Der TV-Streit der drei Spitzenkandidaten der kleinen Bundestagsparteien entgleitet den Moderatoren. Jürgen Trittin (Grüne) nennt Rainer Brüderle (FDP) einen Lügner – und stellt so klar, dass die beiden wohl nicht in eine gemeinsame Koalition passen.

Berlin - Düster war die Szenerie im ausgedienten Kraftwerk in Berlin-Mitte: kahle Betongerippe, in bläulich-violett-grünes Licht getaucht. Ausgerechnet in dieser kühlen Atmosphäre sollten die drei Spitzenkandidaten der kleinen Bundestagsparteien, Jürgen Trittin (Grüne), Rainer Brüderle (FDP) und Gregor Gysi (Linke) die Herzen der Wähler erwärmen. Eine Stunde hatten sie Zeit, auf die Fragen von Sigmund Gottlieb und Jörg Schönenborn zu antworten. Munter ging es zur Sache, aber das ging nur wenige Minuten gut.

 

Schon beim ersten Thema Mindestlohn gerieten die Kontrahenten aneinander, wobei Trittin und Gysi den in der Mitte stehenden Brüderle in die Mangel nahmen, der sich beherzt wehrte und nicht zum letzten Mal das Gespenst der Planwirtschaft an die Wand malte. Der FDP-Mann wollte stattdessen erzählen, dass es den Menschen doch gut gehe, dass man die Erfolge der Regierung doch nicht schlecht reden solle. Da war er ganz bei Kanzlerin Merkel, die am Abend zuvor ebenfalls darum gebeten hatte, doch nicht alles schwarz zu malen. Erwartungsgemäß sahen das Trittin und Gysi völlig anders. Die Lage der Wirtschaft sei zwar gut, aber viele Menschen würden in prekärer, schlecht bezahlter Beschäftigung ihr Leben fristen. Daher, so Gysi und Trittin, werde ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn zwingend gebraucht. Brüderle wollte von einem politisch definierten Lohn nichts wissen – worauf Trittin konterte, dass es diesen ja schon gebe, weil Niedriglöhne bis auf die Höhe des Existenzminimums mit staatlichem Geld aufgestockt werden müssten.

Waren beim Mindestlohn die Positionen noch recht klar zu erkennen, so dürfte der weitere Verlauf der Debatte die meisten Menschen an den Bildschirmen dann phasenweise eher ratlos zurückgelassen haben. Gottlieb und Schönenborn entglitt ein ums andere Mal die Moderation. Gysi blickte oftmals traurig in die Runde, weil er sich mal falsch verstanden, mal falsch zitiert fühlte. Brüderle drosch wahlweise mit der rechten Handkante oder Faust auf die Saalluft ein und versuchte sein Glück, indem er, wann immer es ihm passend schien, seine schon etwas verstaubten Wahlkampfbestseller feil bot – etwa die Leselampe, mit der die Oma angeblich die von den Grünen hofierten Solarbonzen finanziere. Trittin wiederum konterte meist mit jenem Gesichtsausdruck, den selbst die eigenen Leute mitunter als unangenehm arrogant empfinden, weil er damit versuche, seine Kontrahenten der Lächerlichkeit preiszugeben.

Freunde werden die drei nicht mehr

Es entwickelte sich eine wilde Schlacht der Zahlen und Fachbegriffe, die von den Moderatoren trotz anders lautender Absprachen nicht mehr unterbunden werden konnte. Schnell wurde klar, dass es Brüderle, so wie die gesamte FDP, vor allem auf die Grünen abgesehen hat. Hart ging er mit den Steuererhöhungsplänen von Rot-Grün ins Gericht, die nach Angaben von Trittin lediglich fünf bis sieben Prozent der Menschen beträfen. Brüderle hielt dem entgegen, die Grünen wollten „keine Steuer für Millionäre, sondern eine Steuer für Millionen“. Hin und wieder fragte Gysi bei den Moderatoren, ob er denn auch eine Frage stellen dürfe, weil er in der Tat etwas zu verkümmern drohte angesichts der verbalen, oft kaum noch zu verstehenden Raufereien, die sich Brüderle und Trittin lieferten. Als Brüderle mit dem Bäckermeister kam, der auf seinen Laden angeblich laut Grünen-Plänen Vermögenssteuer zu zahlen habe, reichte es Trittin. „Sie lügen“, sagte er. Weil Schönenborn meinte, dass sich das im öffentlich-rechtlichen TV nicht geziemt, sagte der Moderator, dass Trittin das mit der Lüge wohl nicht so meinte. Worauf dieser sagte: „Nee, ist so gemeint.“ Immerhin wurde so klar, dass eine Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen wohl tatsächlich nicht drin ist.

Nach Koalitionen wurden die Herren am Ende dann auch noch gefragt. Warum Schwarz-Grün ausgeschlossen sei? Weil laut Trittin die Union in fast allen Themenbereichen das Gegenteil wolle. Und Rot-Rot-Grün? „Die Gespräche scheitern doch nicht an uns“, sagte Gysi, um gleich darauf Forderungen aufzustellen, die einen Pakt mit der SPD so gut wie ausschließen. Was Brüderle nicht davon abhielt, vor Rot-Rot-Grün zu warnen: mit Trittin als Finanz-, Gysi als Außenminister und Sigmar Gabriel als Kanzler. Zumindest eines war den Wählern also nach diesem Abend klar: Freunde werden die drei nicht mehr.