Trigema-Chef Wolfgang Grupp Der König von Burladingen
Sein Maskottchen ist ein Affe, sein Markenzeichen der Maßanzug: Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist so altmodisch, dass es bestechend ist. Nun feiert seine Firma ihr 100-jähriges Bestehen.
Sein Maskottchen ist ein Affe, sein Markenzeichen der Maßanzug: Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist so altmodisch, dass es bestechend ist. Nun feiert seine Firma ihr 100-jähriges Bestehen.
Burladingen - Aus dem Wolkenhimmel schwebt er herab wie der Herrgott persönlich. Es werden Handys gezückt, einem älteren Mann reißt es Regenjacke und Mütze davon. Das rot-weiße Flatterband, mit dem der Parkplatz im Industriegebiet von Allensbach abgesperrt wurde, liegt in Fetzen auf dem Asphalt. Noch drehen sich mit Getöse die Rotorblätter des Firmenhelikopters, da steigt er schon aus. Wolfgang Grupp, Maßanzug mit Einstecktuch, immer den Kamm dabei, ist zur Visite in seinem Outlet am Bodensee. Der 77-Jährige liebt den großen Auftritt, das Drama, er ist direkt vor der Ladentür gelandet, das spare Zeit. „Einen schönen guten Tag“, sagt er lächelnd, den Rücken durchgestreckt, alles an ihm ist drahtig. „Grüß Gott“, wird er zwischen Polohemden, Unterwäsche und Jogginghosen von vier Verkäuferinnen begrüßt, sie sind aufgeregt, das ist ihnen anzusehen, der Wirbel ist ihnen nicht geheuer.
Der Chef des schwäbischen Textilherstellers Trigema nimmt die Dinge gerne selbst in die Hand. Er ist ein Kaufmann alten Schlages, der einem Händedruck mehr vertraut als jedem Vertrag. Sein Familienbetrieb ist vor 100 Jahren gegründet worden und leistet es sich, ausschließlich in Deutschland fertigen zu lassen. Billiglohnländer in Fernost interessieren den Unternehmer nicht, er produziert in seinem Heimatort Burladingen am Rande der Schwäbischen Alb, wo einst mehr als zwei Dutzend Textilunternehmen konkurrierten. Davon ist nur eines geblieben: Trigema. 100 Prozent made in Germany, dafür wirbt Grupp seit Jahrzehnten in legendären Fernsehspots mit dem sprechenden Schimpansen Charly – dem Firmenmaskottchen, das selbst auf dem Hubschrauber prangt.
Grupp beschreibt sein Geschäftsmodell in einfachen Worten: „Eingekauft wird das Garn in Griechenland, den Rest machen wir.“ So sei er unabhängig vom ruinösen Gebaren in der Textilindustrie. Von den rund 100 Millionen Umsatz im Jahr werde die Hälfte in den Outlets erwirtschaftet, da müsse das Geschäft laufen, hat der Trigema-Chef beim Landeanflug auf Allensbach erläutert und die 20 Minuten von Burladingen bis zum Bodensee gezählt. „Wir waren langsamer wegen des Gegenwinds“, hat er fast entschuldigend gesagt.
In der Filiale schaltet Grupp ein Aufnahmegerät an: „Testgeschäft Nummer 42 Allensbach“, spricht er hinein und hört sich die Sorgen seiner Verkäuferinnen an. Was tun, wenn die Kundinnen nach einer Stofftasche fragen, wo es doch nur Plastiktüten gibt? Der aus dem Programm genommene Pagenslip werde immer wieder nachgefragt. Und überhaupt: Es sei zu wenig Unterwäsche geliefert worden in letzter Zeit. Der millionenschwere Unternehmer und Chef von 1200 Beschäftigten will genau wissen, was schiefläuft, näher dran an den Mitarbeiterinnen geht kaum.
