Beim Gewicht der Koffer kassieren Fluggesellschaften gerne ab. Kurioses aus dem Luftraum.

Leben: Susanne Hamann (sur)

Flughafen Stuttgart, 13. Juni 1997. Satte 35 Kilo bringt der Schalenkoffer auf die Waage. Der Mann am Lufthansa-Check-in lächelt freundlich. "Sie bleiben länger in Berlin?" Fluggast, weiblich, Anfang 20, lächelt zurück. "Nur übers Wochenende." – "Ach so?" Die gesprächige junge Dame plaudert sofort drauflos und erklärt dem verdutztem Mann am Schalter, dass sie zwei Paletten Bierbüchsen in die Hauptstadt liefern müsse. Dinkelacker, um genau zu sein. Freunde von ihr gingen morgen zum Pokalfinale zwischen dem VfB Stuttgart und Energie Cottbus ins Olympiastadion. Sie hätten ihr glaubhaft versichert, dass sie die Rückfahrt mit dem Bummel-Fanzug ohne das gewohnte Bier nicht überleben würden. Man träfe sich morgen Abend beim Bahnhof Zoo zur Übergabe. Der Mitarbeiter nickt verständnisvoll und befestigt klaglos einen roten Kleber auf dem Koffer: "heavy", schwer. Zusatzkosten? Mitnichten.

 

Flughafen Miami, 22. August 2010. Fluggast, weiblich, Mitte 30, hetzt durch den Duty-Free-Bereich. Verzweifelt auf der Suche nach einer Waage. Ihr Koffer hatte während der Reise dramatisch an Gewicht zugelegt. Sollte das Gepäckstück mehr als die erlaubten 23 Kilo wiegen, drohen 150 US Dollar (etwa 112 Euro) Strafe. So viel kassiert Swiss Air ab dem ersten Kilo Übergepäck. Nach der Rückkehr machte die Geschichte von der Touristin und der Waage im Freundeskreis schnell die Runde.

Menschen, die vor geöffneten Koffern knien, gehören auf den Flughäfen dieser Welt inzwischen zum gewohnten Bild. Umpacken am Schalter ist ein beliebter Trick, um Zusatzkosten zu entgehen. Denn reist zum Beispiel eine vierköpfige Familie mit drei Koffern, von denen einer zu schwer ist, fällt der Zuschlag an. Dieselbe Menge auf vier Koffer verteilt kostet nichts. Meist gilt die Faustregel: Pro Nase ein Koffer. Auch wenn es ein Babynäschen ist. Mit steigenden Kerosinpreisen sind die Gesellschaften immer strenger geworden. Durch jedes Kilogramm mehr im Bauch eines Flugzeuges verbraucht der Vogel mehr des kostbaren Treibstoffs, argumentieren die Airlines. "Kerosin ist der Preistreiber im Flugverkehr", sagt Jan Bärwalde von der Lufthansa-Pressestelle. Verbraucherschützer hingegen sprechen aus, was viele Fluggäste ahnen: In Zeiten sinkender Ticketpreise versucht man eben an anderer Stelle zu kassieren. "Vor der Buchung sollte man sich von einem vermeintlich günstigen Flugpreis nicht blenden lassen und genau hinschauen: Was kommt noch an Steuern und Gebühren hinzu? Welche Serviceleistungen sind enthalten? Lande ich weit draußen und muss viel Geld für ein Taxi in die Stadt bezahlen?", zählt Dunja Richter, Juristin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, mögliche Probleme auf. "Wir sind eine der wenigen Branchen, die billiger geworden sind", gibt Jan Bärwalde hingegen zu bedenken. Wer günstige Tickets möchte, müsse sich mit den erlaubten Grenzen arrangierten: "Immerhin weit über 95 Prozent aller unserer Fluggäste gelingt das."

