Nicht nur der US-Präsident Barack Obama nutzt Twitter. Auch Ägyptens Mohammad Morsi, Tunesiens Moncef Marzouki und Ruandas Paul Kagame schreiben in dem Kurznachrichtendienst. Dabei geht es ziemlich bunt zu.

Johannesburg - Spätestens seit dem millionenfach um die Welt geschickten Beitrag des Wahlsiegers Barack Obama („Four more years“) ist Twitter in der Weltpolitik angekommen. Doch nicht nur der Präsident des Landes, in dem der Kurznachrichtendienst erfunden wurde, twittert. Auch in Afrika, wo das Internet weit weniger verbreitet ist, schicken Spitzenpolitiker fröhlich Tweets ins Netz. Ein gutes Dutzend von ihnen ist auf Twitter aktiv. Dabei geht es so bunt zu, wie der Kontinent ist.

 

Alassane Dramane Ouattara zum Beispiel, seines Zeichens Präsident der Elfenbeinküste, mag es pompös: Er twittert gern über Staatsbesuche, verlinkt zu Fotos, auf denen seine Exzellenz Hände schüttelt oder auf roten Teppichen wandelt. Togos Präsident Faure Gnassingbé tritt eher kumpelhaft auf. Kürzlich packte er sogar das Thema Fußball an: Nach dem 1:0 der togolesischen Elf gegen Marokko lobte er die Kicker für ihren „dynamischen Nationalstolz“ – und riet ihnen zu Zurückhaltung beim Feiern: „Trinkt in der dritten Halbzeit nicht zu viel Bier!“

Einer hat nur 218 Follower

Gespreizter gibt sich Veteran Paul Biya, der seit 1982 Präsident Kameruns ist. Die Nation durfte just „30 Jahre nationale Erneuerung“ mit ihm feiern. Biya twittert, wem er eine Audienz gewährt und er vermeldet „große Erfolge“.

Doch im sozialen Netz häufen sich nicht nur Huldigungen („merci, papa Paul Biya“), sondern es gibt auch Kontra: Er möge bitte gehen, schreibt die Nutzerin Gabrielle, damit „man mal die Chance hat, einen anderen Präsidenten kennenzulernen. Seit ich geboren bin, kenne ich nur Dich!“

Mit dem Social Web lässt sich der direkte Kontakt zum Volk herstellen. Nicht alle afrikanischen Spitzenpolitiker erkennen das: die Landkarte mit jenen Ländern, deren Oberhäupter auf Twitter aktiv sind, ist noch ziemlich weiß. Und von denen, die ein Nutzerkonto haben, sind etliche inaktiv. Viele stellen ihre Twitter-Aktivitäten sofort nach ihrer Wahl ein; andere nutzen Twitter nur als Verbreitungskanal für Youtube-Videos von ihren Reden. So gewinnt man natürlich kaum Follower, also Abonnenten der digitalen Kurznachrichten: Paul Biya hat nur gut 1200, Faure Gnassingbé gar nur 218.

Morsi macht’s vor

Wie es geht, macht Ägyptens Präsident Muhammad Morsi vor. Er hat aktuell mehr als 590 000 Follower. Außerdem hat er ein englischsprachiges Nutzerkonto mit immerhin fast 12 000 Abonnenten.

Auch Tunesiens Moncef Marzouki, der erste politische Emporkömmling des arabischen Frühlings, kommuniziert emsig im Netz. Gefangen in einer komplexen Koalition mit Islamisten, hat er viel zu erklären. Mehr als 92 000 Menschen empfangen seine Tweets derzeit regelmäßig. Tansanias Jakaya Kikwete widmet sich wolkig (und häufig auf Suaheli) einer „besseren Welt“ – und den neuen Buslinien in Dar-es-Salaam; diese Inhalte kommen bei mehr als 40 000 Twitterern an.

Das Sendungsbewusstsein von Südafrikas Präsident Jacob Zuma scheint indes verpufft. Sein letzter Tweet vom März vermeldete einen Krankenbesuch. Seither herrscht Funkstille.

„we r making gd progress!“

Ugandas Yoweri Museveni, der Mann mit dem Cowboyhut, wird von Online-Untertanen besonders reichlich mit Segenswünschen verwöhnt („thx your excellence“). Wohltuend, wo doch manche Geber gerade die Entwicklungshilfe streichen. Immerhin: Per Tweet bekommt Museveni auch Schelte für Ugandas „Diebe“ im Staatsdienst. Und die Kosten seiner neuen Mercedes-Karossen.

