Die Piratenpartei stürzt in der Wählergunst auf drei Prozent. Interne Machtkämpfe schaffen ein Klima des Misstrauens.

Berlin - Wenn man Christopher Lauer fragt, ob die neuesten Entwicklungen bei den Piraten seiner Partei schaden, dann antwortet der Berliner Fraktionschef mit mühsamem Galgenhumor: „Schaden? Wie denn? Wir sind inzwischen bei drei Prozent.“

 

Die Piraten, ein gutes Jahr lang von Wahlerfolgen verwöhnt, sind auf ihrem Abstieg mittlerweile weit unten angekommen . Hatte die Partei im Frühjahr bei 13 Prozent bessere Umfragewerte als die Grünen erreicht, so stehen die Chancen der Neulinge, im kommenden Jahr in den Bundestag einzuziehen, nun schlecht. Mehrere Institute sehen die Partei bei drei Prozent.

Die Außenwirkung der Truppe ist nach öffentlichen Streitereien, fragwürdigen Auftritten in Talkshows und nach dem so-und-so-vielten Versagen bei der Abgrenzung nach rechts desolat. Und auch die hehre Idee der Basisdemokratie erweist sich in der Wirklichkeit – zum Beispiel auf der Suche nach einem Programm mit Profil – als schwierig. Die Partei schwankt zwischen ihrem eigenen Anspruch, anders als alle etablierten Parteien zu funktionieren, und der Wirklichkeit, in der sie sich in Konkurrenz zu den Mitbewerbern beweisen muss.

Kritiker sehen einen neoliberalen Putsch

Mit dem Erfolg bröckelt auch der Kitt, der die Truppe von Individualisten trotz aller Streitereien und Skandale zusammenhielt. Jüngster Aufreger: in einer klandestinen Aktion gründeten einige Piraten in der vergangenen Woche eine eigene Truppe – sie nennt sich „Frankfurter Kollegium“ und versteht sich nach eigenen Angaben als „sozialliberaler Flügel der Partei“. Nun existieren in der Partei ohnehin Strömungen, und Flügel sind nicht ehrenrührig, sondern eher ein Beweis dafür, dass sich Positionen ausdifferenzieren – eigentlich etwas, was die Piraten dringend brauchen.

Aber das „Kollegium“, zu dem auch der ehemalige und heute stellvertretende Parteichef Sebastian Nerz sowie weitere führende Piraten gehören, sorgt für große Entrüstung – Kritiker werfen den Machern Intransparenz und Machtstreben vor. In der Partei wird von einem „neoliberalen Putsch“ gegen Transparenz und Beteiligung geredet. Ein Grund dafür ist die Heimlichkeit der Aktion, ein anderer die Tatsache, dass sich die Truppe in der rechtlichen Form eines Vereins organisiert, der auch darüber entscheidet wer Mitglied werden darf und wer nicht. Unverständlich bleibt vielen zudem, weshalb die Aktion mitten im Landtagswahlkampf für Niedersachsen stattfindet. Auch die politische Verortung sorgt für Irritation: „Wir haben den Eindruck, dass sich die Sozialliberalen unter uns im Moment etwas allein gelassen fühlen“, erklärte der Flügel zu seiner Gründung. Beobachter sehen hier den Richtungsstreit mit dem linken Flügel der Partei aufbrechen. Als sozialliberal aber verstehen sich viele Piraten ohnehin; Parteichef Bernd Schlömer – der durch die Presse von der Neugründung des Flügels erfuhr – hatte dies erst im November beim Parteitag wieder erklärt.

Politik spielen statt Politik machen

Der Berliner Lauer kritisiert den Flügel hart: „Das ist eine Truppe von Leuten, die Politik spielen anstatt Politik zu machen“, sagt er. Den Beteiligten gehe es darum, eine Struktur zu schaffen, in denen sie ihre Hegemoniebestrebungen befördern könnten. „Und ihr Manifest liest sich wie ein Aufsatz aus dem Ethikunterricht, 6. Klasse.“

Sebastian Nerz weist in einem Blogbeitrag viele Vorwürfe zurück. „Das Kollegium ist nur ein Versuch, gemeinsam zu arbeiten und Inhalte in der Partei voranzubringen, es ist weder wichtig, noch ist es böse.“ Der neue Verein habe mit einer Spaltung nichts zu tun, sagt der ehemalige Parteichef. Die sei längst da: „Die Spaltungen entstanden im Umfeld emotional geführter Debatten – wer sich an 2010 erinnert, dem fällt da sicher das eine oder andere ein – und durch gegenseitige Anfeindungen.“