Im Parlament in Kiew hagelt es Faustschläge. Und in Ostukraine wird die Lage immer unübersichtlicher. Seit dem Wochenende halten prorussische Aktivisten in Donezk den Regierungssitz besetzt. Die Hintermänner der Separatisten bleiben im Dunkeln.

Donezk - Obwohl der Regierungssitz von Separatisten besetzt ist, spürt man nicht viel von der Ausnahmesituation, in der sich Donezk seit dem Wochenende befindet. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt gibt es keine besonderen Polizeikontrollen, auch der Verkehr auf der Artema-Straße, einer großen Hauptverkehrsader, verläuft ohne Besonderheiten. Wenige Meter entfernt am Puschkin-Boulevard bietet sich jedoch ein völlig anderes Bild.

 

Am Ende der Straße, vor einem zwölfstöckigen Gebäude, fallen schon von Weitem meterhoch gestapelte Autoreifen auf. Über dem Eingang ist ein Banner gespannt, in schwarz-blau-roten Farben und mit der Aufschrift „Republik Donezk“. Männer mit Sturmmasken versperren den Weg. Dennoch gehen Leute ein und aus.

Russische Kamerateams eingelassen

Alla, eine sogenannte prorussische Aktivistin um die 50 Jahre, sagt, sie würde Küchendienst machen, damit „die Jungs auch vernünftig verpflegt werden“. Woher sie stammt, will sie genauso wenig verraten wie, wer hinter den Protesten steht. Ein Reporter des Internetportals Nowosti Dobass erklärt, dass die Wachen am Tag zuvor noch russische TV-Kamerateams in das Gebäude hineingelassen hätten. Zudem hätten sich Vertreter der ukrainischen Regierung am frühen Vormittag umgeschaut und Fotos von verwüsteten Büros veröffentlicht. Auch das Büro des Gouverneurs Sergej Taruta ist geplündert worden, Möbel wurden durch den Raum geworfen.

Igor ist Rentner und stammt aus der Region Donezk, er ist zurzeit auf Besuch bei seinem Sohn. „Ich bin gegen diese Unordnung, wir sind Ukrainer, und so soll es auch bleiben“, ruft der Mann. Er verstehe nicht, wer hinter dem ganzen Chaos stehe. Mit dieser Meinung ist er nicht alleine. Auch der reichste Mann der Ukraine, der Donezker Rinat Achmetow, will Ruhe. Mitten in der Nacht ist er zu den Separatisten in das besetzte Gebäude gegangen. Zuvor hatte er mit Vizepremier Vitali Jarema und offenbar auch mit Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gesprochen, die überraschend nach Donezk gekommen waren.

Der reichste Mann des Landes erntet Feindseligkeit

Der Milliardär wurde feindselig empfangen. Der Oligarch riet den Separatisten, mit der Regierung zu verhandeln. „Ihr seid nicht berechtigt, unerfüllbare Forderungen oder Ultimaten zu stellen“, so der 47-Jährige. Er schlug den Besatzern vor, sie sollen drei oder fünf Personen auswählen, die Gespräche mit der Regionalregierung in Donezk und der Regierung in Kiew führen sollen. Allerdings warnte Achmetow, für den Fall, dass die Regierung das Gebäude räume, sei er „auf der Seite der Menschen in Donezk“. Der Bürgermeister Alexander Lukjantschenko vertritt die gleiche Linie. Er hat angeblich Informationen darüber, dass die Mehrheit der Separatisten nicht aus Donezk stamme. In den vergangenen Wochen sei es immer wieder dazu gekommen, dass Fremde in die Stadt kämen, um für Föderalisierung, Abspaltung und Referenden zu protestieren, klagt er.

Am Nachmittag meldet das Bürgermeisteramt, der Krisenstab habe die Arbeit aufgenommen, unter Leitung des Vertreters des Innenministeriums würden Gespräche geplant. Ziel sei die friedliche Räumung der Regionalverwaltung, zudem sollen die Demonstranten alle Waffen ablegen. Andere Quellen berichten darüber, dass sich im Gebäude der Regionalverwaltung ein „Volksrat“ gebildet habe, außerdem hätten die Separatisten einen Übergangsgouverneur ernannt. Die Besatzer veröffentlichten eine Reihe von Forderungen, etwa den Rücktritt von Gouverneur Sergej Taruta. Am 11. Mai soll es ein Referendum über den Anschluss an Russland nach dem Vorbild der Krim geben. Sie kennen die Übergangsregierung in Kiew nicht an und fordern die Freilassung vor allem ihres Anführers Pawel Gubarejw, der am 6. März in Donezk bei Zusammenstößen mit der Polizei verhaftet wurde. Er gilt als Anführer der paramilitärischen Gruppe Donezker Volksmiliz.

Für den Abend haben wiederum proukrainische Gruppen zu Protesten auf dem Puschkin-Boulevard aufgerufen.