Erstmals kommen Zahlen zur Behandlungsqualität von jeder einzelnen deutschen Klinik auf den Tisch. Sieben von 73 auffälligen Häusern finden sich im Südwesten. Welche Qualitätsansprüche erfüllen sie nicht?

Stuttgart - Wie gut ist die Qualität der Behandlung in deutschen Krankenhäusern? Die Bundespolitik wollte das transparenter machen – und nun wurden erstmals entsprechende Zahlen veröffentlicht. Das Ergebnis: 73 Kliniken bundesweit halten einen oder mehrere Qualitätsindikatoren nicht ein. Darunter sind auch sieben Kliniken in Baden-Württemberg. Was Patienten nun wissen müssen:

 

Wer misst die Qualität von Krankenhäusern – und zu welchem Zweck?

Hinter den Bemühungen, die Qualität der Behandlung von Patienten in Krankenhäusern zu bewerten, steckt die Bundespolitik. Sie möchte herausfinden, ob wirklich alle Kliniken das viele Geld wert sind, das sie erhalten. Längst schon müssen die noch knapp 2000 deutschen Kliniken Qualitätsberichte veröffentlichen, die allerdings für Laien völlig unverständlich sind und auch keine direkten Vergleiche zwischen einzelnen Häusern ermöglichen. Die Vorgängerin der aktuellen großen Koalition hatte deshalb eine Verschärfung durchgesetzt, die in diesem Herbst erstmals greift. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als höchstes Beschlussgremium veröffentliche vor wenigen Tagen Zahlen zu elf Qualitätsindikatoren aus den Bereichen gynäkologische OPs, Geburtshilfe und Mammachirurgie (Chirurgie der weiblichen Brust) für mehr als 1000 Kliniken. Das Portal „Spiegel Online“ berichtete zuerst darüber.

Wie schneiden die Häuser im Südwesten ab?

Der G-BA listet 73 Kliniken bundesweit auf, die einen oder mehrere Qualitätsindikatoren nicht einhalten. Nur sieben der Häuser befinden sich nach einer ersten Sichtung der umfangreichen Datensätze in Baden-Württemberg – das ist grundsätzlich eine gute Nachricht für die Patienten im Land. Das sind die betroffenen Kliniken: Krankenhaus Brackenheim bei Heilbronn, Kreiskrankenhaus Langenau bei Ulm (auffällig bei gynäkologischen OPs); Krankenhaus Herrenberg (auffällig bei Geburtshilfe); Uniklinik Freiburg, Krankenhaus St. Hedwig Mannheim, Uniklinik Mannheim, Diakonissen-Krankenhaus Mannheim (auffällig bei Brustchirurgie).

Was genau bedeutet es, wenn Kliniken Qualitätsindikatoren nicht einhalten?

Nehmen wir zum Beispiel die Uniklinik Freiburg. Sie fällt auf, weil sie eine bestimmte Untersuchung von Brustgewebe bei Verdacht auf Krebs während der Operation vergleichsweise sehr selten durchführt. Es handelt sich um die sogenannte Präparatradiografie bei sonografischer Drahtmarkierung. Bei insgesamt 159 gezählten Eingriffen an weiblichen Brüsten wurde diese Methode nur 12 mal angewandt. Aus demselben Grund fallen auch St. Hedwig, Diakonissen und Uniklinik in Mannheim auf, die Quote in St. Hedwig etwa beträgt zehn zu fünf. Bei den meisten Kliniken dagegen wird die Präparatradiografie so gut wie immer eingesetzt, weil sie heute als medizinischer Standard gilt. Ganz wichtig: Kommt die Methode nicht zum Einsatz, bedeutet das noch nicht, dass Patientinnen zu Schaden kommen. Unabhängig davon werden die Kliniken vom zuständigen IQTIG-Institut kontaktiert und müssen Stellung beziehen.

Womit fällt das Kreiskrankenhaus Langenau auf?

Die kleine Klinik in der Nähe von Ulm ist den Qualitätssicherern aufgefallen, weil es bei gynäkologischen OPs, die mit Hilfe von Laparoskopen durchgeführt werden, vergleichsweise zu viele Organverletzungen gab. Um genau zu sein: Es gab eine Organverletzung. Da aber nur insgesamt sechs solcher Eingriffe durchgeführt wurden, wiegt eine Verletzung schwer. Laparoskope sind lange und dünne Stangen, die der Operateur durch kleine Schnitte in der Bauchdecke einführt und von außerhalb des Körpers bedient. An ihrem Ende befinden sich Lampen und OP-Werkzeuge. Wenn alles gut läuft, kommen Patienten durch das minimalinvasive Verfahren schnell wieder auf die Beine. Zum Vergleich: Das Klinikum Friedrichshafen führte 149 dieser Eingriffe durch – alle verliefen komplikationslos.

Was gibt es in Herrenberg zu beanstanden?

Das kleine Haus im Gäu wurde aktenkundig, weil dort bei der einzigen im Jahr 2017 gezählten Frühgeburt kein Kinderarzt anwesend war. Dass Geburtskliniken die entsprechende Fachkompetenz vorhalten, gilt als medizinischer Standard.

Welche Lehren zieht das Land Baden-Württemberg aus den Qualitätsindikatoren?

Die Antwort fällt kurz aus: keine. Als unsere Zeitung im vergangenen Jahr über die anstehende Auswertung der Qualitätsdaten für die Kliniken berichtete, erklärte das Sozialministerium in Stuttgart, die vom Bund definierten Qualitätsvorgaben könnten dazu führen, „dass einzelne Fachabteilungen, die für die Gesundheitsversorgung relevant sind, geschlossen werden müssen“. Das sei „deshalb kritisch, da sowohl die Relevanz und Rechtssicherheit der angewendeten Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung als auch das Verfahren bislang sehr umstritten und nicht geklärt sind“. Das Ministerium könne „Experimente im Bereich der stationären Versorgung der Bevölkerung nicht verantworten“. Man werde daher „über die Aufnahme von weiteren Qualitätskriterien in den Landeskrankenhausplan in Abstimmung mit dem Landeskrankenhausschuss eigenständig entscheiden“. Mit anderen Worten: Das Land will selbst entscheiden, welches Haus es wegen Qualitätsmängeln vom Netz nimmt. Es verlässt sich auf landeseigene Qualitätssicherung durch die Geschäftsstelle Qualitätssicherung in Krankenhaus (GQiK) in Stuttgart. Deren Zahlen bleiben allerdings unter Verschluss.