Zwischen Büsum und Bodensee sind die 45 sogenannten Testgeschäfte über ganz Deutschland verteilt, arbeiten dürfen dort nur Verkäuferinnen, das ist das Trigema-Prinzip. Er habe einmal einen Mann eingestellt und aus persönlichen Gründen schnell wieder entlassen, erzählt Grupp dem Team in Allensbach. Verkauf und Beratung sei Frauensache, allerdings: Wenn er den Frauen freie Hand lasse, sei morgen die Firma kaputt, scherzt er munter. Weil seine Mitarbeiterinnen nicht wissen, ob er das nicht doch ernst meint, kichern sie höflich und sagen nichts.
Der Kontrollrundgang über die 480 Quadratmeter gerät zur Strafpredigt. Am Eingang liegen in bester Platzierung Fleece-Stirnbänder, während es draußen mehr als 20 Grad hat. Verschenkte Fläche, tadelt Grupp und kann es ebenso wenig fassen, dass T-Shirts mit Aufdrucken wie „I love Oma“ eng nebeneinander an Bügeln hängen. Die müssten gelegt werden, sonst könne doch keiner die Beschriftung sehen, blafft er die Verkäuferinnen an. Ihm passt nicht, dass gläserne Regalfläche nicht genutzt wird, er regt sich darüber auf, dass das kuschelige Nicki-Sortiment an mehreren Stellen im weitläufigen Laden verteilt ist. Längst haben die Frauen aufgehört, sich zu verteidigen; sie haben notiert, was sie ändern sollen.
Die Liste ist lang und die Stimmung am Boden, fast eine Stunde dauert die Tour. Wolfgang Grupp schüttelt Hände zum Abschied, bevor er wieder Richtung Helikopter eilt. Eine Mitarbeiterin hat er übersehen. „Jetzt ist er schon weg“, sagt sie traurig und schaut ihm nach, als wäre ein Popstar da gewesen, „dabei bin ich extra zwei Stunden länger geblieben.“
Auf dem Rückflug wird der Mann, der seine Maßanzüge nach Jahrgang sortiert und jeden Tag mit einem Gebet in seiner Hauskapelle beginnt, ein wenig nostalgisch. Burladingen sei nicht der Nabel der Welt, „aber da bin ich zu Hause“. Geschickter könne man es nicht haben, sagt Grupp. Er zeigt aus dem Helikopter auf sein Anwesen mit Park, über das der Pilot eine Schleife fliegt. Links von der Hauptstraße hinter einer weißen Mauer liegt die Villa mit Reetdach und Swimmingpool, wo Wolfgang Grupp jeden Morgen exakt acht Bahnen zieht. Rechts von der Hauptstraße breitet sich die Firmenzentrale mit der gläsernen Garage für den Helikopter aus. Und neben dem Friedhof hat er ein Familiengrab mit schlichten Steinplatten angelegt, eine trägt bereits sein Geburtsdatum in Goldschrift. „Was will ich mehr?“, fragt Grupp. Auch Investitionen in die Firma sind eine Selbstverständlichkeit – er erzählt, dass er sechs Millionen Euro in eine Bleich- und Waschstraße gesteckt habe. „Der weiße Neubau dort, sehen Sie, das ist der Anbau für die Maschine.“
In Zeiten, wo Modeketten wie H&M oder Primark Kleidung verramschen, hält Trigema selbstbewusst dagegen. „Das ist keine Konkurrenz für mich“, sagt Wolfgang Grupp, „bei uns bekommen die Leute Qualität.“ Der wichtigste Mann im Haus sitzt wieder an seinem Schreibtisch im Großraumbüro, überall stehen Computer, nur bei ihm nicht. Dicke Ordner stapeln sich vor ihm, er muss einiges unterschreiben. Grupp mag Papier und altmodische Telefone; Menschen, die ständig ihr Handy zücken, hält er für wenig erträglich.
