Tücken einer besonderen Krankheit „Borreliose wird unterschätzt“
Astrid Breinlinger, die Vorsitzende des FSME- und Borreliose-Bunds, sieht große Defizite bei der Erkennung und Behandlung der Erkrankung. Im Interview stellte sie konkrete Forderungen.
Astrid Breinlinger, die Vorsitzende des FSME- und Borreliose-Bunds, sieht große Defizite bei der Erkennung und Behandlung der Erkrankung. Im Interview stellte sie konkrete Forderungen.
Rems-Murr-Kreis - Das Robert-Koch-Institut und die Ärzteschaft vernachlässigten die Borreliose, sagt Astrid Breinlinger, die Vorsitzende des FSME- und Borreliose-Bunds. Für Betroffene sei dies eine Katastrophe. Forschungen seien dringend notwendig, ist darum ihre Forderung.
Frau Breinlinger, was ist gefährlicher: FSME oder Borreliose?
Es kann beides gefährlich sein. Die gemeldeten FSME-Fälle sind wahrscheinlich längst nicht alle, da manche unter Grippe laufen, ebenso wie oft Borreliose. Im Jahr gibt es vielleicht einen Todesfall wegen FSME. Vergangenes Jahr wurden in ganz Deutschland 748 Fälle gemeldet. Bei der Borreliose waren es 14 103 Fälle in nur neun Bundesländern. Davon werden viele rechtzeitig erkannt und behandelt, aber rund zehn Prozent eben nicht.
Warum ist das so?
Nicht bei allen zeigt sich anfangs die typische sogenannte Wanderröte. Es gibt verschiedenste Symptome. Viele Betroffene laufen jahrelang zu Fachärzten, bekommen vielfältige Diagnosen von Rheuma bis Multiple Sklerose. Borreliose nimmt einem nicht das Leben, aber sie macht es kaputt. Je länger das dauert, umso tiefer gräbt sich die Borreliose ein. FSME kann man nicht behandeln. Das macht sie so gefährlich. Borreliose könnte man behandeln, wenn man sie rechtzeitig entdeckt.
Wenn es um durch Zecken übertragene Krankheiten geht, ist meist von FSME die Rede, nicht von Borreliose. Warum?
Gegen FSME kann man impfen, und das wird stark propagiert. Impfstoffhersteller machen damit ja ihr Geschäft. Borreliose dagegen ist unangenehm für Ärzte, wenn Patienten auch nach Jahren nicht gesund werden, weil sie nicht die richtige Diagnose bekommen. Obwohl Borreliose von den Zahlen her häufiger vorkommt, wird sie vernachlässigt.
Was muss sich ändern?
Wir haben an das Robert-Koch-Institut die dringende Bitte, endlich Forschungen aufzunehmen. Für FSME läuft seit 2018 ein Forschungsprojekt, bei Borreliose sind Deutschland und die Europäische Union weit abgeschlagen. Ein weiteres Thema ist die Behandlung. Bei Ärzten hat man ganz schlechte Karten, wenn man nach einer ersten Antibiotikabehandlung später wieder Symptome hat. Die ärztlichen Leitlinien erlauben dann nur noch eine symptomatische Behandlung.