Das Landratsamt warnt: Sollte es in den nächsten Wochen nicht ergiebig regnen, wird die Lage in den allermeisten Flüssen und Bächen im Rems-Murr-Kreis für Tiere und Pflanzen bedrohlich. Auch ein Badesee droht umzukippen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Der Gewitterregen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag war bisher offenkundig auch buchstäblich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das Waiblinger Landratsamt jedenfalls warnt: „Aufgrund der derzeitigen trockenen Witterung sind die Wasserstände in den Fließgewässern im Rems-Murr-Kreis stark gesunken. Sollte es in den nächsten Wochen nicht lange und ergiebig regnen, wird die Lage in den allermeisten Flüssen und Bächen im Rems-Murr-Kreis in den Sommermonaten für Tiere und Pflanzen bedrohlich.“

 

Warum können Niedrigwasserstände in Fließgewässern eigentlich für die Natur bedrohlich werden?

Niedrigwasserstände können zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führen. Die Strömungsgeschwindigkeit nimmt ab, und die Wassertemperatur erhöht sich. Je wärmer das Wasser, desto geringer ist der lebensnotwendige Sauerstoffgehalt. Weniger Sauerstoff bedeutet mehr Stress für Wassertiere wie Fische und Kleinstlebewesen.

Darf man in so einer Situation Wasser, etwa zum Gießen, aus Flüssen oder Bächen entnehmen?

In geringen Mengen ist der sogenannte Gemeingebrauch erlaubt. Das Landratsamt bittet aktuell aber auf eine Wasserentnahme mit Eimern oder Gießkannen aus Oberflächengewässern zu verzichten. Denn bereits geringe Entnahmemengen könnten die Lebensgrundlage für Tiere und Pflanzen weiter verschlechtern. Die Entnahme mittels einer Pumpe ist ohnehin nur mit einer wasserrechtlichen Genehmigung erlaubt.

Was ist, wenn sich die Situation weiter verschlechtert?

Dann könnte das Landratsamt weitergehende Maßnahmen anordnen und die Wasserentnahme einschränken oder verbieten.

Wie liegen die Pegel der größeren Flüsse im Rems-Murr-Kreis zurzeit?

Der Pegel der Rems am Bauhof in Schorndorf lag laut der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg am Freitag bei gerade einmal 21 Zentimeter. An dieser Stelle wurden schon Werte über der Vier-Meter-Marke gemessen, der Schnitt liegt im Bereich von einem Meter. Die Murr bei Oppenweiler lag am Freitag bei 17 Zentimeter. Auch hier liegt man normalerweise deutlich höher.

Was bedeutet das für die Seen?

Der Wasserverband Kocher-Lein warnt davor, dass einige Seen umkippen könnten, wenn es in den nächsten Tagen nicht entscheidend regnet. Bei regelmäßigen Kontrollgängen habe man festgestellt, dass es „derzeit keine oder nur noch minimale Zuläufe zu den Seen gibt“. Dadurch sei die Durchmischung der Gewässer gehemmt.

Was bedeutet ein „Umkippen“?

Wird der ganze Sauerstoff in einem Gewässer verbraucht, kommt es zum Faulen, wobei giftige Gase frei werden, die einen See zu einem toten Gewässer machen, in dem zum Schluss nichts mehr leben kann. Das Umkippen eines Gewässers bedeutet nicht nur drastische Auswirkungen auf die Lebewesen im Wasser, sondern auch eine eingeschränkte Nutzbarkeit durch den Menschen.

Sind auch Seen im Rems-Murr-Kreis betroffen?

Ja, insbesondere der Aichstruter Stausee bei Welzheim ist laut dem Wasserverband gefährdet. Dort sei überhaupt kein Zulauf mehr festgestellt worden. Der Verband hat alle Fischereivereine und Gemeinden über die Lage informiert.

Wie reagiert die Stadt Welzheim?

Die Stadt setzt eigenen Angaben zufolge derzeit zwei Maßnahmen um: Das Wasser werde täglich beprobt und auf Temperatur, Sauerstoffgehalt, Nitrate und anderes ausgewertet. Aktuell, so die Stadt, sei „eine unmittelbare Gefahr für Mensch und Tier noch nicht gegeben“. Sollten sich die Werte ändern, komme kurzfristig der Eintrag von Sauerstoff in den See in Betracht, hierfür stünden verschiedene technische Möglichkeiten mit Pumpen zur Verfügung. Welche Umwälzleistung dadurch erreicht werden könne und ob die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten angesichts der Wassermenge im See insgesamt tatsächlich einen Beitrag zur Rettung der tierischen Lebewesen leisten könnten, werde zusammen mit Fischereiverein, Fachbehörden und Feuerwehr aktuell geprüft.