Das Internet bietet unzählige Informationen zu allen möglichen Krankheitsbildern und Patienten nutzen „Dr. Google“ ausgiebig. Das allerdings gefällt vielen niedergelassenen Ärzte nicht, zeigt eine neue Studie.

Stuttgart - Das Internet begleitet Patienten zunehmend durch ihre Krankheitsgeschichte. Die Suchmaschine Google verzeichnet allein aus Deutschland täglich mehr als 100 000 Suchanfragen zu den verschiedensten Krankheitsbildern. Aber wie gehen Mediziner eigentlich mit der Wissbegierde ihrer Kundschaft um? Eine neue Studie belegt: Vielen haben damit ein Problem.

 

804 niedergelassene Ärzte der unterschiedlichsten Fachrichtungen wurden im vergangenen Herbst für die Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und der Krankenkasse Barmer GEK online befragt. Die wichtigsten Befunde der Studie, die an diesem Montag veröffentlicht wird: Mehr als die Hälfte der Mediziner findet informierte Patienten mindestens problematisch. Und 45 Prozent stimmen zudem der Aussage zu, die Selbstinformation der Patienten erzeuge unangemessene Erwartungen und Ansprüche, die die Arbeit der Ärzte belasteten.

Fast ein Drittel (30 Prozent) der Ärzte ist außerdem der Ansicht, dass die Selbstinformation Patienten meist verwirre und das Vertrauen zum Arzt beeinträchtige. Knapp ein Viertel rät Patienten sogar aktiv von der eigenständigen Suche nach Informationen ab.

Ärzte zeigen sich wenig selbstkritisch

Dass der Trend indessen ein anderer ist, davon zeigt sich Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, überzeugt. „Es ist eine unumkehrbare Entwicklung, dass immer mehr Patienten ihre Krankheitssymptome und die dazugehörigen Therapiemöglichkeiten im Internet recherchieren“, sagt sie. Ärzte sollten daher die Selbstinformation ihrer Patienten als Chance betrachten und fördern.

„Auch was das Thema Gesundheit angeht, sind die Menschen heutzutage anspruchsvoller und selbstbewusster“, bekräftigt Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer GEK. „Ein gut informierter Patient, der auf Augenhöhe mit dem Arzt über Krankheit und Behandlungsoptionen diskutiert, sollte das Ziel aller an der Versorgung Beteiligten sein“, so Straub.

Beim Informationsthema zeigen sich Ärzte laut der Studie wenig selbstkritisch. Zwar freuen sich gut 40 Prozent über das Interesse der Kundschaft, mehr über Krankheitsbilder zu erfahren. Knapp zehn Prozent ärgern sich allerdings, dass der Patient sich mit seiner Frage nicht zuerst an sie gewandt hat. Die Frage, ob das vielleicht auch an ihnen selbst liegen könne, stellen sich lediglich elf Prozent der Ärzte. Nur etwa zehn Prozent von ihnen fragen sich, ob der Patient sich zuvor mehr Beratung gewünscht hätte.

Nur etwas mehr als die Hälfte der Ärzte (56 Prozent) hat nach eigenen Angaben vertrauenswürdige Infomaterialien in der Praxis ausliegen und geben diese ihren Patienten mit. Knapp 50 Prozent weisen ihre Patienten auf gute Informationsquellen hin und ebenfalls knapp 50 Prozent der Ärzte suchen selbst nach geeigneten Informationen für ihre Patienten.

Manche Patienten sind doppelt gestraft

Doch wie gut informiert sind eigentlich die Ärzte selbst? 15 Prozent kennen sich nach eigenen Angaben eher nicht so gut oder überhaupt nicht gut mit den für Patienten verfügbaren Informationsangeboten aus. Trotzdem kennen gerade mal 21 Prozent der Ärzte die Internetseite patienten-information.de des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ), das immerhin das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) ist. Nur ein Drittel dieser Ärzte hält die Informationen dieser Internetseite für vertrauenswürdig, während das Vertrauen in Wikipedia mehr als doppelt so groß ist.

Die Autoren der Studie heben hervor, dass ein Drittel der Ärzte Frauen und Männer, die mit selbst gesammelten Informationen zu ihnen in die Praxis kommen, anschließend stärker in die Therapieentscheidungen mit einbeziehen und sich noch stärker bemühen, diese Patienten zu informieren.

Dabei fällt auf, dass diejenigen Mediziner, die die Folgen der Wissbegierde ihrer Patienten negativ bewerten, seltener angeben, die Kundeschaft künftig ausführlich mit Informationen zu versorgen. Gleichzeitig raten sie ihnen häufiger davon ab, selbst im Internet auf die Suche zu gehen. „Dies impliziert, dass die Patienten dieser Mediziner weitgehend uninformiert bleiben – denn sie bekommen weder mehr Informationen von ihrem Arzt noch sollen die selbst recherchieren“, so die Autoren. Da sei es gut, dass sich dieser Befund nur auf eine kleine Gruppe der Ärzte beziehe.