Vier entflohene Sträflinge suchen einen beschaulichen Ostseeort heim bei Hinnerk Schönemanns Regiedebüt in der ARD-Filmreihe „Nord bei Nordwest: Auf der Flucht“.

Im Kern ähneln sich die Geschichten des Erfolgsautors Holger Karsten Schmidt in seinen Krimireihen „Nord bei Nordwest“ und „Harter Brocken“ (beide ARD): Das Leben im (fiktiven) Ostseeort Schwanitz und im Harz könnte so beschaulich sein, wenn nicht der verbrecherische Rest der Welt in die Idylle einbrechen würde.

 

Im Auftakt zur neuen „Nord bei Nordwest“-Trilogie entkommen vier Häftlinge beim Transport nahe Schwanitz und wollen mit der Fähre gen Skandinavien entfleuchen. Als sie sich im Forsthaus mit neutraler Kleidung eindecken, werden sie vom Förster überrascht. Es kommt zum Schusswechsel, ärztliche Versorgung ist vonnöten. In der Tierarztpraxis des früheren LKA-Kommissars Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann), der halbtags mit Hannah Wagner (Jana Klinge) auch den örtlichen Polizeiposten betreibt, nehmen die Ganoven die Praxiskollegin Jule Christiansen (Marleen Lohse) und die Praktikantin Lea (Carolin Garnier) als Geiseln. Hauke hegt schon länger Gefühle für Jule, und Lea ist Hannahs Nichte – nicht nur deshalb entwickelt sich der Film im letzten Akt zum fesselnden Thriller.

Schönermann überlässt die Bühne oft anderen

„Auf der Flucht“ ist Schönemanns erste Regiearbeit. Seine Inszenierung fügt sich nahtlos ins Gesamtbild der Reihe, deren Episoden meist harmlos beginnen, ehe es um Leben und Tod geht. Das Ensemble ist ausgezeichnet, und damit nicht der Eindruck entsteht, der Regisseur Schönemann habe den Hauptdarsteller nicht in den Griff bekommen, hat er sich selbst stark zurückgenommen. Die Bühne überlässt er unter anderen Cem Ali Gültekin als Mehmet Ösker. Der hat seine Berufung als „Speerspitze der Demokratie“ und imitiert als einziger Mitarbeiter des „Schwanitzer Tageblatts“einen rasenden Reporter wie aus einem Filmklassiker.

Frischen Wind bringt Carolin Garnier, die in der ARD-Filmreihe „Zimmer mit Stall“ regelmäßig Glanzpunkte setzt; leider bleibt Leas Mitwirkung in dieser Trilogie ein einmaliges Gastspiel. Das zentrale Trio ist ein eingespieltes Team, das sich vor der Kamera längst ohne Worte versteht. Jule gibt codierte Hinweise, die Behörden haben den fehlenden Gefangenentransport bemerkt und weisen Jacobs und Wagner an, aufs Einsatzkommando zu warten – doch die Zeit läuft ab.

Der charmante Roman Knizka ist ein ausgezeichneter Schurkendarsteller

Schmidt streut auch hier wieder Hollywood-Anspielungen ein. Der Wortführer der Viererbande ist ein Mörder, dessen Skrupellosigkeit Roman Knizka hinter einer charmanten Fassade verbirgt – der Schauspieler hat in vielen romantischen Komödien mitgewirkt, was ihn zum ausgezeichneten Schurkendarsteller macht. Am Ende geht es nicht nur um Freiheit, sondern auch um viel Geld, das spannende Finale endet überraschend. Das Regieführen hat Schönemann offenbar Spaß gemacht; demnächst wird er eine weitere Episode inszenieren.

Nord bei Nordwest: Auf der Flucht: 5.1., ARD, 20.15 Uhr