Es ist die Zeit des Stubenhockers. Eine Veranstaltung nach der anderen fällt aus. Man geht abends heim statt aus. Wir haben Kreative und Künstler in Stuttgart befragt, was gegen den Corona-Blues hilft.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Das Konzert für Kuscheltiere ist ein schöner Anblick. Im Jägerhaus von Untertürkheim sitzen Äffle, Giräffle, Pinguin, ein Bär mit Augenbinde – die gesamte Bande halt. Die süßen Gesellen freuen sich. Babs Steinbock spielt nur für sie. Die Musikerin und Teilzeit-Wirtin hat vor ihrer Bühne ein Publikum aus Plüsch platziert, bei dem sie sich garantiert nicht ansteckt. In ihrer Wirtschaft probt sie neue Lieder und Szenen. Das Coronavirus hält Menschen (und Kuscheltiere) daheim in der guten Stube.

 

Der Ruf des Stubenhockers war bisher – naja, wie soll man’s sagen? – steigerungsfähig. Wer abends auf seinem Sofa verharrt und nicht hochkommt, galt als langweilig und spießig. Diese Leute waren voll die Schlaffis. Couch Potatoes verpennen, was draußen Spaß macht, und haben wenige Freunde, weil man mit ihnen nix erlebt.

Stuttgart versinkt im Dornröschenschlaf

Doch nun liegt Stubenhocken voll im Trend. Immer mehr wollen abends nicht mehr raus, weil entweder fast alles wegen möglicher Corona-Gefahren abgesagt oder weil die Angst vor Ansteckung zu groß ist.

Stuttgart versinkt im Dornröschenschlaf, in tiefer Melancholie. Die Menschen sind schlecht drauf und stecken sich mit Untergangsstimmung gegenseitig an.

Es gilt, dagegen gemeinsam vorzugehen! Stubenhocker, nutzt die Zeit! Die Lage ist ernst. Wer es jetzt aber schafft, trotz allem das Positive zu sehen, findet raus aus dem Corona-Blues. Wer hat gute Ideen, wie die Home-Hocketse zum Renner wird?

Über digitale Kanäle – also ganz ohne Körperkontakt – haben wir Kreative und Künstler der Stadt um Vorschläge gebeten, was zu tun ist in trostloser Zeit.

„Wer die meisten Absagen einsackt, wird Corona-König“

Herr Hämmerle alias Kabarettist Bernd Kohlhepp findet es gut, wenn die Künstlerwelt jetzt einen spannenden Wettbewerb ausruft: „Wer die meisten Absagen einsackt, wird Corona-König. Ich leg schon mal vor: Neun. Lauft schpitze bisher.“

Andi Kraus, Comedian von Eure Mütter, geht noch einen Schritt weiter: „Das ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um einen Buchclub zu gründen. Trefft euch am Kaminfeuer in kleinen Gruppen und besprecht Werke großer Autoren. Gerade die französische Literatur bietet da momentan viel Schönes. Etwa ,Der eingebildete Kranke‘ von Molière, ,Die Elenden‘ von Hugo und natürlich ,Die Pest‘ von Camus. Viel Vergnügen!“

Magier Strotmann überträgt seine Shows im Netz

Der Magier Thorsten Strotmann vom Römerkastell hat alle Shows im März abgesagt und geht ins Netz. „Wir streamen die Vorstellungen aus dem Strotmanns“, sagt er, „jeder kann daheim eine Magic-Party feiern, also Freunde einladen und gemeinsam staunen im Wohnzimmer. Alle können von dort mitzaubern, interaktiv.“

Die digitalen Kanäle noch besser nutzen für Kommunikation, Spaß und Geschäfte – dafür plädiert Phil Hagebölling von den Innovation Heroes, einer Agentur, die Events organisiert und Marketing in sozialen Medien vorantreibt: „Wenn Produktpräsentationen bei Events ausfallen, müssen die Firmen Digitalpartys feiern und im Netz stärker ihre Angebote platzieren.“

Gotthilf Fischer, der Herr der Chöre, vergräbt sich in seinem Musikzimmer, berichtet seine Managerin Esther Müller, „und hat endlich die Muse, ohne Termine in die Welt der Musik abzutauchen und zu komponieren“. TV-Moderatorin Tatjana Geßler nutzt die Zeit des Stubenhockens etwa dazu, ihren Hunden „Anstand beizubringen“, in der Küche „neue vegane Rezepte zu testen“, sich mit ihrem Mann zu unterhalten und Songs oder Texte für Bücher zu schreiben.

Für den Messeveranstalter ist diese Zeit „eine Katastrophe“

DJ-Legende Jens Herzberg sagt, worauf es ankommt: „Wichtig sind ein Amazon-Prime-Abo und gesunde Freunde, die auf ein gepflegtes Glas Wein zum Karrierepoker-Abend kommen. Bei steigenden Temperaturen kann man den Grill anwerfen.“ Der Travestiekünstler Michael Panzer alias Frl. Wommy Wonder ist jetzt öfter daheim als sonst, „um neue Programme zu schreiben, Freunde zu treffen und meinen Vorrat an Büchern abzuarbeiten“. Von der „allgemeinen Hysterie“ will er sich nicht anstecken lassen, „sondern mich faktenbasiert neutral informieren“. Schon sehr freut sich Panzer „auf die Zeit danach“. Das wird ein Fest!

Für Messeveranstalter Luca Salvatore ist diese Zeit „eine Katastrophe“, wie er sagt: „Nun streichen wir alle Zimmer und renovieren ein wenig, sowohl privat als auch in den Büros.“

Jetzt ist die Zeit der Hausmusik. Kuscheltiere lieben solche Abende. Das Konzert im Jägerhaus ist sehr gut angekommen. Und keiner im Publikum hat gehustet.

Raus an die frische Luft und den Frühling begrüßen!

Was gegen den Corona-Blues noch hilft? Wahrscheinlich das, was auch gegen den Winterblues hilft: Raus an die frische Luft, den Frühling begrüßen, die Sonne genießen, im Wald spazieren, sich freuen darüber, was schön ist an der Welt.

Bleiben Sie gesund, liebe Leserinnen und Leser! Daheim ist’s auch schön. Hilft gar nichts mehr, hilft meist Humor. Es muss ja nicht gleich Galgenhumor sein. Und mit Kuscheltieren kann man wunderbar kuscheln!