanal „Die Lochis“ (2,7 Millionen Abonnent:innen) schlossen. Grund für das Ende ihrer Social Media-Karriere seien Angst- und Panikattacken gewesen, an denen Roman Lochmann noch heute leide. Es habe „dunkle Phasen gegeben“, die unmittelbar mit ihrer Youtube-Karriere zusammenhingen.

Regine Frener weiß um den Druck, der auf den Influencer:innen lastet: sie lebten in ständiger finanzieller Unsicherheit. Wer krankheitsbedingt ausfällt, bekommt kein Geld. Mental belastend sei der Zwiespalt, auf der einen Seite bewundert zu werden, andererseits aber eine Tätigkeit auszüben, die von vielen nicht als vollwertiger Beruf anerkannt wird. Das sei schlecht für das Selbstwertgefühl. „Außerdem steht man unter dem Druck, sich ständig selbst zu inszenieren.“ Hasskommentare und Mobbing seien ein weiteres Problem.

Algorithmus fordert ständig neue Inhalte

Viele aus der Branche sehen die Schuld auch bei den Plattformen selbst. So achtet der Algorithmus von Instagram unter anderem darauf, wie aktuell ein Post ist und wie viele Interaktionen darauf folgen. Das heißt, es muss ständig neuer Content produziert werden.

Unsere Zeitung fragte bei den Betreibern der Plattformen nach. So teilt uns eine Sprecherin von Meta – dem Unternehmen, zu dem unter anderem Facebook und Instagram gehören – mit: „Wir möchten, dass Instagram ein Ort ist, an dem Menschen sich sicher ausdrücken können, sich als Teil einer Community fühlen und von den Freunden, Creator:innen und Marken, denen sie folgen, inspiriert werden. Wir unternehmen immer wieder wichtige Schritte, um den Druck auf Instagram zu reduzieren – zum Beispiel mit der Möglichkeit Likes auszublenden, um die Vergleiche mit anderen zu minimieren“ Sie verweist damit auf die im letzten Jahr eingeführte Funktion Gefällt mir-Angaben auszublenden.

„An manchen Tagen habe ich keine Lust“

Eine Sprecherin der Video-Plattform Youtube nennt die sogenannte Youtube Creator Academy. Ein Bereich, in dem Videos und Kurse zur Verfügung gestellt werden, die auch das Thema mentale Gesundheit aufgreifen. „Wir möchten, dass unsere Creator ihre Videos auf gesunde und nachhaltige Weise erstellen“, so die Sprecherin. „Es gibt kein spezielles Muster, das auf Youtube zum Erfolg führt. Aber das Erstellen ansprechender Inhalte sollte immer im Vorrang sein, und nicht die Produktion einer bestimmten Menge an Inhalten.“

Für die Produzent:innen fühlt sich das oft anders an. Naomi de la Penia’s letzter richtiger Urlaub liegt vier oder fünf Jahre zurück. „An manchen Tagen habe ich keine Lust und würde gerne einfach mal scheiße aussehen. Aber man muss aktiv bleiben.“

Trend „Therapy Influencer“

Trotz der Schattenseiten des Geschäfts kam eine Studie des Marktforschungsinstitut Bitkom Research zu dem Ergebnis, dass 35 Prozent der Jugendlichen ab 14 Jahren gerne selbst den Beruf des Influencers ausüben würden. 43 Prozent sind nach eigenen Worten neidisch auf den „leichten Beruf“ sowie „die vielen Gratisproben“.

In den letzten Jahren lässt sich ein neuer Trend auf den Plattformen beobachten: Neben Mode, Sport und Lifestyle, behandeln immer mehr Influencer:innen auch das Thema Psychologie und mentale Gesundheit. In den USA spricht man dabei von „Therapy Influencer“.

Stuttgarter setzt sich für positive Inhalte ein

Der Stuttgarter Dee Jackson betreibt einen solchen Instagram-Kanal. Neben den Fotos, die ihn als Fitness-Model zeigen, teilt er regelmäßig Inhalte über Achtsamkeit und mentale Gesundheit. 181.000 Follower konsumieren seine Inhalte. „Ich will Content produzieren, der positiv ist“, sagt Jackson alias @dee_jaxon, der uns im Studio Backyard in Stuttgart zum Gespräch empfängt. „Die Leute sollen nicht auf meinen Kanal kommen und sich danach schlecht fühlen.“ Vielmehr wolle er einen Mehrwert vermitteln, so der 31-Jährige, dessen Stimme bald auch in einer Meditations-App zu hören sein wird. 

Medienpsychologin Regine Frener begrüßt diese Entwicklung: sie steigere die Akzeptanz gegenüber psychischen Krankheiten. „Auch den Influencer:innen kann es helfen, dass sie sich nicht verstellen müssen und über ihre Probleme sprechen können.“

Auch Naomi de la Penia möchte nicht mehr uneingeschränkt an der scheinbar perfekten Instagram-Welt mitwirken. Kurz nach dem Gespräch mit unserer Zeitung schreibt sie auf ihrem Kanal: „Ich kann das in Zukunft auch nicht mehr so weitermachen. Die letzten zwei bis drei Jahre waren echt nicht normal und ich muss jetzt einfach lernen, eine gewisse Balance für mich zu finden.“

Kleines Influencer ABC

Content

Unter Content versteht man den Inhalt, der online geteilt wird. Also zum Beispiel Bilder, Videos und Texte. Interessanter Content ist entscheidend, um Follower von sich zu überzeugen und sie zu unterhalten.

Follower

Auch wenn die Reichweite beim erfolgreichen Influencer-Marketing nicht in jedem Fall entscheidend ist, sagt die Followerzahl eine Menge über den Erfolg des Influencers aus.

Hashtag

Unter einem Hashtag versteht man ein Wort – oder mehrere – mit einem Rautezeichen voran. Hashtags sind dafür da, innerhalb der sozialen Netzwerke Markierungen zu setzen und darüber miteinander zu kommunizieren. Mit der Angabe eines bestimmten Hashtags kann außerdem Content gefunden werden, der zu einem Thema passt.

Instagram

Die wichtigste und meistgenutzte genutzte Plattform, um Influencer-Marketing zu betreiben, ist Instagram.

Zu unserer Serie: In unserer „Mental Health“ Serie wollen wir mehr Bewusstsein für das Thema mentale Gesundheit schaffen. Viele Betroffene, sei es von Borderline, Burnout oder Depressionen, sind etwa noch immer Vorurteilen ausgesetzt. Welche das sind und wie man mit dem Thema besser umgeht, erfahrt ihr hier >>>

[StZ Archiv: Dieser Text erschien am 20.2.2022.]

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