Der Philologenverband kritisiert die behördliche „Verschleierung“ beim Stundenausfall. Das Kultusministerium in Baden-Württemberg weist den Vorwurf der Statistik-Fälschung vehement zurück.

Stuttgart - Der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, ist für seine klaren Worte bekannt. Jetzt hat er wegen des Unterrichtsausfalls wieder einen Stein ins Wasser geworfen. An die Länder appellierte er, sie sollten „den massiven Stundenausfall aufgrund von Lehrermangel nicht länger statistisch verschleiern“. Meidinger, Rektor in einem Gymnasium im bayerischen Deggendorf, geht davon aus, dass sechs bis sieben Prozent der Stunden in den Schulen de facto nicht erteilt werden; das stehe im krassen Gegensatz zu Angaben von 1,7 Prozent Unterrichtsausfall wie zuletzt in Nordrhein-Westfalen.

 

Auch Baden-Württembergs amtliche Statistik liegt unter dem Wert von Meidingers Schätzungen. Das Kultusministerium in Baden-Württemberg hat den Pauschalvorwurf zurück gewiesen, wonach die Länder die Statistiken zum Unterrichtsausfall „fälschen“ würden. Einmal im Jahr werde eine Stichprobe an 15 Prozent aller Schulen durchgeführt, deren Ergebnisse belastbare Aussagen bringen würden: Seit dem Jahr 2000 liegt der Unterrichtsausfall im Südwesten bei etwa drei Prozent, im vergangenen Jahr lag der Wert bei 3,4 Prozent. Eine Gesamtstatistik auch über kurzfristige Ausfälle sei zu aufwendig. Auch der Forderung der Bildungsgewerkschaft VBE, man möge bundesweit einheitliche Maßstäbe schaffen, wie der Unterrichtsausfall bemessen wird, erteilt das Stuttgarter Ministerium eine Absage: Die wünschenswerte „gute Vergleichbarkeit“ zwischen den 16 Ländern sei wegen unterschiedlicher Voraussetzungen nicht immer möglich.

Philologenchef Meidinger kritisiert ebenfalls das Fehlen von allgemeinen Definitionen und „glasklaren Zahlen“: „Als Vertretung kann ja auch gelten, dass ein Lehrer in der Aula für 150 Schüler die Hausaufgaben beaufsichtigt.“ Der Lehrerfunktionär stellt eine wachsende Unzufriedenheit in der Elternschaft fest: Sie könne oft online sehen, wo Stunden ausfallen und wo Vertretungen eingesetzt werden. „Es ist mehr Transparenz da. Und die lässt an den Statistiken zweifeln.“

Die Landesregierung in Stuttgart hat die Reserve für Vertretungen in den letzten Jahren um 400 Deputate ausgebaut. Trotzdem kommt es gelegentlich zu spektakulären Engpässen wie Mitte März am Leibniz-Gymnasium in Stuttgart, wo wochenlang der Mathe-Unterricht ausfiel. Dort ist die Krise überwunden: „Wir haben jetzt drei Pensionäre an Bord und eine Kollegin kam mit 20 Stunden Mathe aus dem Erziehungsurlaub zurück“, sagt Schulrektor Otto Fischer: „Jetzt bin ich glücklich. Im Moment sind alle versorgt.“ Das strukturelle Problem sei, überhaupt Ersatzbeschaffung an Vertretungslehrern zu bekommen – nicht die Finanzierung. „Uns wird von oben gesagt, wir haben keine Lehrer mehr.“ Fischer plädiert für das Andocken von Vertretungslehrern an Schulen, die Reserve müsse „im System“ sein. Was der Mann von der Basis sagt, das fordert auch der Deutsche Philologenverband: Man brauche „mobile und integrierte Reserven“ von Lehrern, um den Stundenausfall abfedern zu können.