Der Trockenfrüchtehersteller Seeberger profitiert vom Trend zu gesunder Ernährung. Am Stammsitz in Ulm wird die Belegschaft in den kommenden fünf Jahren stark aufgestockt.

Stuttgart - Ein Trockenfrüchtehersteller trocknet Früchte. Was sonst, mag man denken. Und wer im Ulmer Industriegebiet an der Donau das ausgedehnte Betriebsgelände der Seeberger GmbH sieht, mag sich hinter den hellgrauen Fassaden mit den bunten Paneelen lange Förderbänder vorstellen, auf denen Aprikosen, Weintrauben und Feigen getrocknet werden. Ein Irrtum. „Viele Besucher denken, dass wir das Obst hier trocknen“, sagt Ralph Beranek, einer der beiden Geschäftsführer des Familienunternehmens. Aber es wäre viel zu aufwendig und letztlich der Qualität nicht zuträglich, Ananas, Mango oder Bananen über Tausende von Kilometern zu transportieren und im vergleichsweise kühlen Mitteleuropa zu trocknen.

 

Um die hohen Standards zu halten, die Seeberger an sich und seine Lieferanten anlegt, müssen die Früchte reif geerntet und vor Ort gewaschen, gegebenenfalls geschält und geschnitten und anschließend getrocknet werden. „Feigen trocknen die Obstbauern teilweise direkt unterm Baum“, sagt Beranek. Tomaten werden in Süditalien unter freiem Himmel auf Gestellen getrocknet, die in Ostanatolien geernteten Aprikosen auf langen Planen. Mangos, Pflaumen und Apfelscheiben werden dagegen maschinell getrocknet.

Neue Lieferanten bräuchten drei bis fünf Ernten, bis sie die hohen Anforderungen der Ulmer verlässlich erfüllen könnten, sagt Beranek. Die Lieferanten – vom bäuerlichen Feigenbauern über die Anbaugenossenschaft für Aprikosen bis hin zu großen, schon fast konzernähnlichen Mandelproduzenten – bekämen von Seeberger spezielle Vorgaben zur Anbauweise, zum Einsatz von Spritzmitteln, zur Lagerung der Ware. „Letztlich bezahlen wir für die Selektion der Ernte“, betont Beranek. Seeberger nehme nur Waren ab, die von der Größe, der Farbe und der Beschaffenheit her erstklassig seien. „Manche Lieferanten hängen sich ein Schild an die Tür, um zu zeigen, dass sie für uns arbeiten.“ Das sei sozusagen der Ritterschlag.

Rohstoffe aus 45 Ländern

Seeberger verarbeitet im Jahr etwa 25 000 Tonnen Rohware. Das 1844 als Kolonialwarenladen gegründete Unternehmen bezieht seine Rohstoffe aus fast 45 Ländern: Macadamia-Nüsse stammen aus Australien, die Cranberries aus Kanada, die Kaffeebohnen aus Guatemala. Der allergrößte Teil der Waren wird in sortenreinen Containern verschifft und dann von den Überseehäfen mit der Bahn bis zum Güterbahnhof Dornstadt nördlich von Ulm gebracht. Die letzten 20 Kilometer bis zum Werkstor werden mit dem Lkw bewältigt.

Dort angekommen, werden die Kisten in das im September 2013 fertig gestellte vollautomatische Rohwarenlager einsortiert: unten bei drei bis vier Grad Celsius die Nüsse, oben bei zwölf bis 14 Grad das Obst. Damit nichts schimmelt, werden Temperatur und Luftfeuchtigkeit permanent kontrolliert. Zudem wird die Ware vor der Weiterverarbeitung lebensmittelchemisch untersucht.

Die Kontrollen sind praktisch lückenlos: Bevor eine Charge verarbeitet wird, werden mehrere Dutzend Kilo entnommen. Aus dieser Probe wird anschließend eine homogenisierte Mischung hergestellt. Dann wird eine löffelgroße Portion davon im firmeneigenen Labor untersucht. Seeberger kann präzise nachverfolgen, woher eine Lieferung stammt. Bei Beanstandungen geht die komplette Lieferung zurück. Die Ulmer haben dieses Kontrollsystem schon Anfang der 80er Jahre eingeführt, das erst vor rund zehn Jahren zur Pflicht geworden ist.

