Bei Philippsburg wird ein riesiger Stromkonverter geplant. Doch an beiden ins Auge gefassten Standorten gibt es Widerstand: Bürger wehren sich gegen die Anlage, weil sie Lärm und Elektrosmog fürchten – und die Bürgermeister auch.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - An diesem Sonntag wollen es die Bürger von Waghäusel (Kreis Karlsruhe) dem „Monstrum“ zeigen. Mit Trommeln und Trillerpfeifen wollen sie auf das mögliche Baugelände in der Nähe des Rheins ziehen, eine Menschenkette soll die Dimensionen der geplanten Gebäude verdeutlichen. Banner, Plakate und Aufkleber sind vorbereitet, es gibt sogar einen Protestsong mit dem sinnigen Titel „Gegenwind“. Das Regionalfernsehen hat sich angekündigt, Radioreporter haben schon vorab Interviews gemacht. Über den Ort hinaus soll der Widerstand, der bereits in 7000 Unterschriften dokumentiert ist, diesmal hör- und sichtbar werden.

 

„K21“ nennt sich abgekürzt die Bürgerinitiative, die zu der Demonstration aufgerufen hat – K diesmal nicht wie Kopfbahnhof, sondern wie Konverter. So heißt die gewaltige Anlage, die in der Nähe des Kernkraftwerks Philippsburg entstehen soll. Benötigt wird sie infolge der Energiewende, die dem ersten der beiden dortigen Atommeiler schon das Aus beschert hat. Mit einer mehrere hundert Kilometer langen Leitung soll künftig Strom aus Norddeutschland gen Süden transportiert werden. An beiden Enden gilt es, den Wechselstrom in Gleichstrom umzuwandeln und umgekehrt. Umwandeln heißt auf lateinisch „convertere“, daher der Name.

Zu nahe an der Wohnbebauung?

Vier riesige Hallen umfasst der für eine Leistung von 2000 Megawatt ausgelegte Konverter, jeweils zwanzig Meter hoch. Sensible Bauteile wie Transformatoren oder Spulen sind darin unterzubringen, mit erheblichem Sicherheitsabstand, weil sie unter Hochspannung stehen. Ungefähr 100 000 Quadratmeter werden dafür und für die Nebenanlagen benötigt – etwa die Fläche eines großen Einkaufszentrums in der Nachbarschaft, vergleicht die Bürgerinitiative. Kein Wunder also, dass sie von einem „Monstrum“ spricht.

Der Protest richte sich mitnichten gegen die Energiewende, versichert ihr Sprecher Werner Most; die unterstütze man uneingeschränkt. Man wehre sich aber gegen den Standort für den Konverter, der mit etwa 500 Metern viel zu nahe an die nächsten Wohngebiete heranrücke. Es ist vor allem die Sorge vor der Lärmbelästigung durch die Tag und Nacht laufende Kühlung, die Most und seine Mitstreiter umtreibt, aber auch vor möglichen Gesundheitsgefahren durch Elektrosmog. Weitere Einwände: mit den bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen ginge ein beliebtes Naherholungsgebiet verloren, das in der Anlage verwendete Öl könnte das Trinkwasser gefährden. Ähnliche Widerstände gibt es am zweiten ins Auge gefassten Standort, nahe am Kernkraftwerk Philippsburg. Hauptkritikpunkt ist auch dort die Nähe zu den nächsten Wohnhäusern.

TransnetBW wirbt um Akzeptanz

Ausgewählt wurden die beiden Areale vom Projektbetreiber, der Netzgesellschaft TransnetBW, einer Tochter des Energiekonzerns EnBW. Sie ist für den Konverter im Süden zuständig, im Norden sind es die Kollegen von Amprion. Nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur sichteten die Transnet-Leute potenzielle Standorte in einem Suchraum mit zehn Kilometer Radius; Die Kriterien wurden gemeinsam mit einem Umweltgutachter festgelegt. In einem abgestuften Verfahren blieben am Ende die Flächen in Waghäusel und Philippsburg übrig. Begründung: dort gebe es die wenigsten Eingriffe in die Umgebung, und die Bürger nähmen am wenigsten von der Anlage wahr. Bei der Konstruktion des Konverters achte man zudem sehr darauf, die Geräusche zu minimieren.

Seit Monaten gibt sich TransnetBW erhebliche Mühe, um die Akzeptanz für das Großvorhaben zu fördern. Man nehme die Sorgen und Befürchtungen der Anwohner sehr ernst, heißt es. Doch trotz Informationsveranstaltungen und runden Tischen bleiben die Anwohner skeptisch. Das gilt auch für die Bürgermeister der beiden betroffenen Gemeinden. Walter Heiler (SPD) aus Waghäusel sähe den Konverter am liebsten in Philippsburg: das böte sich an, dort seien schließlich schon die ganzen Leitungen. Sein dortiger Kollege Stefan Martus (CDU) will davon nichts wissen. Er verweist auf einen einstimmigen Beschluss des Gemeinderats, sich zu wehren. Mit dem Kernkraftwerk und dessen Rückbau trage man schon genug Lasten, argumentiert er.

Infofahrt nach Norddeutschland

Beistand bekam die Bürgerinitiative auch vom Bundestagsabgeordneten Olav Gutting (CDU), der zur Suche nach Alternativen riet. Der Schutz der Menschen, fordern die Kritiker, müsse dabei stärker als Umweltaspekte gewichtet werden. Doch bei Transnet konzentriert man sich auf die beiden ausgewählten Areale. Für den Herbst plant der Projektträger nochmals eine Kommunikationsoffensive. So will man mit Kritikern und Kommunalpolitikern nach Norddeutschland fahren, um vergleichbare Anlagen zu besichtigen. Im Spätherbst solle es erneut einen runden Tisch geben, sagt eine Sprecherin.Dann sollten auch die Ergebnisse einer vertieften Untersuchung vorliegen, die derzeit läuft.