Algenzucht, Mangoketchup und Erdbeergeist: die 13. Triennale Kleinplastik Fellbach beschäftigt sich mit dem Thema Essen. Der Kuratorin Susanne Gaensheimer ist eine tolle Schau gelungen, die Appetit auf zeitgenössische Kunst macht.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Fellbach - Nicht jeder isst, was auf den Tisch kommt. Die Spinnenkrabbe in der Alten Kelter in Fellbach aber verspeist artig, was ihr serviert wird. Emsig säbelt sie mit ihren dürren Scherenarmen das Fleisch aus dem Pfeilschwanzkrebs. Eine herrlich fette Beute. Denn Pierre Huyghe hat ein Herz für Tiere. Bei der letzten Documenta in Kassel machte der französische Künstler Furore, weil er Hunde im Park aussetzte – nach denen die Besucher meist erfolglos Ausschau hielten. Zur Fellbacher Triennale hat Huyghe ein Aquarium beigesteuert mit Spinnenkrabbe, die sich bei allem Appetit aber doch wie so viele Kreaturen längst dem Diktat des Menschen unterordnen muss – in diesem Falle dem Speisenangebot des Künstlers.

 

Das Wasserbassin ist eine der vermeintlichen Kleinplastiken bei der 13. Triennale Kleinplastik Fellbach, die an diesem Wochenende beginnt – und bei der sich die Kuratoren schon lange nicht mehr sklavisch an den Titel halten. Denn was heißt schon klein? Banu Cennetoglu hat in mehreren Ländern selbstgebrannte Schnäpse gesammelt; in der Fellbacher Kelter summieren sich die kleinen Fläschen mit Quittenwasser, Erdbeergeist und Brennnesselschnaps zu einer großen Installation – einer Art Hausapotheke gegen die alltäglichen Wehwehchen.

„Food – Ökologien des Alltags“ nennt sich die diesjährige Triennale, die Susanne Gaensheimer kuratiert hat, eine der derzeit erfolgreichsten Museumsfrauen der Republik. Sie leitet das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt und verantwortete schon zwei Mal auf der Biennale in Venedig den Deutschen Pavillon. In Fellbach hat sich Gaensheimer die Themen Ernährung, Natur und Ökologie vorgenommen. Herausgekommen ist eine Schau, wie man sie sich häufiger wünschen würde: so auf- wie anregend, klug und anspruchsvoll. Vor allem überfrachtet Gaensheimer das Thema nicht mit theoretischem Ballast, sondern setzt souverän auch auf die sinnliche Kraft der Kunst.

Leere Tische mit „Reserviert“-Schildchen

Allein die Kelter selbst: Die Ausstellungsgestalter haben in das Fachwerk ein weißes Stoffzelt gebaut, in dem und um das herum Gaensheimer und ihre Ko-Kuratorin Anna Goetz einen Parcours inszeniert haben, bei dem sich geschickt zugänglichere Arbeiten und radikalere Positionen abwechseln. Hier leere Tische, auf die Mauricio Guillén (gestohlene) Reserviert-Schildchen gestellt hat – und damit eine prägnante Metapher formuliert für jene, die nicht am großen Tisch Platz nehmen dürfen. Dort lapidare Baumfragmente von Rasmus Sondergaard Johannsen, die mit verbrannten Holzabfällen bearbeitet wurden.

Bis auf einige historische Referenzen wie etwa Paul Theks aus Wachs nachgeformten Fleischstücken aus den sechziger Jahren werden in der Alten Kelter internationale Werke jüngster Zeit versammelt, die wie nebenbei vorführen, wie vielfältig die künstlerischen Ausdrucksformen heute sind. Latifa Echakhch hat ein Rohr verlegt und leitet Regenwasser von der Dachrinne der Kelter in eine Teekanne, sie erinnert damit an Dürren und Klimawandel. Der Japaner Shimabuku lässt dagegen Tomaten im Aquarium schwimmen, manche sinken, andere treiben an der Oberfläche. Ein Phänomen, das die Wissenschaft angeblich bis heute nicht erklären kann.

Auf der vorletzten Art Basel konnte man Roman Ondáks kurzweilige Performance bereits erleben, nun lädt der slowakische Performer in Fellbach zum Tauschhandel. Ein gecasteter Darsteller wird einen Gegenstand anpreisen und gegen ein Objekt eines Besuchers tauschen – und wie bei Hans im Glück soll es zu einem bunten Tauschhandelreigen kommen.

Algen-Snacks in Glasvitrinen

Immer wieder taucht das Thema Handel auf, etwa bei Valentin Beck und Adrian Rast, die vorzeitig aussortierte Supermarktprodukte eingemacht haben. Jede Besucherin, jeder Besucher darf eines der zahllosen Gläschen mit Suppengemüse und Mangoketchup, mit Rotkrautchutney oder Zimtapfelmus mitnehmen, unter der Maßgabe, über den Wert von Waren zu sinnieren oder wenigstens ein Scherflein in einen Opferstock zu werfen.

Dan Rees präsentiert Algen-Snacks in Glasvitrinen: konservierten Industriejunk, der jeden Bezug zum Rohstoff verloren hat, obwohl der sogar in der Alten Kelter wächst. In einem geheimnisvoll beleuchteten Wassertank werden Algen gezogen.

So geht es in dieser vielseitig inspirierenden Schau auch immer wieder um Entfremdung und Pervertierung, wobei nicht nur der Mensch, sondern auch das Tier längst nicht mehr im Einklang mit der Natur lebt. Anrührend sind die fragilen, mit Kunststoffteilen gespickten Vogelnester, die Björn Braun in seinem Atelier von Zebrafinken bauen lässt. Dana Sherwood zaubert dagegen aufwendige Bankette für Tiere und filmt mit versteckter Kamera, wie sich Waschbären gierig über ihre schön arrangierten Buffets hermachen oder Rehe sich erst scheu und dann doch kess süße Brötchen aus der Futterkrippe schnappen.