Die spektakuläre TV-Doku „24 h D-Day“ rekonstruiert mit restaurierten und kolorierten Originalaufnahmen die Erstürmung der Normandie im Juni 1944 durch die Alliierten. Die ARD zeigt die Doku des Spiegel-TV-Filmers Michael Kloft am Montag zur Primetime.

Der Weltkrieg in Farbe: Das klingt effekthascherisch. Natürlich geht es auch darum, die Aufmerksamkeit eines jungen Publikums zu wecken, aber schon allein der Name des Autors genügt, um etwaige Zweifel zu beseitigen: Michael Kloft, Leiter der Abteilung „History“ bei Spiegel TV, ist einer der erfahrensten Dokumentarfilmer hierzulande. Seine Arbeiten, die sich größtenteils mit der Zeit des Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen, wurden mehrfach ausgezeichnet und waren unter anderem für den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Trotzdem ist „24 h D-Day“ selbst innerhalb von Klofts umfangreichem Gesamtwerk ein besonderer Film, und das keineswegs nur wegen der aufwendigen Kolorierung.

 

Ungewöhnlich: Auf einen Kommentar wird verzichtet

Die 45-minütige Dokumentation schildert die „Operation Overlord“, die Landung westalliierter Truppen aus Nordamerika und Großbritannien auf einem siebzig Kilometer breiten Küstenstreifen in der Normandie am 6. Juni 1944. Ungewöhnlich ist dabei der völlige Verzicht auf einen Kommentar. Gelegentlich eingeblendete Schrifttafeln sorgen für Hintergrundinformationen, aber davon abgesehen lebt der Film neben den Bildern vor allem von den Augenzeugenberichten der beteiligten Soldaten.

Ein weiterer Unterschied zu vergleichbaren Produktionen: Normalerweise kommen Rückblicke dieser Art nie ohne Historiker aus. Hier jedoch tritt niemand auf, um die Zusammenhänge zu erläutern oder die verlustreiche Eroberung der Strände ins allgemeine Kriegsgeschehen einzubetten. Zwischendurch illustrieren Kriegskarten die Pläne der Alliierten, doch ansonsten konzentriert sich der Film darauf, diesen Tag so authentisch wie möglich zu rekonstruieren, und zwar aus Sicht jener, die ihn erlebt und überlebt haben. Im Wechsel schildern amerikanische, kanadische und deutsche Soldaten, allesamt junge Burschen Anfang bis Mitte zwanzig, ihre jeweilige Sicht der Ereignisse.

Bilder haben Spielfilmqualität

Die Deutschen hatten genug damit zu tun, den Feind aufzuhalten und ums eigene Überleben zu kämpfen, aber die Alliierten wurden von Kameraleuten begleitet. Dieses schwarz-weiße Originalmaterial ist mit großem Aufwand hochauflösend abgetastet und Einstellung für Einstellung in Handarbeit koloriert worden. Natürlich ist den Bildern ihr Alter anzusehen, aber das Ergebnis hat dennoch gerade auch wegen der Tiefenschärfe Spielfilmqualität.

Die Aussagen der Männer sind freilich nicht aktuell; es dürfte kaum noch lebende Zeitzeugen geben. Die ausschließlich aus dem Off eingespielten Interviewausschnitte stammen aus deutschen und nordamerikanischen Archiven.

Der Spiegel-TV-Autor Kloft hat einen ganz persönlichen Bezug zu den Ereignissen: Auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Orglandes liegt auch sein Onkel. Als er das Grab das erste Mal mit seinen Eltern besucht hat, war er neun Jahre alt. Seither war er oft in der Gegend; unter anderem, weil er drei große TV-Dokumentationen über den „D-Day“ gedreht hat.

Erschütternde Schilderungen der Überlebenden

Im Rückblick wurde dieser Tag zum Auftakt der Befreiung Westeuropas. Kein Wunder, dass die Invasion auch zum Kinostoff geworden ist („Der Soldat James Ryan“ von Steven Spielberg, 1998). Der Titel eines der teuersten Kriegsfilme überhaupt, „Der längste Tag“ (1962), bezieht sich auf ein Zitat von Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der die Invasion mit dem sogenannten Atlantikwall verhindern sollte. Er prophezeite, dass die ersten 24 Stunden entscheidend sein würden: „Für die Alliierten und für Deutschland wird es der längste Tag sein.“

Für viele Amerikaner und Briten wurde es vor allem der letzte Tag. Die Schilderungen der Überlebenden, wie ihre Kameraden bei diesem Himmelfahrtskommando rechts und links vom MG-Kreuzfeuer niedergemäht wurden, sind erschütternd. Den Deutschen wiederum war klar, dass ihre Niederlage der Anfang vom Ende war. Eine Kapitulation hätte Hunderttausende Leben gerettet, aber der Todeskampf des „Deutschen Reichs“ sollte noch weitere elf Monate dauern.

24 h D-Day: Montag, 20.15 Uhr, ARD