Früher war es beinahe selbstverständlich, dass junge Zahnärzte eine eigene Praxis anstrebten. Diese Zeiten sind vorbei. Dennoch sieht die Standesvertretung KZV die Versorgung auch auf dem Land nicht gefährdet

Stuttgart - Baden-Württembergs Kassenzahnärzte sehen die zahnärztliche Niederlassung auf dem Land entgegen manchen Befürchtungen nicht als Auslaufmodell. „Der ländliche Raum ist sehr wohl attraktiv für Zahnärztinnen und Zahnärzte, die sich niederlassen wollen“, bekräftigte Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV), gegenüber unserer Zeitung. Die Niederlassung werde „kein Auslaufmodell sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen“.

 

Maier berief sich auf eine noch nicht veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag der KZV Baden-Württemberg, die unserer Zeitung vorliegt. Danach erklärten 44 Prozent aller angestellten Zahnärzte im Südwesten, dass für sie nichts gegen eine Niederlassung in einer ländlichen Gegend spreche. 54 Prozent der befragten Zahnärzte in Anstellung nannten allerdings eine ganze Reihe von Argumenten gegen eine Existenzgründung auf dem Land. Ganz oben standen Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ungünstige Verkehrsanbindung, fehlende kulturelle Angebote, Patientenmangel und finanzielles Risiko. Zwei Prozent der angestellten Zahnärzte antworteten auf die Frage, was gegen eine Niederlassung spreche, mit „weiß nicht“ oder machten dazu keine Angabe.

Angestellte Zahnärzte, die bereits auf dem Land arbeiten, zeigten deutlich weniger Vorbehalte gegen eine Niederlassung als Selbstständiger in ländlicher Gegend. 54 Prozent von ihnen fielen keine Argumente gegen diesen Schritt ein.

KZV-Chefin Maier positiv überrascht

„44 Prozent sehen keinerlei Hindernisse gegen eine Praxis auf dem Land. Das ist ein sehr guter Wert, besser als von manchen erwartet“, sagte KZV-Chefin Maier. Dennoch seien die Argumente, die aus Sicht der angestellten Zahnärzte gegen eine Niederlassung abseits der Stadt sprechen, ernst zu nehmen. Es falle auf, dass es sich fast durchweg um Faktoren handle, welche die Attraktivität des ländlichen Raums betreffen. Die spezifischen Bedingungen für Zahnärzte spielten dagegen keine maßgebliche Rolle. Es handle sich demnach „offensichtlich auch um ein gesellschaftliches Problem“, so Maier.

Laut der Forsa-Umfrage planen die unter 44-jährigen angestellten Zahnärzte für die Zukunft unabhängig vom Ort mehrheitlich eine Niederlassung in Selbstständigkeit. Auch von dieser Zahl zeigte Maier sich positiv überrascht. „Das sind deutlich mehr, als in manchen Horrormeldungen suggeriert wird. Wir sind davon überzeugt, dass wir auch in Zukunft mit diesen jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten die Versorgung in Stadt und Land sicherstellen können“, erklärte die KZV-Chefin. Sie verwies darauf, dass es bisher in ganz Baden-Württemberg laut der kassenzahnärztlichen Bedarfsplanung noch keinen unterversorgten Planungsbereich gebe.

Maier forderte in diesem Zusammenhang größere Anstrengungen für eine bessere Infrastruktur in ländlichen Gegenden. Diese müssten mit den Städten mithalten können und vergleichbare Lebensbedingungen bieten. „Orte ohne schnelles Internet oder Handyempfang müssen der Vergangenheit angehören“, sagte Maier. Zu wenige Plätze in Kindertagesstätten vor Ort oder das Fehlen weiterbildender Schulen schreckten junge Menschen und junge Familien ebenfalls ab.

Arbeit im Team mit hohem Stellenwert

Zu den Ergebnissen der Forsa-Studie zählt auch, dass die zahnärztliche Versorgung vielfältiger werden dürfte. „Die Tendenz geht weg von der Einzelpraxis hin zu größeren kollegialen Einheiten“, sagte Maier. Zum einen mache der „unverhältnismäßige bürokratische Aufwand das Betreiben einer Einzelpraxis immer beschwerlicher“, zum anderen wollten jüngere Zahnärzte vermehrt bevorzugt in Teams arbeiten. Auch Wünsche der Patienten nach flexibleren Öffnungszeiten spielten eine Rolle, so die Chefin der Kassenzahnärzte im Land. Tatsächlich präferierten 31 Prozent der Befragten, die eine spätere Niederlassung in Selbstständigkeit planen, eine Einzelpraxis. 64 Prozent dagegen zogen eine sogenannte Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit einem oder mehreren Standorten vor. BAG sind Zusammenschlüsse von selbstständigen Zahnärzten.

Für die Umfrage im Auftrag der KZV Baden-Württemberg hatte das Forsa-Institut im vergangenen April 400 angestellte Zahnmediziner im Land telefonisch befragt. Dabei ging es der Standesvertretung auch darum, mehr über die Wünsche des Zahnärztenachwuchses die Berufsausübung zu erfahren. Die Ergebnisse sind Teil des Versorgungsberichts 2019 der KZV, der in der kommenden Woche erscheint.