Sein Nachbar, Ruandas Paul Kagame, beglückt seine aktuell mehr als 88 000 Follower höchstselbst im typisch reduziertem Twitter-Englisch: „we r making gd progress!“ („Wir machen gute Fortschritte!“), ermahnt sie zu Disziplin und harter Arbeit – oder schickt auch mal den Link zu einer Funk-Band. Jubel macht ihn poetisch: „Die Sonne scheint, die Trommeln dröhnen und die Menge gelobt: ,Wir werden weiter für Ruanda arbeiten.‘“

Auf Kritik reagiert Kagame unentspannt

Lange galt der ehemalige Guerillaführer Kagame als Darling des Westens. Dann sprach sich herum, dass Opposition in Ruanda unerwünscht, die Rolle des Militärs im Ostkongo zwielichtig ist. Wie gut, dass es Twitter gibt: Bei Kritik greift Kagame nun schnell zum Keyboard. Im Mai 2011 etwa. Da erklärte der Präsident: „Keiner in den Medien, bei der UNO oder Menschenrechtsgruppen hat das moralische Recht, mich zu kritisieren“.

Ein britischer Journalist befand dies auf Twitter für „despotisch und verblendet“. Die Antwort kam postwendend: „Du auch nicht . . . kein moralisches Recht!“, twitterte Kagame. Es folgte eine ganze Suada: „Wrong u r . . . u have no such right.“ („Du liegst falsch . . . hast kein Recht dazu.“) Inzwischen wurden die Einträge von Kagames Twitter-Profil entfernt; sie sind aber anderswo im Netz dokumentiert.

Nach längerer Twitter-Abstinenz ließ Ruandas Staatschef erst im Oktober wieder Dampf ab. Ruandas „New Times“ hatte über Kagame-kritische Artikel in der britischen Presse berichtet. Da feuerte Kagame binnen einer Stunde 14 fuchtige Tweets ab („fabriziert, fehlinterpretiert, übertrieben“). Dann war der Zorn verraucht. Seine letzte Botschaft lautete: „Gute Nacht!“

Twitter: ein besonderer Kommunikationskanal

Der Kurznachrichtendienst wurde 2006 gegründet. Der Firmenname bedeutet übersetzt „Gezwitscher“. So sind die maximal 140 Zeichen umfassenden Nachrichten (Tweets) auch zu verstehen, die jeder Nutzer über den Dienst veröffentlichen kann. Man kann Twitter-Nutzer abonnieren und wird dann zum Follower. Die meisten aktiven Nutzer folgen vielen anderen Nutzern und haben wiederum selbst viele Abonnenten. Twitter ist zum einen ein soziales Netzwerk, zum anderen ein Informationskanal.

Der Dienst hat nach eigenen Angaben mehr als 140 Millionen Nutzer weltweit. Neben Privatleuten nutzen ihn besonders Figuren des öffentlichen Lebens. Sie tun dort ihre Meinung kund, unterhalten sich mit anderen oder weisen auf das eigene Handeln hin. Auch in der Politik spielt der Dienst eine Rolle. Barack Obama nutzte ihn zur Mobilisierung im Wahlkampf; sein Tweet nach seiner Wiederwahl wurde mehr als 800 000 mal weiterverbreitet. In Deutschland twittern neben Regierungssprecher Steffen Seibert und Umweltminister Peter Altmaier viele Bundestagsabgeordnete, Landes- und Parteipolitiker. Sie sind über den Dienst auch für jeden direkt ansprechbar.

Burson-Marsteller, eine weltweit tätige Agentur für Politmarketing, hat unter dem Namen Twiplomacy eine aktuelle Studie zu den weltweiten Twitter-Aktivitäten von Spitzenpolitikern angestellt und dafür die Aktivitäten von 264 Twitter-Konten ausgewertet. Dabei kamen bemerkenswerte Ergebnisse zustande: so ist der EU-Ratsvorsitzende Herman van Rompuy der auf Twitter am besten vernetzte Spitzenpolitiker der Welt. Dafür reichen unter Toppolitikern aber elf direkte Twitter-Kontakte („Follows“) mit Kollegen. Umso wichtiger ist der Kanal, um Fachleute, Journalisten und Bürger zu erreichen: Die 264 von Burson-Marsteller untersuchten Politiker- und Regierungskonten hatten zum Untersuchungszeitpunkt Anfang Juli zusammengenommen fast 52 Millionen Abonnenten