Was bedeutet es für die Fernseh-Branche, dass die Rechte an den Olympischen Spielen 2018 bis 2024 an das Unternehmen Discovery gehen?

Stuttgart - Wer sich grundsätzlich nicht für Sport interessiert, stellt sich an manchen Tagen mit einigem Grimm die Gebührenfrage: Im Winter übertragen ARD und ZDF von morgens bis abends irgendwelche Biathlon-Veranstaltungen, im Sommer berichten sie von allen möglichen Schwimm-, Lauf- und Springwettbewerben. Besonders schlimm aus Sicht des „No Sports!“-Publikums sind Fußballturniere und Olympische Spiele. Zumindest vor Olympia haben die Gebührenzahler nun Ruhe, wie es scheint: weil die europäischen TV-Rechte an den Spielen 2018 bis 2024 für den stolzen Preis von 1,3 Milliarden Euro an den amerikanischen Medienkonzern Discovery Communications gegangen sind. Für ARD und ZDF ist das ein herber Schlag, denn gerade in den programmlich ereignisarmen Sommermonaten sorgten die Olympischen Spiele zuverlässig für gute Zuschauerzahlen.

 

Allerdings kann der Schock nicht so groß sein, wie ihn die öffentlich-rechtlichen Systeme nun nach außen hin dokumentieren. Als das Internationale Olympische Komitee (IOC) vor einigen Jahren beschloss, die Übertragungsrechte nicht mehr automatisch an die EBU zu vergeben, den Interessenverband der öffentlich-rechtlichen Sender Europas, war klar, dass neue Zeiten anbrechen würden; der damalige IOC-Boss sprach gar von einer „neuen Ära“. Natürlich ging es dabei ausschließlich ums Geld, nicht um die Qualität der Berichterstattung. Es war offensichtlich, dass das IOC unterm Strich ungleich höhere Summen einnehmen würde, wenn große europäische Fernsehmärkte wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich eigene Verhandlungen führen müssten.

Schmerzgrenze überschritten

Bei den Winter- und Sommerspielen in Vancouver und London konnten ARD und ZDF noch mithalten, mussten allerdings bis an ihre Schmerzgrenze gehen; die lag damals bei kolportierten 110 Millionen Euro und hätte nun offenbar überschritten werden müssen. Trotzdem muss die Niederlage noch nicht das endgültige Aus bedeuten. Discovery ist im deutschen Markt vor allem im Bezahlfernsehen vertreten. Der einst durch seine hochklassigen Naturdokumentationen bekannt gewordene Konzern betreibt zwar auch den frei empfangbaren Sender Eurosport, doch das Nischenprogramm dürfte schon allein personell kaum in der Lage sein, eine Herausforderung wie die Olympischen Sommerspiele zu stemmen; ARD und ZDF könnten also als Sublizenznehmer vorstellig werden. Derzeit jedoch überwiegt die Verunsicherung. Aus der Pressemitteilung des IOC gehe nicht hervor, was die Rechtevergabe für den deutschen Fernsehmarkt bedeute, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der beiden Sender. Laut IOC-Präsident Thomas Bach ist Discovery aber zu Verhandlungen bereit; niemand sei nach dem derzeitigen Stand aus dem Rennen.

Auch Discovery signalisiert Gesprächsbereitschaft. Denkbar wäre zum Beispiel eine Aufteilung des Pakets nach Sportarten, was unterm Strich sogar zu einer Ausweitung der Gesamtberichterstattung führen könnte. Fanden bislang Wettbewerbe gleichzeitig statt, waren Zuschauer auf spätere Zusammenfassungen angewiesen oder mussten das Internetangebot von ARD und ZDF nutzen. Während gerade für junge Menschen die Nutzung von Second Screens, also Tablet oder Laptop, während des TV-Konsums selbstverständlich ist, bleiben viele älteren Zuschauer ihren klassischen TV-Gewohnheiten treu; sie bräuchten nun nur noch umzuschalten, wenn während der Leichtathletikwettbewerbe eine Entscheidung im Boxen oder Ringen ansteht.

Bitterer Beigeschmack

Weitere Abnehmer für attraktive Sportarten könnten natürlich auch RTL und Sat 1 sein. Aus Sicht von Discovery wäre es ideal, wenn sich die Sender ein Wettbieten liefern würden. Dem ursprünglichen olympischen Gedanken würde diese Vereinzelung allerdings kaum noch entsprechen; aus Sicht des TV-Publikums wären die Spiele womöglich keine homogene Veranstaltung mehr, sondern eine Ansammlung verschiedener Weltmeisterschaften, die alle am gleichen Ort stattfinden. Immerhin können die deutschen Zuschauer wohl davon ausgehen, dass die Berichterstattung hauptsächlich im so genannten Free-TV stattfindet, selbst wenn Eurosport auch kostenpflichtige Ableger hat. Mindestens zweihundert Sendestunden und damit der weitaus größte Teil der Sommerspiele sollen nach dem Willen des IOC für alle Menschen zu sehen sein.

Eurosport ist übrigens erst seit zweieinhalb Jahren in Besitz von Discovery. Ironie der Geschichte: Als der Sender 1989 gegründet wurde, waren einige öffentlich-rechtliche Sender maßgeblich beteiligt. Für ARD und ZDF dürfte es zudem einen bitteren Beigeschmack haben, dass mit Bach ausgerechnet der erste deutsche IOC-Präsident großen Anteil daran hat, dass ARD und ZDF bei Olympia womöglich bloß Zaungäste sein werden: Er hatte als Vizepräsident den „Erbvertrag“ mit der EBU gekündigt. Bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro ist übrigens noch alles beim alten.