Sie seien unmotiviert, schlecht vorbereitet und schulten lieber Steuerberater als Finanzbeamte: vernichtend fällt das Urteil der Studenten über viele Dozenten der Beamtenhochschule in Ludwigsburg aus. Anlass war eine Umfrage der Steuergewerkschaft.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Chaotische Zustände bei Prüfungen, unmotivierte Dozenten, praxisferne Inhalte, veraltete Lehrmethoden, schlechte Organisation – Studierende der Steuerfakultät sehen die Ausbildung an der Beamtenhochschule in Ludwigsburg höchst kritisch. Bei einer Umfrage der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG) unter 244 Absolventen des Prüfungsjahrgangs 2017 erreichte die Hochschule überwiegend mäßige Zensuren. Auf die Frage nach der Zufriedenheit mit der Studienzeit insgesamt erhielt sie nur die Note „Drei“ bis „Vier“. Besonders schlecht wurden die Rückmeldungen durch Dozenten, der mangelnde Praxisbezug, der interdisziplinäre Unterricht und die Vorbereitung auf Prüfungen bewertet. „Ich werde dieses Studium keinem empfehlen können“, fasste ein Teilnehmer seine Kritik zusammen.

 

Die Studierenden sollten einen dreiseitigen Fragebogen ausfüllen und konnten ihre Anmerkungen frei formulieren – alles anonym. Besonders hart gingen sie in den 144 „Freitexten“ mit der Hochschule ins Gericht. Vor allem für jüngere, engagierte Professoren gibt es auch Lob. Leider seien es aber nur wenige, „die sich wirklich für die Studenten interessieren“. Zudem werde ihnen von der Hochschulleitung das Leben schwergemacht.

Mehrfach verkatert zur Vorlesung

Insgesamt fällt das Urteil über die Dozenten stark negativ aus. Mehrfach ist von einer „Null-Bock-Einstellung“ die Rede. Ein Dozent beginne regelmäßig zu spät und höre vorzeitig auf, andere tränken lieber Kaffee als zu unterrichten, einer sei sogar mehrfach verkatert zur Vorlesung erschienen. Gastdozenten erschienen zuweilen nicht, manche Professoren seien über Wochen hinweg krank.

In mehreren Kommentaren geht es um die Nebenjobs der Dozenten in der Aus- und Fortbildung von Steuerberatern. Ein Professor wird mit den Worten zitiert, morgens in der Vorlesung arbeite er für seine Pension und die Krankenversicherung. „Mittags beim Steuerberater verdiene ich das Geld.“ Die Nebentätigkeit scheine den Dozenten teils wichtiger, „als Vorlesungen zu halten“, moniert ein anderer Teilnehmer. „Vorlesungen fallen aus, weil Dozenten zu Veranstaltungen der Steuerberater gehen“, schreibt ein weiterer. Zudem redeten Professoren schlecht über die Arbeit in den Finanzämtern und versuchten, Studenten an Steuerberater zu vermitteln.

„Ihr werdet sowieso durchfallen“

Scharfe Kritik gibt es auch an Aufbereitung und Vermittlung des Lehrstoffs. Wiederholt wird die fehlende inhaltliche Kompetenz von Dozenten moniert; manche referierten nicht über den eigentlichen Stoff, sondern über das, was sie beherrschten. „Jeder macht, was er will.“ Zudem sei der Unterricht oft schlecht vorbereitet und methodisch unzulänglich. Wenn es überhaupt Skripte gebe, enthielten diese oft Fehler. Bei moderner Wissensvermittlung per „Whiteboard“ oder Computer herrsche Fehlanzeige, die Lehrmethoden seien „völlig veraltet“. Es gebe keine Bewertung der Professoren, man könne sich „gegen schlechte Dozenten kaum wehren“.

Besonders chaotisch schildern die Studenten die Vorbereitung auf Prüfungen. Weil sich die Dozenten nicht koordinierten, werde teilweise Stoff abgefragt, der nicht durchgenommen worden sei. Schwerpunkte von Klausuren seien nicht vorhersehbar und hingen von den Dozenten ab. Manche entmutigten die Studenten ganz gezielt. „Ihr werdet sowieso durchfallen, egal wie viel ihr lernt“, wird einer zitiert. Immer wieder würden Aufgaben und die zugrunde liegenden Sachverhalte während der laufenden Prüfung verändert. Auch die Bewertung sei damit höchst fragwürdig. Wer unter fünf Punkte falle, werde immer darauf angehoben, berichtet ein Student; dies sei „unfair gegenüber allen“. Selbst ein abwesender Student habe fünf Punkte erhalten, heißt es an anderer Stelle. „Das Prüfungsamt ist eine Katastrophe“, moniert ein Umfrageteilnehmer, es handele „völlig willkürlich“, ein anderer. Harsche Kritik äußern die Studierenden an der gesamten Organisation der Hochschule. „Miserabel“, „katastrophal“, „mangelhaft“, lauten die Attribute. Vieles sei schlecht geplant oder völlig unkoordiniert. Dies zielt auf die von der Kanzlerin Ingrid Dunkel geleitete Verwaltung. Ihre geplante Wiederwahl war kürzlich ohne nähere Begründung verschoben worden. Gegen Dunkel soll zudem ein Disziplinarverfahren laufen. Zwischen ihr und dem Wissenschaftsministerium gab es während der Krise um die frühere Rektorin Claudia Stöckle ein enges Zusammenspiel.

Massive Kritik an der Organisation

Die Umfrage war bereits Anfang März führenden Vertretern der Hochschule, der Oberfinanzdirektion und der beteiligten Ministerien für Finanzen und Wissenschaft vorgestellt worden. Dabei sei „der Handlungsbedarf von allen Seiten erkannt“ worden, teilte die Steuergewerkschaft mit. Der Landesvorsitzende Markus Scholl sagte unserer Zeitung, in Ludwigsburg gebe es „strukturelle Probleme“ und eine „ganze Reihe an Mängeln“. Er sei überzeugt, dass man diese gemeinsam lösen könne. Das „größere Problem“ sei jedoch, dass die Steuerfakultät der Hochschule dem Wissenschaftsministerium unterstellt sei. Sie müsse „zwingend und so bald als möglich“ wieder unter das Dach des Finanzministeriums kommen. Solche Überlegungen hatte die Landesregierung kürzlich noch dementiert.