Der 21-jährige Yasir Al-Dulaimi aus dem Irak hilft als Gastturner beim TSV Schmiden aus. Al-Dulaimi will sich bei seinem Gastverein so gut wie möglich präsentieren.

Schmiden - Im Irak ist, wie auch in Deutschland, Fußball die Sportart Nummer eins. „Turnen steht ganz weit unten in der Gunst, noch viel tiefer als hier“, sagt Yasir Al-Dulaimi. Der 21-Jährige aus Bagdad hat sich von der mangelnden Akzeptanz nicht beeindrucken lassen und ist dennoch Turner geworden, ein ziemlich guter zudem. Am vergangenen Wochenende hatte er mit schwierigen und sauber geturnten Übungen dem Verbandsliga-Team des TSV Schmiden zu einem Unentschieden gegen den SSV Ulm 1846 II verholfen. Auch am Samstag, 15 Uhr, wenn die Mannschaft um den Trainer Michael Jackl auswärts beim haushohen Favoriten MTV Ludwigsburg II antritt, wird der Gastturner aus dem Irak noch einmal an die Geräte gehen, wenn auch vermutlich gegen den Tabellenzweiten mit deutlich weniger Auswirkung als zuletzt im Duell mit den Vertretern aus der Stadt an der Donau mit dem Münster.

 

Yasir Al-Dulaimi mischt sich ohne viel Aufhebens unter die trainierenden Teamgefährten auf Zeit

In der Bewegungslandschaft im ersten Stock der Schulturnhalle in Schmiden herrscht Hochbetrieb. Die Mehrzahl aus dem Verbandsliga-Team ist an diesem Abend da. Chris Hüls läuft sich im schmalen Gang warm, Robin Griesheimer wärmt sich mit Klappmesserübungen auf, während Philip Buchner und Etienne Mang bereits an Reck beziehungsweise Barren ihre Elemente üben. Yasir Al-Dulaimi mischt sich ohne viel Aufhebens unter die trainierenden Teamgefährten auf Zeit.

Yasir Al-Dulaimi kommt aus einer für irakische Verhältnisse ziemlich untypischen Familie. Sein Vater Amer hat als Turntrainer gearbeitet, seine Mutter Iman unterrichtet Turnen an einer Schule. Sein älterer Bruder Ahmed lebt in Wales, wo er als Trainer arbeitet und auch noch turnt. 2018 war der 31-Jährige Zweiter im Mehrkampf bei den britischen Turn-Meisterschaften in seiner Altersklasse. Auch Cousin Ali Al-Tameemi hat es weit gebracht: Er war beim Weltcup in Doha 2012 Siebter im Finale im Sprung. „Ich war mit eineinhalb Jahren das erste Mal in der Turnhalle, ich bin quasi zwischen Geräten und Matten aufgewachsen“, sagt Yasir Al-Dulaimi.

Derzeit liegt sein Fokus allerdings nicht auf turnerischen Glanzleistungen, sondern auf dem College-Abschluss

Dass er das in der Familie liegende Turn-Gen samt Talent geerbt hat, hat der 21-Jährige schon auf internationaler Ebene bewiesen. 2017 wurde er 29. am Barren beim World Challenge Cup in Baku. Ein Jahr später startete Yasir Al-Dulaimi für sein Land an drei Geräten – Pferd, Barren und Reck – bei den 48. Turn-Weltmeisterschaften im Aspire Dome von Doha in Katar. Sein bestes Ergebnis unter den weltbesten Turnern war ein 160. Platz in der Qualifikation am Pferd.

Derzeit liegt sein Fokus allerdings nicht auf turnerischen Glanzleistungen, sondern auf dem College-Abschluss. „Im Sommer habe ich Prüfungen, danach will ich studieren. Entweder etwas mit Kunst und Film oder was mit Sport“, sagt der vielseitige und ehrgeizige Turner. Egal, für welchen Studiengang sich Yasir Al-Dulaimi am Ende entscheiden wird, für ihn steht fest, dass er keine Hochschule in seinem Heimatland besuchen wird. „Ich will in Großbritannien oder in Deutschland studieren, und wenn hier, dann natürlich in Stuttgart.“

Umso mehr würde es den Trainer freuen, wenn Yasir Al-Dulaimi tatsächlich nach Stuttgart zurückkehren würde

Yasir Al-Dulaimi will sich bei seinem Gastverein so gut wie möglich präsentieren: „Denn gute Noten gibt es nur für gute Leistung.“ Bei seinem ersten Wettkampf für den TSV Schmiden ist ihm das gelungen. Am letzten Gerät, dem Reck, holte der junge Iraker mit seiner Übung den Rückstand gegen den SSV Ulm II auf und sicherte seinem Team ein Unentschieden. Am kommenden Samstag, beim MTV Ludwigsburg II, wird allerdings auch sein Bestes die Niederlage kaum verhindern können. „Eigentlich ist er gegen den MTV Ludwigsburg II verschenkt, denn wir haben ohnehin keine Chance“, sagt Michael Jackl.

Umso mehr würde es den Trainer freuen, wenn Yasir Al-Dulaimi tatsächlich nach Stuttgart zurückkehren würde. Für ein Studium und für mehr Einsätze im Team aus Schmiden. „Falls ich hier studiere, turne ich für den TSV“, sagt Yasir Al-Dulaimi. So wie jetzt. Aus Dankbarkeit dafür, dass Detlef Schaak, der frühere Leiter der TSV-Turntalentschule, die Verbindung ins Schwabenland hergestellt hat. Und den Trainerschein möchte er nebenbei auch noch machen. Schon der Familientradition zuliebe. Erst aber will er in Ludwigsburg noch einmal alles geben. Anschließend steht ein Kurztrip nach Paris auf dem Programm, zusammen mit seinem Bruder Ahmed. Dann wird Yasir Al-Dulaimi – bis auf Weiteres – zurück nach Bagdad fliegen.