Manche Fluggesellschaften lassen sich bereits den Transport eines einzigen Koffers extra bezahlen. Das gilt insbesondere für die sogenannten Billigflieger wie Ryanair, Easyjet oder Germanwings. Letztere Fluggesellschaft verlangt 20 Euro plus Mehrwertsteuer pro Gepäckstück, das am Flughafen angemeldet wurde. Wer die Ankündigung online oder mit einem Anruf beim Call-Center erledigt, muss acht Euro berappen. Auch plus Mehrwertsteuer. Übergewichtszuschläge sind pro angefangenem Fünf-Kilo-Schritt zu entrichten (23,80/47,60 Euro, Anmeldung online/am Flughafen). Laut Stiftung Warentest stellen auch immer mehr US-amerikanische Fluggesellschaften Extrakosten für aufgegebenes Gepäck in Rechnung: "Zahlen müssen Kunden der Economy Class, die einen Sondertarif gebucht haben", erklärt die Stiftung und nennt auch konkrete Preise: So koste ein Koffer bei American Airlines, Continental, Delta und US Airways 25 Dollar (18,30 Euro), ein zweiter 35 Dollar (25,50 Euro). Auf Transatlantikflügen ist der erste Koffer noch frei.

Andere Airlines bitten erst dann zur Kasse, wenn ein bestimmtes Gewicht überschritten wird. Die erlaubten Mengen richten sich nach dem gebuchten Platz. Economy-Gästen wird weniger zugebilligt als den Reisenden in der Business oder der First Class. Auch wer Inhaber einen besonderen Karte ist (Frequent Traveller, Senator, Tui Card Gold etc.), darf mehr einpacken. Um die Reisenden noch zusätzlich zu verwirren, unterscheiden manche Anbieter zwischen "Gewichts- und Stückkonzept". Einmal gilt eine Gewichts- und einmal eine Größenbeschränkung. Wo welche Methode angewandt wird, das hängt vom Reiseziel ab.

Im Normalfall erlaubt die Lufthansa 20 Kilo Freigepäck pro Person (auch für Kinder und Babys, nur bei eigenem Sitzplatz) innerhalb Deutschlands und Europas sowie auf manchen Langstrecken, 23 Kilo auf dem Weg von und nach den USA sowie Kanada. Strafzuschlag: je nach Destination 5 bis 40 Euro pro Kilo, mindestens jedoch 30 Euro (alle Angaben gelten für Economy; ohne Gewähr). Bei Air Berlin sind 20 kg Gepäck kostenlos. Schwerere Koffer schlagen mit 10 Euro pro Kilo auf Kurz- und Mittelstrecken sowie 20 Euro/kg auf Langstrecken zu Buche. Auf Reisen gen USA oder Kanada sind 23 kg erlaubt, darüber 25 Euro Aufschlag. Tuifly gestattet 20 kg Freigepäck pro Nase und errechnet bei gemeinsam reisenden Personen einen Durchschnitt. Umpacken entfällt hier also. Wer dennoch zu viel dabei hat, zahlt bis 5 kg 50 Euro, bis 10 kg 100 Euro sowie bis 20 kg 200 Euro Strafe.

Bei fast allen Fluggesellschaften gilt: Packfreudige Urlauber sollten vorab sogenannte Übergepäckpakete buchen. Nach Auskunft der Zentralen Fluggastberatung in Ratingen lassen sich so bis zu 50 Prozent der sonst anfallenden Zusatzkosten sparen. Jan Bärwalde von der Lufthansa rät zudem, das erlaubte Volumen für Handgepäck auszunutzen: "Das sind immerhin acht Kilo." Eine gute Nachricht für alle Damen: Die Handtasche zählt nicht als Handgepäckstück, sondern darf zusätzlich mit. Weiterer Tipp: neuen Koffer anschaffen. Moderne Exemplare aus ultraleichtem Kunststoff wiegen wesentlich weniger als alte Schalenkoffer aus dickem Hartplastik.

Wer außergewöhnliche Dinge transportieren möchte, sollte bei der Wahl der Airline genau achtgeben. Sie möchten ein Geweih mitnehmen? Fliegen Sie KLM. Jedes Tiergehörn kostet dort auf innereuropäischen Strecken 70 Euro, innerhalb Frankreichs sogar nur 20Euro. Sie legen Wert auf einen eigenen Christbaum im Ausland? Buchen Sie Condor. Laut Firmenhomepage werden Bäume bis zu einer Länge von 100 cm kostenlos befördert. Sofern sie vorab bei der Condor-Sonderreservierung angemeldet wurden. Der Baum muss in ein Netz verpackt sein. Je nach Reiseziel ist ein "Gesundheitszeugnis" nötig, erhältlich beim örtlichen Pflanzenschutzdienst.