Sebastian Fitzek hat nach einer Seereise den Roman „Passagier 23“ geschrieben. RTL hat ihn verfilmt: Wie im echten Leben verschwinden Menschen von Bord eines Kreuzfahrtschiffes.

Stuttgart - Eine Seefahrt, nein – die war nur einst ab und an mal lustig. Im heutigen Massentourismus jedoch, der statt einer kleinen Schar Millionäre längst Millionen gewöhnlicher Menschen über die Weltmeere schippert, ist der kollektive Spaß zum Brennstoff einer Milliardenindustrie geworden. Auch auf der Sirius schwelgt der Mittelstand daher auf dem Seeweg von Barcelona nach Neapel in feuchtfröhlicher Dekadenz – gut 2000 Gäste an Bord, versorgt von 700 Bediensteten. Sonne, saufen, all inclusive. Eine Kreuzfahrt wie jede andere.

 

So erscheint es wenigstens, als die RTL-Drohne über bestens gelaunte Sonnendeckbesucher fliegt. Unter Deck des Ozeanriesen allerdings lauert das Böse. So ist das immer, wenn Sebastian Fitzek die Abgründe der Mehrheitsgesellschaft in Bestseller verwandelt. So ist es auch in der Adaption seines Romans „Passagier 23“.

Jedes Jahr verschwinden Passagiere

Der Titel bezieht sich auf den realen Code für einen maritimen Schwund. Jahr für Jahr verschwinden durchschnittlich 20 Gäste von Kreuzfahrtschiffen – angeblich bei Weitem nicht alle freiwillig. Im Anschluss an den Thriller (20.15 Uhr) läuft auf RTL am Donnerstag ab 22.50 Uhr die Doku „Traumreise ohne Wiederkehr“, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt.

Als er drei Jahre nach einer eigenen Atlantikpassage davon gelesen hatte, machte Deutschlands erfolgreichster Hochspannungsfabrikant aus der mysteriösen Statistik ein Buch von gewohnt fesselnder Komplexität. Und kaum neun Monate nachdem Sat 1 mit der Verfilmung vom „Joshua-Profil“ quotenmäßig baden ging, lässt RTL die „Passagier 23“-Verfilmung in Miriam Reichels Drehbuchfassung zu Wasser. Unter der Regie von Alexander Dierbach wird der dicht verwobene Psychothriller zwar auf zwei Stunden Sendezeit entflochten, im Kern aber bleibt die Handlung erhalten.

Ein Kind verschwindet

Eben noch war der toughe Undercover-Cop Martin Schwartz (Lucas Gregorowicz) am Brennpunkt der Kinderprostitution im Einsatz, da erfährt er von Judy Winter als detektivisch tätiger Sachbuchautorin, dass ein Kind samt Mutter vermisst wird. Ausgerechnet an Bord der Sirius, wo Martins Frau und Sohn fünf Jahre zuvor dasselbe Schicksal unter demselben Kapitän (Oliver Mommsen) widerfahren war.

Als das Mädchen mit dem Teddy von Martins Sohn wieder auftaucht, macht sich der innerlich zerrüttete, äußerlich coole Polizist auf die Jagd nach den Dämonen seiner Vergangenheit. Er taucht gemeinsam mit der Bordärztin Elena Beck (Picco von Groote) immer tiefer ins Gedärm eines Kreuzfahrtschiffs, an dessen Grund ein zivilisationsmüder Menschenfänger Gott spielt.

Lauter hübsche Frauen

Anders als man es RTL zutraut, ist das Ergebnis gelungen, trotz einiger Klischees der Spannungsfilme. Unterm chronisch unbehaglichen Geigenteppich wurden sämtliche Darstellerinnen von Kim Riedle bis Liane Forestieri augenscheinlich nach Attraktivität gecastet, während die kernige Lässigkeit ihrer Kollegen – etwa Aurel Manthei als Computernerd im Hightech-Keller – aus der Vin-Diesel-Schule stammt. Und dass der Luxusliner mit jedem Deck abwärts mehr an ein Geisterschiff in Folterkeller-Ästhetik erinnert, hat weniger mit Realismus als mit den Bauplänen des Horrorgenres zu tun.

Hauptrolle für das Schiff

Dennoch spielt das Schiff neben dem hingebungsvoll niedergeschlagenen Lucas Gregorowicz die Hauptrolle. Hoch oben der Glanz des Panoramadecks, tief unten das wummernde Herz rostiger Maschinenräume, dazwischen die Gleichförmigkeit endloser Kabinengänge, alles voll grundverschiedener Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, Schichten, Antrieben.

„Das war für mich als Autor wie eine Einladung“, erzählt Fitzek an Bord der Sirius, deren echten Namen die Reederei verschweigt. Für Alexander Dierbach dagegen war es vor allem: eine Herausforderung. Schließlich hat er im laufenden Betrieb gedreht – mit ein paar Tausend Passagieren und Besatzungsmitgliedern als Komparsen. Auf einer Seefahrt, die auf RTL nun alles Mögliche ist – nur nicht lustig.

Ausstrahlung: RTL, Donnerstag, 13. Dezember 2018, um 20.15 Uhr. Schon zuvor und danach bei TV Now, dem RTL-Mix aus offener Mediathek und kostenpflichtigem Streamingdienst.