In „Schöne heile Welt“ im Ersten spielt Richy Müller toll einen dauernörgeligen Wutbürger. Der Langzeitarbeitslose entdeckt sein Herz für einen kleinen Flüchtling.

Stuttgart - Der Mann geht vermutlich schon längst nicht mehr wählen, aber als Wutbürger und Verschwörungstheoretiker entspricht er perfekt dem Klischee des AfD-Protestwählers. Dabei ist Willi (Richy Müller) vor allem ein Rebell in eigener Sache. Der Elektromeister, der nach dreißig Jahren seine Arbeit verloren hat, meckert über alles und jeden – was den sturen letzten Mieter eines Abrisshauses jedoch nicht davon abhält, sich als Langzeitarbeitsloser alle nur denkbaren Sozialleistungen zu erschwindeln. Angeblich machen Verdauungsprobleme eine geregelte Beschäftigung unmöglich.

 

Ein Grantler ändert sich

Tatsächlich ist Willi ein armes Schwein. Seine einzigen Kontakte sind der stumme Friseur, dem er sein Leid klagt, und die Walküre an der Käsetheke, die nichts mit ihm zu tun haben will, so lange er arbeitslos ist. Sein Leben ändert sich erst, als er im Auftrag eines Kneipenwirts zwei schwarzafrikanische Frauen in dem maroden Haus unterbringt. Eine der beiden hat einen circa zehn Jahre alten Sohn. Als dem Jungen langweilig ist, drückt Willi ihm einen Besen in die Hand, und das ist tatsächlich der Beginn einer Freundschaft, die einen neuen Menschen aus dem Grantler machen wird.

Die Geschichte ist eine Mischung aus dem Fernsehfilm „Glückskind“ (2014) und dem Kinofilm „Dreiviertelmond“ (2011): In „Glückskind“ findet ein verwahrloster Mann ein Baby im Müll und dadurch neuen Lebensmut, in „Dreiviertelmond“ kümmert sich ein schlecht gelaunter fremdenfeindlicher Taxifahrer um ein sechsjähriges türkisches Mädchen. In „Schöne heile Welt“ nimmt nun Willi den kleinen Afrikaner Fianarantsoa (N’Tarila Kouka), den er der Einfachheit halber Franz nennt, unter seine Fittiche.

Alle anderen sind verblödet

Als Franz in seiner Wohnung ein Paar Schlittschuhe findet, fahren sie regelmäßig in die Eissporthalle. Franz entpuppt sich als Naturtalent und will unbedingt an einem Wettbewerb teilnehmen. Autor und Regisseur Gernot Krää („Paulas Geheimnis“) begeht dabei zum Glück nicht den Fehler, sein realistisches Märchen sentimental zu überhöhen. Willi bleibt seinem Naturell treu, selbst wenn recht bald deutlich wird, dass er an Franz wiedergutmachen will, was er bislang verbockt hat.

Davon abgesehen tut Müller nichts dafür, seine Figur sympathisch zu machen. Verstohlen huscht bei Franz’ Fortschritten auf dem Eis die Andeutung eines Lächelns über Willis Gesicht, sonst schaut er exakt so grimmig drein, wie es seiner vermeintlich verdrießlichen Lage entspricht. Schließlich ist er der Einzige, der weiß, „wie der Hase läuft“, während alle anderen durch Radio und Fernsehen verblödet sind.

Lakonie und schöne Musik

Die entsprechenden Szenen spielt Müller mit größtmöglicher verbaler und mimischer Lakonie. Auch wenn er für kleine Irritationen sorgt: Der Film spielt im Badischen, doch Willi klingt, als habe er einen bayerischen Migrationshintergrund; laut SWR soll er jedoch wie Müller selbst aus der Kurpfalz stammen. Viel wichtiger für die akustische Ebene ist aber die Musik von Stephan Römer: entspannter Jazz, durchsetzt mit afrikanischen Liedern, die Lebensfreude verströmen. Die Musik entspricht Krääs ruhiger Inszenierung, wobei Aufnahmen wie jene von Willis trostloser Straße einen reizvollen Kontrast zu Römers Kompositionen bilden. Die Musik nimmt seinen Sinneswandel vorweg.

Erstes deutliches Signal ist Willis Reaktion, als Franz in der Bahn zwei Uniformierte erblickt und Angst bekommt; Willi setzt sich neben ihn und klopft ihm beruhigend auf den Oberschenkel. Der Filmtitel „Schöne heile Welt“ ist die pure Ironie, und Franz’ Angst hat selbstredend ihre Gründe. Zudem kehrt er eines Tages, nachdem er allein in die Eishalle musste, ohne Schlittschuhe heim. In einem ziemlich coolen Auftritt lässt Willi die dafür Verantwortlichen zwar bereuen, das letzte Wort haben dennoch sie. Der Schluss bleibt der reizvollen Mischung aus Drama und Märchen ebenfalls treu; auch hier findet Krää den Mittelweg zwischen Kitsch und Tristesse.

Ausstrahlung: ARD, 20. Februar 2019, 20.15 Uhr