Der König von Burladingen, wie er im 12 000-Einwohner-Städtchen liebevoll genannt wird, hat von seinem Bürostuhl aus alles im Blick, so auch das riesige Festzelt, das auf der anderen Straßenseite zum Firmenjubiläum hochgezogen wurde. Grupp hat seiner Belegschaft ein Konzert der Schlagersängerin Helene Fischer geschenkt. „Eine charmante Frau, ich finde sie toll“, kokettiert er, „da kommt ein Weltstar nach Burladingen.“
Immer in Sicht- und Rufweite ist auch die Familie. Trigema ist längst keine One-Man-Show mehr, der Chef teilt die Bühne mit anderen. Schräg gegenüber sitzt seine Frau Elisabeth Grupp, gebürtige österreichische Baronesse von Holleuffer, die er auf der Auerhahnjagd in der Steiermark kennen- und lieben gelernt hat. Als sie heirateten, war sie gerade 22, er 46 – bei der Hochzeit in Burladingen sang Karel Gott, und das Brautpaar fuhr in einer mehrspännigen Kutsche durch den Ort. Romantik wie aus einem Märchen. Heute managt Elisabeth Grupp die Outlets, sie ist allgegenwärtig in der Firma.
Die Sache mit der Nachfolge hat Grupp längst angepackt. An eines seiner beiden Kinder will er die Firma vererben, eine Doppelspitze schließt er aus, das bringe nur Ärger. Wolfgang Grupp junior hat seinen Schreibtisch zur Linken des Vaters.
Der 28-Jährige hat die Haare zurückgegelt, er trägt ein makellos weißes Hemd mit dem Monogramm „W. G.“ auf Bauchhöhe. Der Juniorchef ist für den Verkauf zuständig, er hat an diesem Tag Besuch aus Abu Dhabi: ein neuer Geschäftspartner, der Trigema-Kleidung in die Luxusgeschäfte in den Vereinigten Arabischen Emiraten bringen will. Er ist erstaunt, dass 95 Prozent der Ware in Deutschland umgesetzt wird. „Sie werden die exklusiven Rechte für den Vertrieb in Dubai haben“, verspricht Grupp junior in bestem Englisch und bereitet am Laptop den Vertrag vor. Ab und an dolmetscht er für den Vater, der selbstverständlich an der Stirnseite des Tisches Platz genommen hat.
Auch Bonita Grupp, 30 Jahre alt, hat sich dazugesellt. Die Geschwister führen ein Leben im Doppelpack. Erst gingen sie gemeinsam auf ein englischsprachiges Internat in der Schweiz, dann studierten sie an der London School of Economics Betriebswirtschaftslehre. Beide kennen die Welt und sind zurückgekommen nach Burladingen. Bonita Grupp hat den Online-Handel aufgebaut, sie ist die Frau fürs Personal. „Wir haben knapp 100 000 Follower auf Facebook“, sagt sie stolz und verspricht dem weit gereisten Geschäftspartner uneingeschränkten Zugang zu allen Werbematerialien, um eine eigene Online-Plattform zu schaffen. Ein Vater und seine Kinder – die Runde harmoniert, auch wenn sie manchmal zu dritt auf den Gast einreden. „Wir wollen eine vertrauensvolle Beziehung, wir geben Ihnen unsere Hand darauf“, sagt Grupp junior und klingt ganz wie sein Vater.
Das letzte Wort hat der Patriarch. Er segnet die Laufzeit des Vertrages ab, die Höhe des Händlerrabatts. Selbst die Einladung zum Firmengeburtstag am Samstag ist Chefsache. „Kommen Sie, feiern Sie mit uns“, sagt Wolfgang Grupp euphorisch und hat sie oben liegen auf dem Tisch: die Festrede, die er halten wird vor all den Ehrengästen. „Die Bühne ist vergeben, das Zelt steht“, sagt Grupp und weiß, dass er auf eines keinen Einfluss hat: „Jetzt muss nur noch das Wetter stimmen.“