Seeberger möchte 150 Mitarbeiter einstellen

Gabelstaplerähnliche Roboter fahren die Kartons zur Weiterverarbeitung auf markierten Wegen in die Produktion. Dort wird die Ware gemischt, etwa zu Studentenfutter, und in luftdicht verschlossene, sauerstofffreie Kunststoffbeutel abgepackt. Der Entzug von Sauerstoff – in der Fachsprache „Schutzatmosphäre“ genannt – macht die empfindlichen Lebensmittel länger haltbar. Studentenfutter sei nach wie vor das beliebteste der gegenwärtig rund 100 Artikel, sagt Co-Geschäftsführer Beranek. Der 49-Jährige leitet das Unternehmen zusammen mit Clemens Keller, dem 42-jährigen Neffen des langjährigen geschäftsführenden Hauptgesellschafters Julius Rohm. Rohm hat sich 2012 aus der Unternehmensführung zurückgezogen.

In den kommenden fünf Jahren will Seeberger 150 neue Mitarbeiter einstellen. Der Großteil werde in Ulm gebraucht. Ausreichend qualifizierte Leute zu finden sei nicht einfach, sagt Beranek. In der Donaustadt herrsche praktisch Vollbeschäftigung. Am Stammsitz arbeiten gegenwärtig rund 400 Frauen und Männer, weitere 100 sind im Außendienst tätig. Die Universitätsstadt werde auch auf lange Sicht der Hauptstandort bleiben, versichert Beranek.

In seinem größten Segment Nüsse und Früchte hat das Traditionsunternehmen nach eigenen Angaben einen Marktanteil von rund 30 Prozent. Aldi und Lidl sind da allerdings nicht mit eingerechnet. Diese Discounter „wollen und können wir nicht beliefern“, sagt Beranek. Etwa ein Viertel der Produktion geht in den Export.

Vom Kaffee über den Automaten bis zum Geschirr

In diesem Jahr wird der Umsatz voraussichtlich auf deutlich über 200 Millionen Euro steigen. 2013 waren es 183 Millionen. Seit 2010, so sagt der Co-Chef, sei Seeberger jährlich zwischen 14 und 15 Prozent gewachsen. Das Segment Trockenfrüchte und Nüsse habe stärker zugelegt als das Geschäft mit Kaffee, das etwa ein Fünftel zum Gesamtumsatz beiträgt. Seeberger bietet Cafés und Bäckereien, aber auch anderen Betrieben wie Fitnessstudios und Autohäusern Paketlösungen an: vom Kaffee über den Automaten bis zum Geschirr. Wachstumstreiber ist die weltweit wachsende Nachfrage nach natürlichen, hochwertigen Lebensmitteln. Eine Rückrufaktion hat das Unternehmen in jüngerer Zeit erst einmal gestartet. Vor fünf Jahren seien Chargen von kanadischem Leinsamen zurückgerufen worden, weil die Saaten gentechnisch „verunreinigt“ waren. Lebensmittelrechtlich sei die Ware aber einwandfrei gewesen, sagt Beranek.

Den exakten Gewinn nennt die Geschäftsführung nicht. „Unser Ziel ist, eine Mindestrendite zu erwirtschaften, damit wir genügend verdienen, um Investitionen zu finanzieren.“ Um so eine Investition wie das neue Rohwarenlager (25 Millionen Euro) zu stemmen, habe Seeberger drei Jahre gebraucht.

Keine Ware aus Zwangsarbeit

Eine Linie mit Bioprodukten hat das Unternehmen wieder eingestellt, weil diese nach den Worten von Beranek keine höhere Akzeptanz bei den Kunden gebracht hätte. Einige Kaffeeprodukte tragen das Fair-Trade-Siegel. Ausweiten will Seeberger die zertifizierten Produkte aber nicht, zumal das Siegel nicht für alle Waren verfügbar sei, sagt der Marketingleiter Joachim Mann. Qualitativ hochwertige Naturprodukte könne nur ein Anbieter verkaufen, der seine Lieferanten angemessen entlohnt. Dies schließe eine faire Bezahlung der Erntehelfer ein.

Seeberger hat sich verpflichtet, keine Ware aus Zwangsarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit zu verkaufen. So müsse beispielsweise gewährleistet sein, dass die Kinder zur Schule gehen können und keine körperlich schwere Arbeit verrichten. Ganz ohne Kinderarbeit, so sagt der Geschäftsführer, gehe es nicht. In armen Ländern müssten die Kinder ihren Eltern, die vielfach als Wanderarbeiter auf verschiedenen Plantagen arbeiten, bei der Ernte helfen. „Sonst hätten wir hier in Europa keine Kaffee-Ernte.“